Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 17-07-2011, 07:55   #16
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Hi Franki,

na, soweit würde ich nicht gehen...

Inhaltlich finde ich diese Postings von "Bernd2" und "Absalom" recht gut, welche das Dilemma da drüben schön darstellen.
Quelle für beide: http://meta.tagesschau.de/id/51058/o...comment-431251

"So, 17.07.2011 - 04:53 — Bernd2
Obama hat keine andere Chance als in den sauren Apfel des Kompromisses zu beißen. Er hat keine Mehrheit und ist leider tatsächlich ein "lame duck".

Er ist abhängig von den Repstilien, und die wissen das natürlich und nutzen die Situation eiskalt aus. Das hat nichts mit Staatsverantwortung oder Patriotismus zu tun, es geht ihnen lediglich darum, den jetzigen Präsidenten so stark wie möglich zu beschädigen. Denn im nächsten Jahr sind Wahlen.

Und die wird Obama wohl nicht gewinnen können. Nicht so sehr, weil er schlechte Politik betrieben hat, sondern, weil er seine guten Ideen nicht umsetzen konnte aufgrund der Grabenkämpfe in Washington und in den Wäldern der USA.

Amerika wird noch unsozialer werden, noch kriegerischer und noch mehr in die rechte Ecke rücken. Ein Teufelskreis, der im absoluten Chaos enden kann. Europa und der Rest der Welt sollten sich langsam ideologisch und moralisch von diesem wildgewordenen, selbstverliebten Land distanzieren."

---------
Die Äußerung von "Bernd" blieb aber nicht lange unwidersprochen, siehe dieses Posting von "Absalom":

@Bernd2
So, 17.07.2011 - 06:58 — Absalom
Das sehe ich aber ganz anders. [...] Die Republikaner haben eigentlich nur noch die Wahl, sich zu erschiessen oder sich aufzuhaengen. Stimmen sie einem Kompromiss zu (was ich letztendlich fuer unvermeidbar halte), sind sie bei ihren fanatischen Stammwaehlern unter durch. Bleiben sie stur, tragen sie die Verantwortung fuer die negativen Folgen und verderben sie es sich mit der Mehrheit (je nach Umfrage 65-80%,, die fuer den Kompromiss ist) und garantieren Obamas Wiederwahl (die sowieso ziemlich sicher ist). Schadenfreude ist also angebracht. Ich hoffe nur, dass Obama hart bleibt.

-------------



Leider macht Europa in der Tendenz vieles nach, was sich in den USA durchsetzt - nur zeitlich später.

Aber ich denke, dass die Grundstimmung für dieses Phänomen (kompromisslose Antisteuererhöhungsideologie) in den USA und in vielen Ländern Europa sehr ähnlich ist. Sie äußert sich nur in unterschiedlichen Symptomen.

In den USA glauben viele Leute, "der Staat", das "System Washington" bzw. "die Politiker" seien Schuld an der eigenen Orientierungslosigkeit und Unsicherheit hinsichtlich des eigenen zukünftigen materiellen Wohlstands. Viele Leute sehen das Ende einer Politik des Gemeinwohls gekommen, sie beobachten das Unwissen und Desinteresse breiter Wählerschichten und die hemmungslosen Bereicherungstechniken der Lobbyverbände. Und sie nehmen eine Kaltblütigkeit der Machterhaltung u. Machterlangung von den meisten Politikern im Senat u. Kongress der USA wahr. Deshalb soll das "System Washington" nach Möglichkeit in seiner Macht zurückgefahren werden - die Politiker sollen weniger Geld bekommen: Weniger Steuern an den Staat.

In Europa glauben viele Leute, "die Bürokratie", das "undurchschaubare und unkontrollierbare System der EU" bzw. "schwachen Staaten in der EU und die vielen Sozialhilfeempfänger im eigenen Land" seien Schuld an der eigenen Orientierungslosigkeit und Unsicherheit hinsichtlich des eigenen zukünftigen materiellen Wohlstands. Deshalb sollen die alle nach Möglichkeit in ihrer Macht bzw. in ihrem Einfluss zurückgefahren werden - nur wie? In der EU scheint das "System" überall zu sein - aber die Leute fühlen sich immer weniger als ein Teil davon.

Verunsichert sind die Leute auf beiden Seiten, sie machen nur unterschiedliche Dinge/Gruppen dafür verantwortlich. Allerdings wissen die Menschen in europäischen Staaten noch nicht so recht, wo genau sie den Hebel ansetzen sollen.

Während unserer Lebenszeit und in den Jahrhunderten davor gilt bislang der Megatrend, dass die Macht über die Geldströme immer mehr zentralisiert worden sind. Damit einher stieg die Komplexität des ganzen Wirtschaftssystems und der Verwaltung sowie Steuerung ungeheuer an. Möglich wurde dies durch Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft sowie durch billige fossile Energie. Das ist für uns alle normal, wir kennen nichts anderes.

Dieser Entwicklungstrend wird sich in diesen Jahren (evtl. 1-2 Jahrzehnten) umkehren: Stärkere Dezentralität, geringere Komplexität.

In den USA wie in Europa geht der Trend dann neu dahin, dass die Macht über das Geld immer mehr dezentralisiert werden wird, weil diesen Zentralstrukturen immer mehr das Geld ausgeht, weil die Produktivitätssteigerungen nicht mehr kommen und die Wirtschaft mangels Nachfrage beginnt zu schwächeln. Hinzu kommen noch einige andere Dinge, die ich hier weglasse, in Europa z.B. der demografische Wandel, u.a.. In Folge wird den Zentralstrukturen nicht mehr vertraut, diese werden sogar als Ursache des Übels angesehen werden: In den USA ist das die Regierung in Washington, in Europa ist das dieses versuchte Management des Staatenbundes mit all diesen gigantischen Geldströmen zur Stützung irgendwelcher Branchen oder Staaten.

"Macht über das Geld immer mehr dezentralisieren", das bedeutet, dass die Strukturen zur Ausübung dieser Macht bürgernäher gemacht werden im geografischen Sinne: Am Ende wird sehr viel Geld quasi kommunal per Steuern erhoben, verwaltet und ausgegeben werden. (Städte-)Regionen werden immer stärker werden, internationale und nationale Strukturen schwächer. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass diese künftigen regionalen Strukturen demokratisch sein werden. Das wäre zwar schön, aber es kann auch in Richtung Mittelalter gehen.

Früher oder später werden diese rechten "Steuerfanatiker" in den USA, werden steigende Zinsen und eine abschwächend Konjunktur es schaffen, die Zentralregierung in Washington als komplette Verlierer und Idioten dastehen zu lassen - weil sie unpopuläre Maßnahmen wird treffen müssen und weil die Löcher in den Straßen und im Staatshaushalt immer größer werden. Die Probleme werden immer größer und die staatlichen Leistungen immer kleiner. Da ist es doch völlig logisch, dass den Leuten die Lust vergeht und sie dieses staatliche System "herunterfahren" wollen. So etwas geht über Geld am besten. Folglich weniger Steuern.

Die Schere weitet sich so immer mehr und dürfte dann irgendwann instabil werden. Was dann passieren wird, das kann ich mir noch nicht recht vorstellen, das gab es so noch nicht. Ich denke, es wird zu stellenweisen Gewaltaktionen kommen, wenn z.B. in der Zukunft Steuereintreiber mit Polizeibegleitung irgendwo etwas pfänden wollen und sich dann eine Art "Bürgerwehr" formiert, die das zu verhindern sucht. Die Bürgerwehren dürften aber bald "gewinnen" und die Gewalt dürfte also überschaubar bleiben. Allerdings bedeutet das dann Revolution - allerdings in eine Zukunft, die materiell ganz sicher weniger attraktiv sein wird als das, was jetzt da ist. An der Stelle keine Illusion: So materiell gesehen komfortabel wie jetzt werden wir als Gesellschaft nie wieder leben können.
Vermutlich ärgern wir uns dann nicht über irgendwelche Politiker, sondern über rücksichtslose Gierärsche, die sehr schnell regionale Machtpositionen erklommen haben und die nun egoistisch ausnutzen.
Es wird sicherlich auch Regionen geben, die das besser lösen, aber in der Mehrzahl wird es wohl nicht wirklich demokratisch zugehen.
__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (17-07-2011 um 09:20 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten