Thema: Argentinien
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Alt 11-09-2003, 09:04   #12
nokostolany
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Buenos Aires (dpa-AFX) - Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat im Fall
Argentinien eine Kehrtwende vollzogen und sozialen Belangen erstmals Vorfahrt
vor fiskalpolitischen Forderungen eingeräumt. Nach zähen Verhandlungen einigten
sich die Regierung in Buenos Aires und der Fonds am Mittwoch nach Angaben von
Präsident Néstor Kirchner auf ein Umschuldungsprogramm über insgesamt 21
Milliarden Dollar (19 Milliarden Euro) für die nächsten drei Jahre.

Statt dem Hilfeempfänger aber wie früher Daumenschrauben anzulegen, geht der
Fonds jetzt behutsamer mit seinem drittgrößten "Kunden" um. Der Sturz von
Kirchners Vorgänger Fernando de la Rua inmitten blutiger sozialer Proteste ist
noch allzu sehr in Erinnerung. Die argentinische Presse feierte die Einigung als
"Sieg Kirchners". "Erstmals orientiert sich der Fonds an der sozialen Lage eines
Landes", stellte der Präsident zufrieden fest.

VERZICHT AUF STARRE VORGABEN

Nach den vorliegenden Informationen verzichtete der IWF darauf, starre
Vorgaben für den zu erreichenden Haushaltsüberschuss zwischen 2004 und 2006 zu
machen. Stattdessen seien drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das
kommende Jahr ins Auge gefasst worden, sagte Kirchner. Diese Zusage stehe aber
unter dem Vorbehalt, dass sich die prekäre soziale Lage in dem überschuldeten
Land verbessere und die Wirtschaft ausreichend wachse. Zurzeit leben etwa 60
Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.

Die Frage der Haushaltsüberschüsse ist keine akademische Spielerei. Mit den
Beträgen sollen die Schulden bei den privaten Gläubigern Argentiniens bedient
werden und damit die Kreditwürdigkeit des Landes wieder hergestellt werden. Die
Inhaber von Bonds im Werte von fast 80 Milliarden Dollar bekommen schon seit der
Erklärung des Staatsbankrotts Anfang 2002 keinen Cent mehr. Die Einigung mit dem
IWF könnte nun aber auch den Weg für Verhandlungen über eine Umschuldung dieser
Verpflichtungen ebnen.

WEICHE LINIE

Auch bei der Forderung der privatisierten Unternehmen für öffentliche
Versorgungsleistungen wie Wasser, Strom und Telefon nach höheren Gebühren ließ
sich der IWF auf eine weiche Linie ein. Argentinien sagte nur zu, Erhöhungen zu
diskutieren. Derzeit sind die Preise auf dem Stand von Ende 2001 vor der
Abwertung des Peso um 60 Prozent eingefroren. Auch die Entschädigung der Banken
für Verluste wegen der Abwertung wurden nicht verbindlich zugesagt.

Der IWF hatte zunächst noch eine harte Haltung eingenommen, aber Kirchner
gab nicht nach. Am Dienstag ließ der unorthodox auftretende Staatschef sogar die
Frist zur Zahlung einer Rate von 2,9 Milliarden Dollar verstreichen. Argentinien
befindet sich seither erstmals auch mit Zahlungsverpflichtungen beim IWF in
Verzug.

Da Argentinien schon als schwarzes Schaf der internationalen Finanzwelt
gilt, konnte er sich das leisten. Ein Land, dass vom Kredit- und Kapitalmarkt
abgeschnitten wurde, ist kaum noch unter Druck zu setzen. Die Vereinbarung und
die neue Linie des IWF steht und fällt jedoch mit dem wirtschaftspolitischen
Erfolg Kirchners. Luft dafür hat er nun bekommen./ro/DP/sit





Quelle: News (c) dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH
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