Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 30-09-2006, 08:15   #37
621Paul
TBB Family
 
Benutzerbild von 621Paul
 
Registriert seit: Jan 2004
Ort: Bayern
Beiträge: 10.299
Online geht die Welt zugrunde

Hallo, liebe Leser,

vor einiger Zeit habe ich etwas gelesen, das etwa in die Richtung ging, dass die Deutschen immer mehr und durchaus begeistert online einkaufen würden.

Wissen Sie was? Das können keine Kunden gewesen sein, die versucht haben, ‚mal eben’ ein neues Angebot der T-Com wahrzunehmen. Sie glauben mir nicht? Dann folgen Sie mir in eine aktuelle (und noch laufende) Aufführung in 10 Akten. Hauptdarsteller: Das Online-Angebot der T-Com in der Rolle als „Meister der Kundenverhinderung“.

Vorrede auf dem Theater: In diesem Monat schickte mir die T-Com eine Werbemail für ein tolles Angebot. „ Call & Surf Comfort Plus“ heißt das mit blumigen Worten beworbene Rundum-sorglos-Paket mit ISDN, DSL und allen nötigen Flatrates zu einem Festpreis. Nach kurzem Rechnen stellte ich fest, dass meine bisherigen Einzelaufträge teurer sind und ich beschloss, das angebotene Paket zu kaufen. Frohgemuts startete ich den Browser...

Erster Akt: Der Browser öffnet sich, ich klicke mich durch mehrere unübersichtliche Seiten der T-Com. Endlich erscheint der Bestell-Knopf. Ich melde mich mit meiner Kundennummer an und gebe in das Formular brav alle persönlichen Daten inklusive der Rufnummer, E-Mail und Kontodaten ein. Ein beschwerlicher Weg, denn auf Seite 2 erklärt mir die Webseite, dass ich nicht angemeldet sei und die Bestellung so natürlich nicht durchgeführt werden könne. Also ein neuer Versuch mit einem anderen Browser. Diesmal klappt es. Nur der Wunschtermin zur Freischaltung fehlt noch. Schade, erst in acht Tagen möglich.

Dann ist es vollbracht – „Call & Surf Comfort Plus“, der vielbeworbene Stern am Telekommunikationhimmel, wurde bestellt. Da fällt es schon nicht mehr ins Gewicht, dass die Kosten auf der Webseite aufgrund eines internen Fehlers nicht korrekt berechnet werden können. Und – was will man mehr - eine Bestellbestätigung per E-Mail folgt auf dem Fuße.

Zweiter Akt - Zwischenspiel: Der Tag der Schaltung naht. Was ganz und gar nicht naht, ist das versprochene Bestätigungsschreiben. Macht aber nichts, denn die Bestellung wurde ja per E-Mail mit einer Bearbeitungsnummer bestätigt.

Dritter Akt: Die Sonne geht auf, um einen herrlichen Tag anzukündigen – den Tag der Schaltung. Doch seltsam, das DSL scheint so langsam wie zuvor. Aber ein schneller Blick auf den Online-Bestellstatus wird das bange Nervenkostüm beruhigen. Doch da, was sagt die schnöde Seite: „Es liegt keine Bestellung vor“. Das kann doch nur ein Irrtum sein? Was tun? Die Webseite der T-Com weiß zum Glück Rat. In Zweifelsfällen und anderen seelischen Notlagen möge man doch die Hotline unter 0800-330-8191 anrufen.

Der vierte Akt: Die Hotline meldet sich – leider nur in Gestalt einer Ansage, die mir mitteilt, dass die Mitarbeiter gerade so mit anderen Kunden beschäftigt sind, dass sie nicht mit mir reden können. Aber später, ja später, da wäre es wohl möglich. Ich solle es nur wagen, erneut anzurufen. 15 Wahlwiederholungen später - dasselbe Tonband. Mir fällt ein Wikipedia-Artikel ein, in dem es heißt, dass seriöse Callcenter den Begriff Hotline meist meiden würden, da er, obwohl in der Umgangssprache noch üblich, durch dubiose Anbieter schon sehr verschlissen sei. Bei der T-Com scheint man jedenfalls gerade mit dem Flicken der verschlissenen Hotline beschäftigt zu sein...

Fünfter Akt - Intermezzo: Zum Glück gibt es bei T-Com jede Menge Hotlines. Ich versuche es mit der für Privatkunden. Ha, sofort habe ich Erfolg: eine elektronische Dame fragt schön langsam und ausführlich nach meinem Begehr. „Bestellung“ sage ich wahrheitsgemäß, und darf noch meine Telefonnummer buchstabieren. Knapp 30 Sekunden später geht es schon weiter – in die Warteschleife. Nach einigen T-Com-Jingles lande ich mit der freundlichen Meldung "You have an error" im digitalen Orkus. Ja, geirrt haben muss ich mich wohl, als ich dachte, ich könnte mich rasch an einen Gesprächspartner wenden, um zu erfahren, was aus meiner Bestellung geworden ist...

Sechster Akt: Diesmal stelle ich mich schlauer an und sage der Privatkundenhotline einfach einen anderen Beratungswunsch an. Schwupps – darf ich erneut alle Daten angeben- nur, dass diesmal meine Telefonnummer nicht verstanden wird. „Ist diese Rufnummer korrekt: 02131/5674... ?“ „Nein!“ „Was habe ich falsch verstanden? Die Vorwahl oder die Rufnummer?“ „Die Rufnummer, Du Elektro-Schnepfe!“ „Das habe ich nicht verstanden.“.... Endlich ist es gelungen. Quälend langsam schaufelt mich die elektronische Dame in die Beratungs-Warteschleife. Ich ‚darf’ für gefühlte 2 Stunden vom T-Com-Jingle mein Ohr malträtieren lassen, dann endlich ist ein Mensch am anderen Ende. Es verspricht ein schöner Tag zu werden - nur gut 30 Minuten, um am Telefon eine menschliche Stimme zu hören.

Der siebte Akt: Ich frage nach meiner Bestellung und erfahre, dass sie zwar erfasst sei, dass aber nichts passiert ist. Es fehle die Telefonnummer und die Bankverbindung, wahrscheinlich sei deshalb nichts passiert. Warum sich niemand bei mir gemeldet hat – sowohl die E-Mail als auch die Kundennummer (damit auch die Festnetznummern) liegen ja vor – konnte mir die nette Dame nicht erklären. Im Gegenzug fragte ich, ob sie schon einmal als Kunde bei der T-Com bestellt habe. Sie verneinte und ich empfahl es als erhellendes Erlebnis.

Der achte Akt: Ich bin wieder in der Warteschleife und es didididi-dingdingt in mein Ohr, weil die nette Hotline-Dame klären möchte, was mit der Bestellung passiert ist. Ich nutze die Zeit, ein wichtiges Fax zu versenden – ich wusste immer, dass ISDN zu etwas nütze ist.

Der neunte Akt: Die nette Dame ist wieder da, klingt aber nicht so glücklich. Gemeinsam gehen wir die Bestellung, die ich bereits zweimal (erwähnte ich, dass die Webseite nicht betriebssicher ist?) online ausgefüllt habe und gebe noch einmal meine Kontonummer durch. Ich müsse auch „Rechnung online“ nehmen, bekomme ich erklärt und löse leichte Verwunderung aus, als ich einwerfe, dass bei der Online-Bestellung alle bisherigen Rechnungsformen möglich waren.

Der zehnte Akt: Angeblich soll der 4.10. nun definitiv der Schaltungstermin sein – nur gut 14 Tage nach der Bestellung. Ein bisschen langsam ist das ja schon, denn es muss ja lediglich die Bandbreite des vorhandenen DSL-Anschlusses heraufgesetzt werden und jemand muss für die Buchhaltung meinen Telefonanschluss auf „Flatrate“ setzen. Es muss also niemand mit behändem Schritt die Treppe hinaufgestürmt kommen, ein magentafarbenes Päckchen unter dem Arm. Ich wage gar nicht, mir auszumalen, wie lang eine solche Bestellung mit dem dazugehörigen Service wohl dauern mag.

So betriebssicher die Angebote der T-Com auch sein mögen – ich bin ja da durchaus glücklicher Kunde – so versteht es das Unternehmen doch bei jeder Bestellung, durch diverse Pannen seinen Kunden den Eindruck zu vermitteln, vielleicht doch besser einen anderen Anbieter aufzusuchen. Das unterschwellige Signal ist, doch bitte auf eine Bestellung zu verzichten – getreu dem Motto „Du möchtest etwas kaufen? Wir geben es Dir aber nicht.“ Das können auch die engagierten Hotline-Mitarbeiter langfristig kaum noch auffangen.

Mit telekomischem Gruß

Torsten Kieslich

Computerwissen Daily
__________________
Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
621Paul ist offline   Mit Zitat antworten