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Alt 14-06-2002, 18:50   #4
arpad
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Für die 24. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
General Electric steckt in Schwierigkeiten. Der weltweit größte Elektronikkonzern mußte in diesem Jahr bereits erhebliche Kritik aus der Finanzgemeinde einstecken. Moniert wurde insbesondere, daß die Absicherung der ausstehenden Commercial Papers nur unterdurchschnittlich sei. GE benötigt zur Finanzierung des täglichen operativen Geschäfts rund 90 Mrd. Dollar (!). In so einem Fall wird ein potentes Unternehmen nicht die Kreditlinien der Banken ausschöpfen, sondern am Kapitalmarkt eine billigere und flexiblere Refinanzierung suchen. Üblicherweise müssen dazu aber selbst Top-Unternehmen einen gewissen Prozentsatz ihrer ausstehenden Commercial Papers durch Kreditlinien absichern. Hier kam es zum Eklat, denn:

GE lotete am Commercial Paper Markt den unteren Rand des Machbaren aus und bekam dafür die Gelbe Karte. Daraufhin setzte von Unternehmensseite eine hektische Restrukturierung der Schulden vom kurzen auf das lange Ende ein, was aber auch zu erheblicher Unruhe am Kapitalmarkt führte. Das war insbesondere an der Höhe der Prämien für Ausfallversicherungen auf GE Schulden abzulesen. Diese stiegen in den letzten Wochen rapide an und liegen nun etwa 50% über dem Üblichen für AAA-Unternehmen. In der letzten Konsequenz hat sich nun die groteske Situation eingestellt, daß man mit dem Verkauf der 5jährigen Ausfallversicherung für GE-Schulden mehr verdient, als wenn man die 5jährigen Anleihen von GE kauft, wenn auch das Risiko das gleiche ist.

Zu der jüngsten Schlappe von Bertelsmann kann ich nur sagen:

Autsch! Bertelsmann hat sich wieder selbst ins Knie geschossen. Der Medienkonzern sorgte für Aufsehen mit der Ankündigung, daß man ab dem 12. Juni einen 1 Mrd. Euro Bond unter die Leute bringen will. Die Anleihe würde das aktuell ausstehende Anleihen-Volumen glatt verdoppeln. Das Unternehmen (Rating: BBB+ / Baa1) ist sonst aber eher dafür bekannt, sehr kapitalmarktscheu zu sein. Bisher liegen mir zwar noch keine Angebote vor, aber wer sich engagieren will, sollte auf eine angemessene Rendite achten, denn die Erlöse der Neuemission werden komplett zur Übernahme von Zomba eingesetzt. Dabei kommt Bertelsmann jedoch schlecht weg, denn:

Die Amis barbieren Bertelsmann regelrecht über den Löffel. Um sich eine 20%ige Beteiligung an dem Erfolgs-Plattenlabel Zomba (Britney Spears, ´N Sync, R. Kelly, Michael Bolton, Backstreet Boys usw.) zu sichern, hatte Bertelsmann seinerzeit dem Gründer Clive Calder eine Put-Option gewährt. Nachdem die Sternschnuppen von Calder in diesem Jahr langsam alle am Firmament verglühen, übte er die Put-Option nun aus. Der Wert der verbleibenden 80%, die Bertelsmann nun übernehmen muß, orientiert sich an den Abschlüssen der letzten drei Boom-Jahre: 3 Mrd. Dollar. Abgesehen davon, daß dieser Preis völlig überteuert und unangemessen ist, wird Calder zudem voraussichtlich das Unternehmen verlassen. Gelinde gesagt, ist das eine finanzielle Katastrophe und ein Schlag ins Gesicht für Bertelsmann.

Mit Larry Zimmerman bekommt Xerox eine weitere integere Leitfigur. Dem angeschlagenen Kopiererunternehmen mangelt es vor allem an Akzeptanz und Bonität in der Finanzgemeinde. Ein bekannter und starker Restrukturierer wie Zimmerman, der bereits zusammen mit Lou Gerstner IBM aus der Patsche geholfen hat, kann Xerox durchaus weiter bringen.

Kurzfristig belasteten jedoch die Rating-Herabstufungen. Nachdem Moody's bereits Anfang Mai die Bonität für die langfristige Verschuldung von Xerox auf "B1" herabstufte, senkte nun Standard & Poor's in dieser Woche auf "BB-" und verpaßte dem Rating zusätzlich einen negativen Ausblick. Ich bleibe bei Xerox weiterhin außen vor und warte ab, ob sich eine günstige Gelegenheit bieten wird.


Quelle:fmresearch
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Schöne Grüße
arpad
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