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Alt 16-01-2016, 13:08   #44
Benjamin
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Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst,
veröffentlichte am Samstag, 16.01.2016
hier http://www.godmode-trader.de/artikel...t-noch,4485774
das Folgende, das hier leicht verkürzt und sprachlich leicht modifiziert wiedergegeben wird:



Kommt der große Crash erst noch?

Es wird viel darüber gerätselt, was die Gründe für die heftigen Kursverluste sind. Genannt werden
- China,
- das Alter des Bullenmarktes,
- die US Zinswende,
- der Abschwung in Schwellen- und Entwicklungsländern
- anhaltend niedrige Rohstoffpreise
- seit gestern auch Sorgen um die US Konjunktur (die Industrieproduktion ist den 4. Monat in Folge rückläufig).
Das sind alles gute Gründe und können guten Gewissens als Ursachen genannt werden.

Doch wer verkauft eigentlich die ganzen Assets?

Fundamental ist die Lage in den USA und Europa kein Grund, in Panik zu geraten:
  • Notenbankpolitik nach wie vor locker: Es gibt keine Knappheit an Liquidität in den USA, Europa und Japan, die Geldschleusen sind nach wie vor weit offen. Selbst die kleine Zinserhöhung in den USA im Dezember ändert nichts daran.
  • makroökonomische Perspektiven sind gut und stabil. In den USA ist der Arbeitsmarkt stark, in Europa stimmt der Trend ebenfalls. Die meisten Länder weisen ein gesundes Wirtschaftswachstum aus. Das Wachstum in einstigen Krisenländern beschleunigt sich. Spanien wächst mit 3 %, Irland mit 7 %, Italien mit 1 % und Portugal mit 1,4 %.

Die Finanzmärkte sind eng verflochten. Anlagen in Europa und den USA werden zu hohen Anteilen vom Ausland gehalten. Grafik 1 zeigt, wie viel US Staatsanleihen vom Ausland gehalten werden.
Grafik 1:


- Derzeit werden 5,44 Billionen Dollar an US Staatsanleihen vom Ausland gehalten. Das sind ca. 30 % aller Anleihen.
- Der dazugehörige Anleihenindex, der die Preise der Staatsanleihen widerspiegelt, verläuft zur Anlagehöhe parallel.
- Zuletzt stiegen Anleihepreise wieder. Die Renditen sind entsprechend gesunken.

Bisher sind Verkäufe (vom Ausland) relativ gesehen nur geringfügig:
Bisher lässt sich anhand der Historie seit 2011 nicht erkennen, ob das Ausland im großen Stil US-Anleihen verkauft. Verkäufe sind - relativ gesehen - minimal. Beim Unternehmensanleihemarkt, der ebenfalls zu einem Drittel vom Ausland gehalten wird, sind ähnliche Tendenzen zu beobachten.

Was seit Oktober 2015 geschah ist bisher noch nicht bekannt. Die Daten werden mit fast einem Quartal Verzögerung veröffentlicht. Es kam aber nicht zu einem Exodus von ausländischen Anlegern. Gemessen an den enormen Bewegungen im Sommer ist die Stabilität bemerkenswert.
Bild 2:


Erklärung für die Stabilität:
- US Staatsanleihen und die Anleihen von Unternehmen mit hohem Rating gehören zu den liquidesten der Welt.
- Ländern mit Handelsbilanzüberschüssen, die hohe Dollarreserven anhäufen, „recyceln“ ihre Dollar, indem sie US Anlagen kaufen.
Das führt bereits seit 15 Jahren dazu, dass die Rendite von US Staatsanleihen ungewöhnlich niedrig ist, selbst wenn die Notenbank die Zinsen angehoben hatte.

Die große Befürchtung ist derzeit, dass das Recycling aufhört.
- Die Ölproduzenten, die zu den größten Käufern auf dem Markt gehören, haben derzeit kaum noch Überschüsse. Die Handelsbilanz ist nach wie vor positiv, doch das gilt nicht für die Leistungsbilanz, die nicht nur den Saldo aus Warenaustausch, sondern auch den Saldo aus Dienstleistungsaustausch und Vermögenseinkommen berücksichtigt.
- Muss eine negative Bilanz ausgeglichen werden, dann bleibt den betroffenen Staaten wenig übrig, als ihre ausländischen Assets zu verkaufen.

Viele Länder kämpfen gegen einen massiven Abwertungsdruck auf ihre Währungen - eine Belastung (vor allem China und die Ölexporteure des Nahen Ostens).
- Um ihre Währungen stabil zu halten werden Dollar verkauft und die heimische Währung gekauft.

Am ehesten lassen sich noch Rückschlüsse aufgrund des Anlagevolumens von Aktien ziehen.
Grafik 3 zeigt die vom Ausland gehaltenen US Aktien sowie den Verlauf des Dow Jones. Beide Zeitreihen laufen parallel.

Grafik 3:


Seit Anfang 2015 lässt sich bisher noch nicht feststellen, dass ausländische Anleger panikartig verkauft hätten.

Der Kapitalstrom wird vor allem von den privaten Anlegern bestimmt. Betrachtet man das Anlagevolumen von öffentlichen Anlegern (Staatsfonds etwa), dann ist das Volumen von Anfang 2015 bis September 2015 um 17 % gefallen. Das ist eine deutlich stärkere Reduktion als der Kursrückgang des Gesamtmarktes.
Bei Staatsanleihen verhält es sich umgekehrt. Hier scheinen öffentliche Anleger noch einen Nettokapitalzustrom auszuweisen, während Privatanleger Mittel abziehen.

Der Mittelabfluss durch öffentliche Anleger in Aktien zeigt, dass man berechtigterweise Angst vor einer großen Verkaufswelle haben darf. Aktien werden als risikoreiche Anlagen zuerst verkauft.

Derzeit reduzieren sich die Reserven in den kritischen Ländern (China, Ölexporteure) mit einer monatlichen Rate von 100 bis 150 Mrd. Dollar. Das kann durch zunehmende Reserven in anderen Ländern nur teilweise aufgefangen werden.
Mit ca. 800 Mrd. ist das Verkaufspotential hier relativ schnell ausgeschöpft.
[Rechnung von mir: 800 Mrd. Dollar / 125 Mrd. Dollar je Monat = ca. 6,4 Monate ]

Es ist daher nur eine Frage der Zeit bis diese Länder im großen Stil Anlagen veräußern müssen, um ihre Währungen stabil zu halten.
Keiner weiß, ob dieser Prozess bereits begonnen hat oder ob er überhaupt jemals beginnen wird – je nachdem wie lange die Krise anhält.


Sollten Verkäufe im großen Stil beginnen, dann kommt es schnell zu einer Liquiditätskrise, egal, ob auf dem Aktien- oder Anleihenmarkt. Der holprige Jahresstart war in einem solchen Fall nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was man erwarten muss.

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[Einschub von mir zum letzten Absatz: Der Artikel impliziert, dass es hier wohl besser heißen sollte "Aktien- und Anleihenmarkt", also beide gleichzeitig würden dann verkauft!!! ]

Geändert von Benjamin (16-01-2016 um 13:36 Uhr)
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