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Alt 23-09-2008, 09:19   #50
Benjamin
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Was mich als Idealisten natürlich ärgert ist, dass die USA nun in einem Kraftakt die gewaltige Geldmenge von 700 Milliarden aufbringen, um damit etwas völlig absurdes zu finanzieren: Kreditrisiken, Kreditmüll. Mit der Summe könnte man die USA in 5-10 Jahren vollständig energieautark machen mit Wind- und Sonnenenergie und vermutlich noch einige energetische Sanierungsmaßnahmen in den Wohngebäuden obendrauf spendieren. Das wäre eine Zukunftsinvestitition. Aber wass machen die? Stecken das Geld in Kreditmüll. Das war der letzte große Pfeil im Köcher, den die US-Regierung hatte! Der ist mit dieser Aktion verballert worden.

Es war schon seit mehreren Jahrzehnten so in der US-Geschichte: Wenn eine US-Regierung (insbesondere in der Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik) bei wichtigen Entscheidungen die Wahl hatte zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, dann wählte sie fast immer diejenige Variante aus, welche für sie selbst am Ende die schlechtesten Auswirkungen hatte. Diese 700-Milliarden-Nummer ist ein weiteres Beispiel in dieser Serie. Kurzfristige Erleichterung ohne irgend etwas selbst tun zu müssen (die US-Bürger werden weiter verschwenden wie sie es vorher getan haben, that's what the US is all about.).

Später wird man der Regierung vorwerfen, sie habe in einer Zeit, in der man mit dem Platzen der Finanzmarktbombe "nur" einen vergleichweise reichen Personenkreis getroffen hätte (nämlich die reicheren Anleger an den Börsen und in den Unternehmen, im Gegensatz zu dem Volk der Pfandbriefbesitzer); in dieser Phase hat die US-Regierung abermals die falsche Entscheidung gefällt, indem sie diese reicheren US-Bürger rettet - und ansonsten am System nichts verändert außer etwas mehr controlling beizumischen. Das wird sich imo ab ~2010 rächen und ~2014 zum Fiasko führen, siehe mein großes Posting oben.

Durch die Fehlentscheidung zur "Rettung primär der reicheren US-Amerikaner heute" bewirkt sie, dass später ~2014 eine noch viel schlimmere Katastrophe eintritt: Nicht nur jene reicheren Anleger, sondern auch alle übrigen Leute werden um ganz erhebliche Teile ihres Vermögens gebracht werden.

Die unglaubliche Größe der Zahlen, um die es inzwischen geht, macht doch schon ganz intuitiv klar, dass diese US-amerikanische Art zu leben nicht funktionieren kann, allein schon der Zinseszinseffekt von den wenigen Jahren macht das unmöglich, siehe mein großes Posting oben.

Hier wird wieder die schlimmstmögliche Variante ausgewählt: Die des "weiter so". Es wird nur noch zur Deko ein wenig "Controlling-Petersilie" auf das Gericht gestreut, damit auch wirklich alle brav und vor allem schnell zustimmen.

Mit noch größerem zeitlichen Abstand dürften sich Buchautoren damit beschäftigen, ob es überhaupt eine "tatsächlich realistische" Wahl zwischen verschiedenen systemkonformen Handlungsoptionen gab, oder ob "das System" als Ganzes so übermächtig war, dass kein einzelner Akteur darin etwas anderes machen konnte, als nach den Regeln des Systems zu agieren, selbst wenn er individuell womöglich erkannte, dass das Handeln in den Abgrund führt.

Es ist eine andere Liga, verstanden, aber vom Systemgedanken her schon vergleichbar: Als damals im Dritten Reich - aus heutiger Sicht - ganz aberwitzige Dinge geschahen und eben nicht durch große Einzelakteure gestoppt wurden, geschah das imo deshalb, weil jeder einzelne sich auf "das Sytem mit seinen Regeln in der Zeit" berief und also im eigenen Mikrokosmus keine Wahl zu haben schien: Er verhielt sich halt systemkonform; das ist der Weg des geringsten Widerstands und subjektiv in der Zeit der scheinbar sicherste.
Offenbar sind derartig aberwitzige Systeme nur durch einen Zusammenbruch zu verändern; genauer: Sie sind nicht aus dem eigenen Innern heraus veränderbar, sondern nur zerstörbar durch den eigenen Zusammenbruch.

Letztlich wird es auch dem "Way of Life" so ergehen.
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