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Alt 29-11-2005, 17:46   #42
PC-Oldie-Udo
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HANDELSBLATT, Dienstag, 29. November 2005, 17:06 Uhr


Versicherer kritisieren Regierungspläne

Rentenversicherung in Not


Die Finanznot der Rentenversicherung ist dramatischer gewachsen als erwartet: Erstmals können die Renten nur mit Hilfe eines Bundeskredits von 900 Mill. Euro ausgezahlt werden. Diese Überbrückungshilfe fällt um die Hälfte höher aus als erwartet. Mittelfristig drohten durch Pläne der großen Koalition neue Belastungen in Milliardenhöhe, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund, Alexander Gunkel. Womöglich müsse der Beitragssatz 2007 noch stärker steigen als geplant.


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HB WÜRZBURG. Ohne diesen Kredit, der bis Jahresende zurückgezahlt werden soll, hätten die Renten nicht rechtzeitig an diesem Mittwoch ausgezahlt werden können, erklärte Gunkel weiter. Die Finanzlage nannte er „merklich schlechter“ als angenommen. Bisher waren die Rentenkassen noch mit vorgezogenen Bundeszuschüssen ausgekommen.

Gunkel äußerte sich kritisch zu den Renten-Plänen der Bundesregierung. „Mit den Maßnahmen des Koalitionsvertrages werden alle Zielgrößen deutlich verfehlt.“ Union und SPD wollen zur Haushaltskonsolidierung den Bundeszuschuss von derzeit 55 Mrd. Euro deckeln, die Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Empfänger fast halbieren und einen Nachholfaktor in die Rentenformel einbauen, der künftige Erhöhungen weiter schmälert. Dies würde langfristig dazu führen, dass die Beitragssätze bis 2020 auf 21,5 Prozent und bis 2030 auf 24,5 Prozent steigen, befürchtet Gunkel, der für die Arbeitgeber im Vorstand der Rentenversicherung sitzt.

Auch das gesetzliche Nettorentenniveau würde verfehlt und läge unter den für 2020 und 2030 angepeilten Zielmarken von 46 und 43 Prozent. Gunkel mahnte „Änderungsbedarf“ beim Gesetzgeber an. Die von der Koalition angekündigte Anhebung des Rentenbeitragssatzes auf 19,9 Prozent im Jahr 2007 sei auf längere Sicht nicht ausreichend.

2007 muss der Beitragssatz nach Erwartung der Rentenversicherer von 19,5 auf 20 Prozent steigen, 2008 dann auf 20,1 Prozent. Regierungspläne, für die Empfänger von Arbeitslosengeld II künftig nur noch 40 statt 78 Euro Beitrag je Monat zu überweisen, belasteten die Rentenversicherung mit zwei Mrd. Euro pro Jahr, sagte Gunkel. Das sind umgerechnet 0,2 Prozentpunkte beim Beitragssatz.
Würde die Entdynamisierung der Bundeszuschüsse beschlossen, würde der Anteil des Bundeszuschusses an den Rentenausgaben von derzeit 27 Prozent nahezu halbiert. „Die daraus entstehenden Lasten werden auf Beitragszahler und Rentner abgewälzt“, kritisierte Gunkel. Dies sei als „Abkehr vom bisherigen breiten rentenpolitischen Konsens“ zu werten, der auf eine „ausgewogene Verteilung der Lasten auf Beitragszahler, Rentner und den Bund“ baue. Gunkels Co-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer vom Deutschen Gewerkschaftsbund verwahrte sich ebenfalls dagegen, Rentner und Beitragszahler zu belasten, um den Bundeshaushalt zu entlasten.

Wann die 20 Millionen Rentner die nächste Erhöhung zu erwarten haben, blieb offen. Rein rechnerisch wäre für die Jahre 2008 und 2009 eine geringfügige Erhöhung denkbar, sagte Gunkel. Die Regierung hat allerdings bereits Nullrunden für mehrere Jahre angekündigt. Theoretisch wäre Gunkel zufolge auch eine Minusrunde möglich, falls die Löhne sinken. Dies sei „zwar unwahrscheinlich, aber ausschließen kann man es nicht“. Ohne die gesetzliche Sicherungsklausel hätte es für die Rentner in diesem Jahr eine Rentenkürzung von einem Prozent gegeben. Die Koalition will mit einem so genannten Nachholfaktor künftige Steigerungen mit diesen unterlassenen Kürzungen verrechnen.

Gunkel beschrieb die Lage der Rentenkassen als angespannter denn je: Für 2005 müsse davon ausgegangen werden, dass die Ausgaben die Einnahmen um 4,5 Mrd. Euro übersteigen. Grund sei die „anhaltend ungünstige Wirtschaftsentwicklung“. Die eiserne Reserve der Rentenkassen schrumpft deshalb zum Jahresende auf voraussichtlich nur noch sieben Prozent einer Monatsausgabe. Vorgeschrieben sind 20 Prozent. Selbst dieser Wert sei zu knapp bemessen, um finanzielle Risiken „aus eigener Kraft wirksam abfedern zu können.“

Im kommenden Jahr werden sich die Rentenfinanzen vorübergehend erholen, da die Arbeitgeber die Sozialabgaben jeweils zum Monatsersten und damit zwei Wochen früher als bisher abführen müssen. Damit gehen 2006 einmalig 13 statt zwölf Zahlungen bei der Rentenversicherung ein. Damit konnte eine Erhöhung des Beitragssatzes nicht gänzlich vermieden, aber immerhin aufgeschoben werden.

Der Bund überweist jährlich in zwölf Monatsraten rund 80 Mrd. Euro an die Rentenversicherung, teils als Bundeszuschüsse, teils als Beiträge für Kindererziehung und ähnliches. Insgesamt hatte die Rentenversicherung dieses Jahr geschätzte 224 Mrd. Euro Einnahmen und 228 Mrd. Euro Ausgaben. Das Defizit wird aus der entsprechend verringerten Reserve gedeckt.


HANDELSBLATT, Dienstag, 29. November 2005, 17:06 Uhr


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