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Alt 18-05-2003, 12:03   #21
OMI
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18.05.2003, 09:22
US-Banken: Das Wachstum aus der Filiale (EuramS)

Die anhaltende Flaute im Investmentbanking stecken Citigroup und Bank of America locker weg. Mit ihrem starkem Privatkundengeschäft wurden sie zu riesigen Geldmaschinen. Starke Europäer wie die Royal Bank of Scotland versuchen jetzt aufzuholen. Welche Chancen die Aktien der Global Player bieten.


Seine Gedanken behält Sandy vorerst für sich. Obwohl für die Rechte an seiner Autobiografie angeblich schon drei Millionen Dollar geboten wurden. Dabei hätte Sanford Weill, alias Sandy, der 70-jährige Chef der Citigroup, viel zu erzählen. Zum Beispiel wie man den weltweit größten und profitabelsten Finanzkonzern aufbaut. Anfang Mai jedoch zog Weill seine vorläufige Zusage für die Veröffentlichung seiner Memoiren zurück. Denn ein spannendes, neues Kapitel in seinem Leben hat gerade erst begonnen. Die US-Börsenaufsicht SEC hat gegen zehn der renommiertesten Banken der Wall Street im April die erste Kollektivstrafe verhängt, 1,4 Milliarden Dollar. Weitere Untersuchungen werden folgen. Die Banken, unter ihnen die Citigroup, sollen in Börsen-Boomzeiten mit geschönten Unternehmensanalysen und Empfehlungen Anleger und Mandanten getäuscht und damit Milliarden verdient haben.Dabei hätte gerade die Citigroup derartige Praktiken eigentlich nicht nötig gehabt. Denn die Bank ist stark, wo die anderen schwach sind: im Geschäft mit Privatkunden. Stinknormale Konsumkredite, Baudarlehen und Versicherungsprodukte bringen den Gewinn. Zwar zählen die Citibanker auch zu den Großen im Investmentbanking. Aber der Citigroup-Chef machte nicht den Fehler vieler anderere Banker, für alle Zukunft auf die traumhaften Erträge aus Unternehmens-Deals und Börsengängen zu setzen.


Und Weills Gespür für den Markt funktioniert weiterhin. Das zeigen die Zahlen für das erste Quartal. Mit 4,1 Milliarden Dollar Gewinn - plus 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr - hat Citigroup die Schätzungen der Analysten übertroffen. Mehr Geld verdiente der Konzern vor allem im Bereich Globale Privatkunden - dazu gehört auch die deutsche Citibank-Tochter. Das Segment schaffte ein Plus von 26 Prozent.


Im Gegensatz zu Deutschland, wo die drei großen Universalbanken gerade mal 13 Prozent der Privatkredite kontrollieren (siehe Kasten), schöpfen in den USA die Großen wie Citigroup und Bank of America durch Übernahmen jetzt den Rahm ab. Die Citigroup hat im November die Golden State Bancorp gekauft und damit die Anzahl ihrer US-Filialen mehr als verdoppelt.


Trotz Konjunkturflaute wächst die Nachfrage der US-Amerikaner nach Baudarlehen und Kreditkarten noch. Der Finanzriese Citigroup, der sich bei Privatkunden auf Konsumentenkredite und das Kreditkartengeschäft, wo er ohnehin weltweit Nummer 1 ist, spezialisiert hat, profitiert überdurchschnittlich. Der Konzern ist in mehr als 100 Ländern präsent. Rund um den Globus wird auf eine technologisch einheitliche Plattform gesetzt. Bei der Geschäftsabwicklung ist der Konzern wegen seiner schieren Größe konkurrenzlos effizient. Wie gut die Plattform in schwierigen Märkten funktioniert, zeigt die Düsseldorfer Citibank Privatkunden AG, die bei der Profitabilität hier zu Lande die Maßstäbe setzt. Einen Gewinnschub brachte die Fusion mit Travellers. 1998 verschmolz Weill die Citigroup mit dem Versicherer und versprach allen Aktionären eine Verdopplung des Gewinns bis 2002. Weill hielt sein Versprechen. Geholfen haben klug eingefädelte Akquisitionen, die nach Einschätzung von Michael Mayo, Banken-Analyst bei Prudential Securieties, ein Viertel des Gewinnwachstums beigesteuert haben. Dazu kommt eine effiziente Organisation. Im Vergleich zu 2000 wird in der Verwaltung jährlich mehr als eine Milliarde Dollar eingespart.


Der Motor der Geldmaschine Citigroup läuft rund. An der Börse jedoch ist der psychologische Druck durch die Untersuchungen von Börsenaufsicht und Staatsanwaltschaft weiterhin stark. Die finanziellen Folgen für die Institute sind auch nach der ersten Geldstrafe schwer abzuschätzen. Citigroup hat Ende 2002 angekündigt, Rückstellungen von 1,3 Milliarden Dollar nach Steuern zu bilden. Nach Einschätzung von Experten des Georgetown University Law Center könnte sich die Belastung der Branche in den kommenden Jahre auf 20 bis 25 Milliarden Dollar summieren.



Bei Schwergewichten wie der Citigroup schätzt Prudential-Analyst Mayo die Belastung auf das Vier- bis Fünffache der heutigen Rückstellungen. Trotz des überdurchschnittlich erfolgreichen Geschäftsmodells der Nummer 1 sollten Anleger Kursrückschläge abwarten, um Positionen im Depot auszubauen. Mayo glaubt, dass der Aktienkurs auf umgerechnet 29 Euro fallen könnte. Über den Wert von Sandy Weill für den weiteren Erfolg der Citigroup sagt der Branchenkenner jedoch: "Jede Veränderung an der Spitze wäre ein Rückschlag".


An der Börse profitieren derzeit Papiere großer Banken, die auf ein starkes Privatkundengeschäft bauen. Die Bank of America konnte im Vergleich zum Vorjahr im ersten Quartal den Nettogewinn um mehr als das Doppelte auf 405 Millionen Dollar steigern. Stark liefen im ersten Quartal - neben dem Privatkundengeschäft - vor allem Hypothekenkredite. Die Niedrigzinspolitik der Regierung führte bei den Zinsen zu einem 40-Jahres-Tief. Das nutzen viele, um Baukredite aufzunehmen oder umzuschulden.


Was fehlt, sind jedoch weiterhin klare Zeichen für eine Erholung der Konjunktur - auch in den USA. Bank- of-America-Finanzchef James Hance geht davon aus, daß sein Konzern beim Kreditvolumen Schwierigkeiten haben wird, das Ziel von sechs bis sieben Prozent Plus zu erreichen. Der Konzern werde dennoch wie versprochen 6,18 Dollar Gewinn pro Aktie schaffen - ein Plus von sieben Prozent. "Wir würden das Geschäft gerne ausweiten, wir sind davon nicht abhängig", strotzt Hance vor Selbstbewusstsein.


Die Bank reduzierte ihre Kreditgeschäfte in den gefährdeten Branchen Telekommunikation und Luftfahrt um 32 beziehungsweise 16 Prozent. Das Engagement in Brasilien wurde halbiert. Dennoch rechnet Hance mit Kreditausfällen zwischen 800 und 900 Millionen Dollar pro Quartal. Das ist jeweils mehr als während der ersten drei Quartale des vergangenen Jahres. Der Profitzuwachs aus dem Geschäft mit Privat- und Firmenkunden werde die Kreditausfälle jedoch trotzdem übertreffen, ist sich Hance sicher: "Es ist ja nicht so, dass wir uns das nicht leisten könnten."



Abseits vom Rampenlicht der Wall Street, aber mitten drin im lukrativen US-Geschäft mit Privatkunden sind aber auch Europäer. Frank Goodwinn, Chef der Royal Bank of Scotland, ist es gelungen, die US-Tochter Citizens aus dem Bundesstaat Rhode Island seit der Akquisiton 1988 im Ranking nach Vermögenswerten unter die Top 20 zu hieven. 17 kleinere Institute schluckte Citizens auf dem Weg nach oben. Im US-Geschäft erwirtschaftet die schottische Bank inzwischen mehr als elf Prozent ihres gesamten Gewinns. "Mit guten Wachstums-Chancen durch weitere Akquisitionen", sagt Merrill-Lynch-Analyst John Crutchley. Allein im heutigen geographischen Einzugsgebiet von Citizens sind über 300 Banken aktiv.


Ab 2004 werden der Royal Bank umgerechnet mehr als 3,5 Milliarden Euro Cash für Firmenkäufe in den USA zur Verfügung stehen. Auf der britischen Insel gibt es für die Schotten inzwischen nichts mehr zu holen, Übernahmen im restlichen Europa sind wenig attrativ, bleibt also nur Amerika. Dass Goodwinn das Geschäft mit Übernahmen beherrscht, hat er bewiesen. Die heute profitabelste europäische Bank entstand im Jahr 2000 mit der Übernahme der damals doppelt so großen britischen Rivalin National Westminster Bank.


von Klaus Schachinger / Euro am Sonntag
Quelle: finance-online
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