ein lesenswertet Artikel aus dem heutigen Standard ...
Skoceks Zeitlupe: Ich hatte einen Traum
Figo auf Kunstrasen. Gegen Kühbauer. Auf seiner Brust der springende Stier...
Alle Menschen im Salzburger Stadion stoßen gleichzeitig den Atem aus. Klingt wie Darth Vader ohne diese lächerliche Blechdose im Gesicht. Kühbauers Sense fährt ins Leere. Figo steht vor dem Tor der Mattersburger. Keiner weiß, wie er hierher gekommen ist, obwohl alle zusahen.
Die Transferzeit ist die Zeit der Träume. In ein paar Wochen, die jedes Mal viel zu schnell vorbei rauschen, ist alles möglich. Jeder Fan und jeder Präsident kann sich jeden Spieler der Welt kaufnen, Spielermanager verdienen sich die siebente goldene Nase, Funktionäre eröffnen Schweizer Nummernkontos, um das kick-back-cash nicht mit sich herumtragen zu müssen.
Figo ist erst der Anfang. Viele werden seinem Beispiel folgen. David Beckham würde in Salzburg so nebenbei Frauen kennen lernen, die viel besser singen als ein Spice Girl. Zidane würde zur Austria passen. Auch so bedingungslos auf die Schönheit des Spiels fokussiert. Ronaldo, das brasilianische Ex-Straßenkind, passt buchstäblich traumhaft zum Brückenkopf des proletarischen Fußballs, also zu Rapid. Und bald wird es auch die Trainer nicht halten, Sir Alex Ferguson ist schon viel zu lange bei Manchester United, dort muss er jetzt einem 38-jährigen Ami-Schnösel namens Joel berichten, der nicht mehr ist als der Sohn seines Papas Malcolm Glazer, der den Klub gekauft hat. Darth Vader mit Scheckheft.
Als ich in Titos alter DC6, die der sanfte Bulle zu einer Märchenschaukel umgebaut hat, gerade Ronaldinho abholen wollte, ließ die Wirkung des Getränks nach. Und beim Aufwachen statt Figo auf Kunstrasen nur ein leiser Duft von Gummibärlis aus Blech. (Johann Skocek - DER STANDARD PRINTAUSGABE 13.6. 2005)