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Alt 11-10-2002, 15:57   #37
arpad
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Für die 41. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
das Risiko am kurzen Ende ist erdrückend hoch geworden. Die Gewinner der letzten fünf Monate sind mit höchster Vorsicht zu genießen. So gehören z.B. kurzlaufende Staatsanleihen im Euro- und Dollar Bereich seit Mai zu den "Darlings" der Anleihenfonds. Diese Vermögensklasse war für große Fonds ideal, um sich zu vor steigenden Zins- und Unternehmensrisiken zu "verstecken". Dreht jedoch die Stimmung am Markt, verlassen wir also die noch herrschende weltweite "Untergangsstimmung", wird diese Klasse zur Falle, weil dann alle gleichzeitig in andere Vermögensklassen wechseln werden. Ich komme auf diese Warnung heute zurück, weil die nun begonnene Quartalssaison in New York ein idealer Wendepunkt für Stimmungstrends ist und dementsprechend das Risiko für die Gewinner der letzten fünf Monate erheblich gestiegen ist.

Zu den Ereignissen der Woche:

Die Rückkehr von Heidelberger Zement an den Anleihenmarkt stößt auf wenig Gegenliebe. Der jüngste Versuch einer Anleihenplazierung ist aus zwei Gründen mißlungen. Zum einen hat das Unternehmen selbst erhebliche Probleme, der deutsche Bausektor befindet sich immer noch auf Talfahrt, so daß der Markt eine entsprechend hohe Rendite fordert. So hat sich z.B. der Spread zwischen der ausstehenden Heidelberger Zement Anleihe, Fälligkeit 2007, und der vergleichbaren Bundesanleihe seit Juni auf knapp 400 Basispunkte ausgeweitet. Eine Verdreifachung der Prämie, die gleichzeitig weit über dem aktuellen Niveau von BBB-Bonitäten liegt. Dieses Renditeniveau ist Heidelberger Zement jedoch bisher nicht bereit zu zahlen.

Zum anderen ist die Gesamtnachfrage und Aufnahmebereitschaft des europäischen Anleihenmarktes im Herbst auf ein 3-Jahrestiefstand gefallen. Vielen potentiellen Abnehmern ist das Risiko im Unternehmenssektor momentan zu groß. Die Angst vor weiter fallenden Umsätzen und Gewinnen erhöht letztlich auch das Risiko von Ausfällen im Kreditbereich. So kommt es, daß allein in diesem Jahr Unternehmen geplante Anleihenplazierungen mit einem Gesamtvolumen von 16 Mrd. Dollar streichen mußten, da die Nachfrage zu gering war. Eine Verbesserung der Nachfrage ist erst zu erwarten, wenn eine weitreichende Stabilisierung der Konjunktur in Europa eintritt bzw. das Risiko einer Rezession gebannt wird.

Auch bei Anleihen aus Emerging Markets sinkt die Risikobereitschaft. Die anhaltenden Krisen in Südamerika und in der Türkei haben die Nachfrage nach Staats- und Unternehmensanleihen aus Emerging Markets auf ein 7-Jahrestief gedrückt. Der Sektor konnte in den ersten neun Monate nur ein Volumen von 31,6 Mrd. Dollar absetzen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht das einem Rückgang um 18%. Historisch betrachtet ist damit jedoch der niedrigste Stand seit der Mexikokrise 1995 erreicht.

Die sinkende Nachfrage beschränkt sich nicht nur auf Neu-Emissionen. Auch der Sekundärmarkt verzeichnet selbstverständlich fallendes Kaufinteresse, was gleichzeitig auf steigendes Angebot trifft. Diese ungünstige Konstellation garantiert für die betroffenen Länder und Unternehmen sinkende Kurse und steigende Renditen, bis bei den problematischen Schuldnern echte Fortschritte festgestellt werden können. Doch nicht nur die schlechten Risiken, auch die guten Risiken geraten unter Beschuß:

Die Herabstufung der Allianz belegt noch einmal, wie risikoreich der Finanzsektor geworden ist. Moody's meldete am Mittwoch, daß die Allianz ihr Top-Rating von AAA verloren hat und die Bonität gleich um zwei Stufen auf "Aa2" gefallen ist. Ausschlaggebend für Moody's sind die erheblichen Probleme bei der US-Tochter Fireman Fund Insurance und der Dresdner Bank. Die Allianz steht mit ihren Problemen nicht allein da.

Die Verkaufsempfehlung für Fortis kam keine Minute zu spät. Ich hatte Sie bereits Mitte September auf das Risiko bei Fortis aufmerksam gemacht und dann Ende September endgültig die Position, zusammen mit allen anderen Finanztiteln, zum Verkauf gestellt. Die Anleihen mußten seitdem erhebliche Kursverluste einstecken, da sich die Befürchtungen bezüglich des Aktienportfolios der Bank bestätigten. Fortis meldete Anfang Oktober, daß zum 1. Mal in der Unternehmensgeschichte der Wert des Aktienvermögens unter den Bezugspreis gefallen ist. Die negative Differenz belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 2,1 Mrd. Euro. Das Kernkapital schrumpfte allein im 3. Quartal um 2,9 Mrd. Euro auf 16,5 Mrd. Euro.


Quelle:FM Research
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arpad
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