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Alt 24-07-2002, 10:47   #8
arpad
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Für Mittwoch, den 24. Juli 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
Bizarr! So und nicht anders muß die Börse momentan bezeichnet werden. Die Wucht und die Geschwindigkeit, mit der momentan die Ereignisse auf die Investoren niederprasseln, ist eine Klasse für sich. Man muß schon ein sehr dickes Fell haben, um diesem Markt zu verfolgen.

Die neue Regelung der SEC hat durchschlagende Wirkung. Viele Unternehmen nutzen den Quartalsabschluß zum 30. Juni um noch einmal alle schwierigen und kippeligen Positionen auf den Tisch zu bringen und damit ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu zerren. Das verhagelt in dieser Woche die Stimmung zusätzlich an der Wall Street.

Die persönliche Haftung der Vorstände schlägt jedoch richtig Wellen. Die Diskussion, Pro und Kontra, ist in aller Heftigkeit entbrannt. Kaum ein Vorstandsvorsitzender bzw. Finanzvorstand ist bereit mit seiner Unterschrift wirklich für das zu haften, was die Leute unter ihnen zusammengestellt haben. Niemand setzt seine Karrieren sowie Haus und Hof darauf, daß keinem der Untergebenen ein Fehler unterlaufen ist. Ob nun absichtlich oder nicht.

Viele CEO's werden dem Beispiel von John Hancock Financial Services folgen. Dort läßt der CEO alle seine Untergebenen die Quartals- und Finanzberichte zuerst unterschreiben. Wer nicht unterschreibt, verliert seinen Job. Der CEO unterschreibt dann, nachdem alle unterschrieben haben. Hart, aber im zum Schutze des Aktionärs. Unter diesem Aspekt ergibt sich bedauerlicherweise ein Problem mit Sun Microsystems:

Sun Microsystems will nicht unterschreiben. So zumindest äußerte sich CEO McNealy gegenüber der New York Times. McNealy verwies darauf, daß diese Regelung Ihn dazu zwinge seinen Finanzvorstand und alle Untergegeben auf Schritt und Tritt zu überwachen, damit ihm daraus später kein Strick gedreht wird. Diese Ansicht ist verständlich. Hätte wir nicht eine lange Liste von Bilanzierungsskandalen wäre ich sogar geneigt McNealy Glauben zu schenken.

Unter den aktuellen Umständen gilt jedoch "zero tolerance". Wenn die Möglichkeit besteht, daß Sun seine Bilanzen gefälscht hat, will ich nicht engagiert sein. Daher ziehe ich meine Empfehlung zurück, die Aktie zu verbilligen. Auch wer dies bereits schon vorgenommen hat, sollte die Aktien verkaufen. Solange nur der Hauch eines Zweifels an der Redlichkeit von Sun besteht, wird die Wall Street auf die Aktie eindreschen.

Lucent Technologies und AT&T sind schwierige Fälle. Beide Unternehmen durchleben eine sehr umfangreiche und harte Restrukturierung. Die vorgelegten Quartalsberichte sind extrem schwierig und waren mit Verlusten in Milliardenhöhe verbunden. Ich werde die Zahlen im Detail im kommenden Brief erläutern.

Amazon.com meldet starke Zahlen und verliert dennoch weiter an Boden! Der Internet-Einzelhändler konnte im zweiten Quartal unerwartet gut abschneiden. Der Umsatz lag mit 805,6 Mio. Dollar deutlich über den Erwatungen und der Pro-Forma-Verlust erreichte mit 0,01 Dollar fast den Break-Even. Die Markterwartungen lagen hier bei 0,06 Dollar Verlust für das zweite Quartal. Und in groben Zügen war auch der Ausblick recht erfreulich. Amazon setzte seine Umsatzprognose für das laufende Gesamtjahr nach oben.

Aber: An zwei Dingen störten sich die Anleger dann doch! Zum einen wurde vorsichtig auf eine möglicherweise niedriger ausfallende Marge im dritten Quartal hingewiesen, zum anderen kündigte Amazon an, ab dem kommenden Jahr Aktienoptionen für Mitarbeiter als Kosten zu bilanzieren. Obwohl dies das operative Geschäft und den Cash-Flow nicht beeinflußt, setzten starke Verkäufe ein. Zur Zeit besteht bei Amazon keinerlei Handlungsbedarf!


Quelle:FM Research
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arpad
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