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Alt 20-12-2005, 17:37   #83
Benjamin
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HANDELSBLATT, Dienstag, 20. Dezember 2005
Knappe Bestände und hohe Nachfrage

Die Zeit billigen Kaffees ist vorbei


Von A. Busch, R. Palm

Die Verbraucher müssen sich auf deutlich höhere Kaffeepreise einstellen. Zwar stagniert der Konsum in wichtigen Verbraucherländern wie den USA, Deutschland und Japan, doch drängen neue Konsumenten auf den Markt. Schlechte Ernten verknappen zudem das Angebot aus den Produzentenländern. Experten rechnen daher tendenziell mit eher steigenden Notierungen bei Rohkaffee.

SAO PAULO. „Der Preis wird auf dem jetzigen Niveau fest bleiben“, sagt Winfried Tigges, Geschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes in Hamburg. Ein Grund hierfür seien erntebedingte Angebotsschwankungen. So liege die Ernte in Brasilien in diesem Jahr deutlich hinter den Erwartungen, doch werde die nächste Ernte erfahrungsgemäß wieder erheblich besser ausfallen. Auch Vietnam, der zweitgrößte Produzent weltweit, meldete kürzlich, dass der Kaffee-Ertrag wegen einer Dürre auf den niedrigsten Stand seit Jahren fallen wird.

Insgesamt verstärken die Ernteausfälle Tigges zufolge allerdings nur einen Gesamttrend. Am Kaffeemarkt klaffe insgesamt eine Angebotslücke. Dies liege auch daran, dass der „Eigenverbrauch in den Produzentenländern deutlich zugenommen hat“, sagt er. Noch vor wenigen Jahren sei Deutschland nach den USA das zweitgrößte Konsumentenland bei Kaffee gewesen. Heute liege Brasilien, das rund ein Drittel der Weltproduktion liefert, beim Verbrauch auf Platz zwei.

Die Knappheit am internationalen Kaffeemarkt wird zudem – wie an anderen Rohstoffmärkten auch – durch den immensen Rohstoffhunger Chinas verstärkt. Bisher war China ein Land der Teetrinker, doch gewinnt Kaffee dort immer mehr an Popularität. „Die Coffee-Shops haben den chinesischen Markt für sich entdeckt“, sagt Tigges. Gleichzeitig steigt auch der Konsum in Osteuropa und in den Öl exportierenden Staaten Afrikas stark an. Das haben brasilianische Kaffeehändler beobachtet. Sie rechnen daher bis zum Jahr 2008 mit steigenden Preisen.

Der chinesische Rohstoffbedarf treibt die Verbraucherpreise auch über eine andere Schiene. Die deutliche Verteuerung von Rohöl trifft die Kaffeeröstereien, die wegen ihres enormen Energieverbrauchs mit hohen Kosten kämpfen. Zudem sind laut Tigges die Seefrachten deutlich teurer geworden, und auch die Container-Kapazitäten sind knapp. Dies trifft auch die Konsumenten in Deutschland. Anfang des Jahres mussten nach Angaben des Kaffeeverbands für ein Pfund Kaffee durchschnittlich noch 2,90 Euro bezahlt werden, heute sind es rund 3,73 Euro. Im September kostete Kaffee sogar 3,86 Euro.

Für höhere Notierungen des Rohstoffs Kaffee spricht ferner, dass die einst hohen Lagerbestände arg geschrumpft sind. Dies liegt zum einen an einem Sonderfaktor – den Spätfolgen des Hurrikans Wilma. Der Tropensturm hat in New Orleans, einem der größten Umschlagplätze in den Vereinigten Staaten, große Schäden an den dort lagernden Kaffeebeständen verursacht. Weltweit zögern zudem die Produzenten mit Investitionen. Grund dafür sind die niedrigen Preise der vergangenen Jahre. Noch bedienen sie die neue Nachfrage aus den immer knapper werdenden Vorräten.

Der brasilianische Kaffee-Experte Victor Abou Nehmi von dem renommierten Forschungsinstitut FNP Consultoria rechnet daher für das Jahr 2007 mit einem Anstieg des Rohkaffeepreises auf bis zu 130 US-Cents je Pfund. Im laufenden Erntejahr 2004/05 beträgt der Durchschnittspreis etwa 107 Cents. Abou rechnet frühestens in zwei Jahren mit Preisrückgängen.

Als Daumenregel gilt in der Kaffeebranche, dass Produzenten ab Quotierungen zu 100 Dollar je Sack (à 60 Kilogramm) wieder in ihre Kaffeeplantagen investieren. Allerdings kann die Produktion nicht wie etwa bei Soja oder Weizen von einem Jahr aufs andere gesteigert werden. In Brasilien etwa haben die Plantagenbesitzer ihre Anbaufläche trotz des mittlerweile zwei Jahre andauernden Preisanstiegs nur um 100 000 auf 2,33 Mill. Hektar gesteigert. Dabei gelten die dortigen Kaffeepflanzer stets als Initiatoren einer neuen Investitionswelle in der Branche. Da sie selbst den teuren Arabica-Kaffee zum Durchschnittspreis von 80 Dollar je Sack produzieren können, also weit billiger als der Rest der Welt, reagieren die Pflanzer schneller auf Preissignale.

So wird es erst ab 2007/08 zu einem Produktionsüberhang und niedrigeren Preisen kommen. Einen Preissturz erwarten Fachleute aber nicht. „Die Preise werden nicht so tief fallen wie zwischen 2001 und 2003“, sagt Experte Abou.
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