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Alt 24-03-2007, 22:05   #1
Franki.49
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Exclamation Hart aber fair, die Sendung im WDR.

Hart aber fair: Wohlstandsjugend im Saufkoma
Faktencheck: Aussagen auf dem Prüfstand.

Sie prügeln und saufen sich ins Koma, sie daddeln sich dumm am Computer, verpennen Schule und Ausbildung. Zerrbild oder Krisenbeschreibung? Mehr Härte, mehr Führung in der Erziehung fordern Pädagogen und Politiker. Aber taugt Großvaters Drill für die Erziehung von heute?

Wohlstandsjugend im Saufkoma
[Hart aber fair (21.03.07); 1:31'25] Eine politische Talkshow ist turbulent. Auch in 90 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "Hart aber fair" nach und lässt einige Behauptungen von Experten unter die Lupe nehmen. Die Antworten gibt es am Tag nach der Sendung, hier im Faktencheck.


Claude-Oliver Rudolph über Jugend früher und heute

Claude-Oliver Rudolph
Claude Oliver Rudolph, Schauspieler, sagt, in qualitativer Hinsicht haben Jugendliche in den siebziger Jahren genauso Alkohol und Drogen konsumiert wie heute. Lediglich in Bezug auf die Menge sei es heute unter Umständen mehr. Stimmt das?

Christian Palentien: Ja und nein. Entscheidend ist nicht die Menge, sondern die Motivation Jugendlicher, Alkohol zu konsumieren. In den siebziger Jahren wurden zwar auch Drogen eingenommen, jedoch waren die Hintergründe andere: Jugendliche haben Alkohol getrunken, da sich ihre Perspektiven verschlechterten. Die Jugendlichen, die heute Alkohol trinken oder Drogen konsumieren, sind völlig perspektivlos: Sie haben mit 16 Jahren einen schlechten Hauptschulabschluss oder gar keinen Schulabschluss, die Chancen auf einen Ausbildungsplatz sind mehr als schlecht, auf den Wunschausbildungsplatz noch schlechter. Am Ende bleibt diesen Jugendlichen nur - aus ihrer Sicht - sich "frei zu machen" von all diesen Problemen, Ängsten und Sorgen.

Rufus Beck über die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen

Rufus Beck
Rufus Beck, Schauspieler und Buchautor, sagt, bei Jugendlichen sei die Hemmschwelle zur Gewalt früher wesentlich höher gewesen als heute. Stimmt das?

Christian Lüders: Alle Daten der polizeilichen Kriminalstatistik belegen, dass in den letzten zehn Jahren junge Menschen deutlich häufiger als gewalttätig ermittelt wurden. Diesen Trend bestätigen auch die Daten der Verurteiltenstatistik sowie Dunkelfeldstudien. Allerdings gibt es zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen, den Geschlechtern bzw. den unterschiedlichen Gruppen von Jugendlichen (deutsch - nicht-deutsch) wichtige Unterschiede. Jungen sind z.B. deutlich höher belastetet als Mädchen.

Volker Bouffier über Gewalt und Alkohol

Volker Bouffier
Volker Bouffier, Innenminister in Hessen, sagt, die Gewalt Jugendlicher in Zusammenhang mit Alkohol sei heute wesentlich stärker verbreitet, als dies früher der Fall war. Stimmt das?

Christian Lüders: Es gibt keine verlässlichen Daten, die diese Aussage für die letzten 30 Jahren bestätigen könnten. Zahlreiche Studien und Praxiserfahrungen weisen darauf hin, dass bei Gewalttaten Jugendlicher Alkohol als ein enthemmender Faktor eine wichtige Rolle spielt. Einzelstudien machen deutlich, dass es zwischen den Gruppen von Jugendlichen Unterschiede gibt und die Entwicklungen nicht eindeutig sind.

Christian Palentien: Nein, dies stimmt nicht. Insgesamt ist unser Zusammenleben wesentlich friedvoller geworden, also das Gewaltvolumen hat abgenommen. Natürlich gibt es einige Szenen, die weiterhin viel Alkohol trinken, um dann gewalttätig aufzufallen. Es handelt sich aber nur um bestimmte Jugendszenen. Der Großteil Jugendlicher, der abends Alkohol konsumiert, wird dann ins Bett gehen, um morgens das Trinken zu bereuen. Nur ein kleiner Anteil wird gewalttätig. Hier löst der Alkohol aber nur eine Hemmschwelle - man muss sich also um die dahinter liegenden Phänomene Gedanken machen.

Rufus Beck über Vorraussetzungen für Kinder deutsch zu lernen

Rufus Beck
Rufus Beck sagt, Kinder mit Migrationshintergrund müssten zunächst einmal in der eigenen Sprache standfest sein. Nur wenn dies der Fall ist, könnten sie auch eine Fremdsprache lernen. Stimmt das?

Christian Lüders: Es ist sicherlich richtig, dass Kinder ein grundlegendes Sprachverständnis entwickeln müssen. Dies betrifft sowohl die Zuordnung und Benennung von Dingen und Sachverhalten als auch ein Grundverständnis der sprachlichen Strukturen. Dies erfolgt in den ersten Lebensjahren beiläufig und selbstverständlich. Alle weitere Sprachentwicklung baut darauf auf. Der entscheidende Unterschied bei Mehrsprachigkeit besteht darin, in welcher Entwicklungsphase die Zweitsprache erworben wird. Kinder, die bereits im Elternhaus mit zwei oder auch mehr Sprachen parallel aufwachsen, zeigen deutlich, dass Mehrsprachigkeit erworben wird. Erfolgt der Zweitspracherwerb zeitlich versetzt, so sind bis etwa zum fünften Lebensjahr die Bedingungen günstig, denn die Zweitsprache wird in vergleichbarer beiläufiger Weise gelernt wie die Erstsprache (z.B. im Kindergarten).

Christian Palentien: Diese Ansicht wurde noch vor einigen Jahren von der Lehr- und Lernforschung vertreten. Heute wissen wir - auf der Grundlage vieler unterschiedlicher wissenschaftlicher Studien - dass Kinder, die zweisprachig aufwachsen, ein überdurchschnittliches Potenzial haben, wenn sie entsprechend gefordert und gefördert werden, und zwar in beiden Sprachen.

Volker Bouffier über Jugend und Sportvereine

Volker Bouffier
Volker Bouffier sagt, nirgendwo sonst erreiche man so viele Jugendliche, wie in Sportvereinen. Daher seien sie so enorm wichtig. Stimmt das?

Christian Lüders: Das stimmt! Zu bedenken sind aber auch Selektionseffekte: Es werden nämlich eher männliche, einheimische, in den alten Bundesländern lebende und mit höheren kulturellen und sozialem Kapital ausgestattete Jugendliche erreicht.

Christian Palentien: Die meisten Jugendlichen erreicht man in der Schule. Dann folgen die Sportvereine, in der Tat. In Bremen sind zum Beispiel viele Jugendliche Werder-Bremen-Fans - und spielen Fußball. Schaut man genau hin, dann sind es aber vor allem die Jungen, bestimmte Schichten und bestimmte Altersgruppen. Wir müssen dringend klären, wo die Jugendlichen bleiben - und dies ist der überwiegende Anteil - die sich nicht im Verein organisieren, um dann zu fragen, wie man diese für Vereine gewinnen kann und welche sinnstiftenden Aktivitäten man dort anbieten kann. Die Einbindung Jugendlicher in Sportvereine ist zwar zunächst einmal positiv, man muss aber auch schauen, was dort konkret geschieht. In vielen Vereinen haben Jugendliche erstmals Kontakt mit Alkohol. Also auch in den Vereinen muss eine konsequente Fort- und Weiterbildung stattfinden.

Reinhart Wolff über Eigenschaften von Erziehern

Reinhart Wolff
Reinhart Wolff, Erziehungswissenschaftler, sagt, nicht Regeln, sondern Selbstdisziplin sei das wichtigste, das ein Erzieher heute mitbringen müsse. Nur hierdurch könne man Kindern und Jugendlichen auch vorleben, wie sie sich in der Welt verhalten sollen. Stimmt das?

Christian Lüders: Die zunächst von Erwachsenen gesetzten Regeln dürfen nicht starr sein, sondern müssen von Kindern und Jugendlichen mit wachsendem Alter zunehmend hinterfragt werden darauf, ob sie für die eigene Entwicklung und die Verwirklichung eigener Ziele sinnvoll und wichtig erscheinen. Kinder und Jugendliche müssen zunehmend mitbestimmen dürfen über Regeln, die sie selbst betreffen. Wenn Regeln als sinnvoll vermittelt werden können und wenn Pädagogen als bedeutsame Bezugspersonen akzeptiert werden, deren Verhalten und Bewältigungsstrategien den Kinder und Jugendliche nachahmenswert erscheinen, kommt deren Selbstdisziplin eine wichtige Rolle zu, da die Pädagogen dann Vorbildfunktion haben. Ihr Vorbild ist dann sehr wichtig, um Verbindlichkeit und Bedeutsamkeit der Regeleinhaltung zu erhöhen. Verstoßen sie gegen die Regeln, unterhöhlen sie dagegen deren Bedeutung und verlieren als Pädagogen an Glaubwürdigkeit.

Christian Palentien: Richtig ist: Die Vorbildfunktion Erwachsener zu ignorieren, wäre sträflich. Jedoch: Jugendliche informieren und orientieren sich nicht nur an den Eltern, sondern auch medial, in der Schule, in der Freizeit oder in Sportvereinen. Jugendliche wählen aus einer Vielzahl an Angeboten aus. Selbstdisziplin ist aus pädagogischer - und erwachsener - Perspektive zwar wichtig, zuviel (Selbst-)Disziplin führt aber dazu, dass sich Jugendliche von Erwachsenen abwenden. Und genau dies darf nicht passieren.

: WDR.de http://www.wdr.de/themen/politik/1/h...21/index.jhtml

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Wenn ich darf, würde ich gern hier die Wahrheitsüberprüfung der Aussagen der Gäste, Politiker in der wirklich spannenden Sendung im WDR "Hart aber fair" hier einbringen.
Ich selbst sehe die Sendung sehr gern, Blasberger macht einen guten Job und immerwieder vergeht die Sendezeit wie im Fluge.

Wenn es nicht erwünscht wird oder kein Interesse besteht, dann lasst es mich mittels einer pm wissen und ich lasse es sein.

Ich wünsche euch eine schöne Woche und noch einen vorfrühlingshaften Sonntag.

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Letzter Funkspruch der TITANIC: "Wir schaffen das!





Gruss Franki
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