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Alt 18-10-2005, 13:55   #151
Tester32
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Zitat:
Diese Zeit begann 1987, als die 18-jährige Susanne Risken einen Ausbildungsvertrag in einer Druckerei abschloss. Schriftsetzerin wollte sie werden und Satzmaschinen beherrschen, die groß waren wie Schränke. Ein Beruf, dem schon damals keine große Zukunft beschienen war. Das Wissen ist heute nicht mehr zu gebrauchen, die alten Satzmaschinen haben längst ausgedient. Doch gewarnt hat sie niemand.
Das ist in der Tat ein Riesenproblem. Ich glaube, daß die Wirtschaftsdynamik mit der Globalisierung zugenommen hat. Die Produktzycklen sind schneller und die Wanderbewegungen der Industrie häufiger geworden. Dieser Dynamik zu folgen kann entweder ein ungebildeter Niedriglöhner oder ein Akademiker mit einer breiten Bildung, der sich ständig fortbildet. Die Jobs dazwischen haben keine Existenzsicherheit mehr. Selbst auf dem Bau gibt es immer mehr Automatisation. Diese Entwicklung macht eine Berufswahl sehr schwierig und ich schätze, daß wir amerikanische Verhältnisse bekommen werden, mit vielen Ungebildeten und ein paar sehr gut ausgebildeten, die sich ständig weiter fortbilden.

Zitat:
Susanne Risken suchte sich einen Job bei einem Soester Computergroßhändler ... Dann brach ein neues Jahrtausend an, und der Chef sagte, es ginge nicht mehr.
Ja, genau so ein Beispiel eines besonders dynamischen Wirtschaftszweiges.

Zitat:
Schriftsetzerin Risken muss einen Grundlagen-Computerkurs machen. Der dauert drei Wochen, bringt ihr aber nichts. Das meiste, was man ihr beibrachte, wusste sie längst - in einer Marketingabteilung muss jeder mit einem PC umgehen können.
...
Danach wird sie zu einem Weiterbildungsträger geschickt: Fortbildung zum Internet-Spezialisten. "Der IT-Bereich ist die Zukunft", sagen die Vermittler. Man schreibt das Jahr 2000. Susanne Riskens Wunsch, eine örtliche Schule für Sozialpädagogik besuchen zu dürfen, wird abgelehnt. Dabei wünscht sich die 31-Jährige so sehr einen Job, in dem sie viel mit Menschen zu tun hat.

Stattdessen versucht das Amt, in zwölf Monaten aus einer Anfängerin mit Grundkenntnissen einen Programmier-Profi zu machen. Das klappt nicht. Einen Server kann Susanne Risken danach nicht betreuen, genauso wenig wie viele ihrer Kurskollegen. Als die Internetblase platzt und der IT-Arbeitsmarkt abstürzt, herrschen für angelernte Internet-Experten besonders schlechte Aussichten.
Da muß man aber auch dem Amt Grenzen setzen und auf eigene Interessen hinweisen. Die Praxis in meiner Familie zeigt, daß es am besten mit Fortbildungen und Umschulungen vom Arbeitsamt klappt, wenn man genau weiß, was man braucht und mit dem Arbeitsamt nur noch die Details abstimmt. Eine eigene Initiative ersetzt das Arbeitsamt keinesfalls.

Zitat:
Natürlich kann das Arbeitsamt nichts dafür, dass der Stellenmarkt zusammenbricht. Aber die investierte Zeit ist weg - zumal Susanne Risken es gar nicht zum Profi gebracht hat.
Schlimmer als die Zeit sind die verpulverten Fördermittel des Arbeitsamtes, denn den nächsten Kurs wird das Arbeitsamt nicht mehr so schnell bezahlen. Also auf keinen Fall einen Kurs annehmen, von dem an nicht überzeugt ist! Sonst nimmt man sich die Chance, den Kurs bezahlt zu bekommen, den man wirklich braucht!

Zitat:
Jeden Job annehmen - nur nicht rumsitzen müssen.... Sie muss Gewebeproben zur Analyse aufbereiten. Alles besser, als arbeitslos zu sein.
Ist nicht ratsam. Ein Zwischenjob, der nicht zum Ziel führt, sondern nur davon entfernt, ist eine Zeitverschwendung und läßt den Lebenslauf „ungeradeliniger“ aussehen.

Zitat:
Als die Stelle ausläuft, will die inzwischen in Agentur für Arbeit umgetaufte Behörde ihr keine neue Weiterbildung mehr bezahlen. Sie sei schließlich Internet-Spezialistin, weitere Maßnahmen sind nicht vorgesehen.
Sage ich doch! Die Möglichkeit, vom Arbeitsamt eigene berufsfördernde Maßnahmen bezahlt zu bekommen, sollte man wie einen Joker und die Mittel dafür wie auf dem eigenen Konto betrachten, und sie nicht für Unsinniges verpulvern (lassen), nur weil es dem Arbeitsamt so lieb ist!

Zitat:
Pulverbeschichtungsfirma. Vier Wochen lang Fahrradgabeln, Schrauben und Radkappen mit Chemikalien besprühen.
Solch Niedrigqualifikationjobs sind auf die Dauer in den Industrieländern nicht zu halten, man schaue sich nur die sinkende Qualität und Preis der Fahrräder an. Wenn der Job ihr am Herzen liegen würde, dann hätte sie eine Lehre als Lakiererin machen und in die Autoindustrie gehen sollen. Ist aber auch keine Garantie, daß es diesen Job noch lange geben wird.

Zitat:
Mit Einführung der sogenannten Bildungsgutscheine darf sich auch Susanne Risken wieder auf Staatskosten weiterqualifizieren, diesmal im kaufmännischen Bereich. Sechs Monate Grundlagen der Buchführung. Der Kurs läuft im Frühjahr aus, aber Stellen gibt es immer noch nicht.
Die Idee mit den Gutscheinen ist sehr gut, so sieht man besser, daß man für die Verwendung selbst zuständig ist. Aber wieder falsche Richtung.

Zitat:
Da erfüllt die Arbeitsagentur endlich den großen Wunsch ihrer treuen Kundin: Susanne Risken darf die Schule für Sozialpädagogik besuchen. Im August fängt sie an, drei Jahre dauert die Ausbildung. "Das gibt mir viel Halt", sagt sie. Nebenher will sie das Montessori-Diplom machen, ein Nachweis für eine spezielle Art der Kinderpädagogik. Man habe damit sehr gute Chancen, sagt sie. Dann wäre Susanne Risken Erzieherin, im Alter von knapp 40 Jahren.

Ein Happy End sieht sicher anders aus. Trotzdem wäre der Job endlich der ersehnte neue Anfang.
Na endlich! Hier wird sie sicherlich Erfolg haben. Das hätte sie bereits länger machen sollen! Eins verstehe ich nicht, was wollte der Journ@list mit dem Satz Dann wäre Susanne Risken Erzieherin, im Alter von knapp 40 Jahren. sagen? Steht jemandem in diesem Alter dieser Job nicht? Ist es besser, mit 20 Türsteherin, mit 30 Berufssoldatin, mit 40 Buchhalterin, mit 50 Sekretärin und mit 60 Pflegehilfe zu sein? Die Wahrscheit ist: es gibt keinen Zusammanhang zwischen Job und Alter, nur zwischen Job und Gesundheit sowie Job und Lernfähigkeit. Gesundheit und Lernfähigkeit hängen zwar mit dem Alter zusammen, aber nicht so eng und es gibt viele viele Ausnahmen.
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