Thema: KTG Agrar AG
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 24-11-2008, 12:47   #12
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Aus Bauernstimme Dezember 2007:
http://www.bauernstimme.de/leseprobe_0712.html

Der wackelige Börsengang der KTG-Agrar-AG

Wenn EU-Subventionen die Bilanzen schönen


Die Geschichte des Börsengangs von "Deutschlands größtem Agrarkonzern" KTG und dessen Gründerfamilie Hofreiter/Ams hat eine pikante Vorgeschichte: In den achtziger Jahren hatte Vater Hofreiter schon einmal bundesweit eine Vielzahl von Agrarbetrieben zusammengepachtet, was dann - zu Lasten vieler Beteiligter - mit einer 32-Millionen-Pleite endete. Übrig bleibt dem ältesten Hofreiter-Sohn ein Erdbeerbetrieb in Bayern...

Die beiden weichenden Erben suchen andere Betätigungsfelder: Der eine (Siegfried) sammelt zwei Jahre lang "Erfahrungen mit großflächiger Landwirtschaft" in den USA. Danach fährt er - als Fahrradproduzent, Getränkelieferant und Werbeunternehmer - vier Unternehmen an die Wand, wird wegen Konkursverschleppung und Bankrott verurteilt und darf fünf Jahre lang nicht mehr als Geschäftsführer einer Firma agieren. Der jüngste Bruder Werner verweist auf seine "Erfahrungen mit früheren LPGBetrieben" - der SPIEGEL berichtet über Versuche, eine Agrargenossenschaft aufzukaufen und dabei Betriebsteile "zu Dumpingpreisen an Bekannte zu verramschen".

Pacht ehemaliger LPG`s

In Ostdeutschland pachten die beiden Wessis gemeinsam mit der Landschaftsgärtnerin Beatrice Ams (Siegfried Hofreiters heutiger Lebensgefährtin) einen landwirtschaftlichen Großbetrieb nach dem anderen - quer durch die ostdeutschen Bundesländer und schließlich auch in Litauen. Es handelt sich dabei vor allem um erfolglose Nachfolgebetriebe der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs), die keinen neuen Geschäftsführer finden. Die KTG übernimmt deren Pachtverträge oder gepachteten Flächen, die der staatlichen BVVG (ehemalige Treuhand) und einer Vielzahl kleinerer Verpächter gehören. Beatrice Ams erledigt die Pachtverhandlungen, weil sie als Ostdeutsche "die Sprache der Leute spricht". Allerdings, so die Welt, ist man in Ostdeutschland auf das Trio nicht gerade gut zu sprechen - deren Geschäftsgebaren sei "haarsträubend". So sei die KTG-Tochterfirma PAE Marktfrucht Putlitz Anfang des Jahres auf die Herausgabe von 530 Hektar Land verklagt worden, die diese trotz Pachtende einfach weiter bewirtschaftet habe. Andere Verpächter klagen darüber, dass sie weder von der Agrargenossenschaft noch von den nachfolgenden Hofreiters irgendwelche Zahlungen gemäß Landwirtschaftsanpassungsgesetz (Vermögensauseinandersetzung der ehemaligen LPGs) gesehen hätten und stattdessen nur "zusammengebrüllt" worden seien. Insider vermuten zukünftig das "Filetieren" der erworbenen Betriebe, wobei man die "guten Teile" behält und den Rest irgendwie abstößt.

Die Flächen der KTG-Betriebe werden von Produktionsleitern konventionell oder ökologisch (aber zumeist als rein Getreidebaubetriebe) bewirtschaftet. Als 2006 die Boomphase der Biogasanlagen beginnt, steigt das Unternehmer- Trio mit Hilfe weiterer Kredite in diese Sparte ein und betreibt mittlerweile zehn Anlagen.

14.000 Hektar und 4 Mio. Prämie ...

Mitte 2007 kommt die "KTG-Agrar AG", deren Zentrale mittlerweile von Brandenburg nach Hamburg umgezogen ist, auf 30 Tochtergesellschaften sowie 19 Betriebe mit gut 100 Mitarbeitern und 14.000 Hektar. Hatte man sich zuvor von der Öffentlichkeit abgeschirmt, so werden diese Informationen nun auf der Internetseite www.ktgagrar. de veröffentlicht. Die Unabhängige Bauernstimme berichtete in ihrer November-Ausgabe und schätzt die Höhe der kassierten Flächenprämien (ziemlich exakt) auf 4 Millionen Euro jährlich. Als die KTG kurz darauf ihren Börsengang ankündigt, rauscht es im deutschen Blätterwald: Man sieht Siegfried Hofreiter mit einem Laptop auf einem Berg von Getreide sitzen und liest vom "ersten Bauern an der Börse", der einen "Denkprozess in der Branche" auslöst - zwecks "Anpassung an den Weltmarkt". Andere Medien sprechen gar von einer "zweiten Agrar-Revolution", der "Agrar-Megatrend kommt nach Deutschland"…

Der AbL-Vorsitzende Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf weist in der FAZ darauf hin, dass der KTG-Gewinn mit 2,5 Millionen Euro wesentlich geringer ausfällt als die 4 Millionen Euro Flächenprämien: Nach der von der EU beabsichtigten Prämien-Kappung für Großbetriebe käme die KTG erheblich "in die Miesen"...

Immer neue Schwachpunkte

Als dann der beim Börsengang vorgeschriebene "Wertpapierprospekt" weitere KTG-Daten veröffentlicht, kommt es kurz vor dem Aktienverkauf zu einer Rolle rückwärts in den Medien. Man entdeckt immer neue Schwachstellen des Agrarindustrie-Konglomerats:

- die Bündelung der Aktien bei der Mehrheitsaktionärin Ams, die aus dem Verkaufserlös von Zusatzaktien 32 Mio. Euro) nicht nur weitere Agrarbetriebe kaufen und pachten, sondern auch ihre hohen Verbindlichkeiten abzahlen will,

- die Möglichkeit der Mehrheitsaktionärin, zwischen KTG und ihren Verwandten Verträge zu Ungunsten der anderen Aktionäre abzuschließen, z. B. beim Kauf und Verkauf von Grundstücken zu Sonderpreisen,

- die Risiken aus bilanzierten und nichtbilanzierten Verbindlichkeiten (50 Mio. plus 33 Mio. Euro), Altlasten und nicht abgelösten DDR-Altschulden,

- die undurchsichtigen Kreuz- und Querverbindungen zwischen den 30 Tochterfirmen der KTG mit Bürgschaften, Abtretungen, Verbindlichkeiten und gegenseitigen Transaktionen sowie "wesentlichen Schwachstellen im Kontrollsystem",

- den gemessen am Umsatz von 18 Mio. Euro relativ unbefriedigenden Vorsteuergewinn (Ebit) von zuletzt 2,5 Mio. Euro (trotz Sondereffekten),

- die Rentabilitäts-Risiken im Biogas- Bereich, die Unsicherheit hinsichtlich der Pachtdauer und der Pachtpreise von KTG-Flächen,

- unrealistische Behauptungen über die angeblich starke Marktstellung der KTG im ökologischen Sektor (wegen der "standardisierten Produktion im industriellen Maßstab" könne man als Einziger große einheitliche Getreidemengen liefern): Die KTG bewirtschaftet von insgesamt 185.000 ha deutscher Öko-Getreide-Fläche "nur" knapp 6.000 ha,

- Worthülsen wie die vom "management by going around" - als Bemäntelung der Tatsache, dass Hofreiter nur alle zwei, drei Wochen in seine Betriebe schaut,

Teure agrarindustrielle Ideologien

Der Wert der KTG-Aktien fällt nach einem Kurzzeit-Hoch an der Frankfurter Börse rasch nach unten. Bei Analysten und Journalisten wankt die bizarre Mischung aus agrarrohstofflicher Goldgräber-Mentalität, Agrarhype und Agrarindustrie-Bewunderung angesichts der "windigen Prämien-Sammelei".

Bleibt abzuwarten, wie viel Geld diejenigen "spekulativen Investoren" schließlich verlieren werden, die sich dennoch mit der KTG auf den agrarindustriellen Pfad begeben wollen. Die Prämien der EU jedenfalls sind für Landwirte, bäuerliche Arbeit und den ländlichen Raum gedacht und ganz und gar nicht für Finanz-Spekulanten …
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten