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Alt 07-06-2006, 08:21   #8
Benjamin
TBB Family
 
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Beiträge: 10.374
Hallo Karl,

bei den Soft Commodities habe ich aktuell nur eine Beimischung bei Kakao - und zwar long.

Bei Öl erwarte ich vermutlich in dieser Woche /Anfang kommender Woche die Tiefststände zum Long-Einstieg: Die Zeit vor der Ablehnung des Vorschlagspakets des Westens an den Iran durch den Iran. Sobald die Ablehnung durch den Iran auf dem Tisch liegen wird, dann sollte der Ölpreis wie von einer Rakete getrieben nach oben donnern. Alternativ gibt es noch etwas gesichtswahrendes Gezänk hin und her über das Zustandekommen direkter Gespräche zwischen Iran und USA, die dann in einer absehbaren Enttäuschung münden. Was wir da derzeit beobachten ist zwar einerseits ernst gemeint, aber andererseits ist es auch ein taktisches Schaulaufen vor dem jeweils eigenen Klientel. Die OPEC wird den Zug durch Produktionsausweitungen nicht stoppen können: Die fördern fast alle schon an der Kapazitätsgrenze. Ich habe gehört, dass die Größe der Produktionskapazitätsreserve sich in der letzten Zeit massiv reduziert hat; das bedeutet, dass die Einflussmöglichkeit der OPEC durch eine Aktivierung dieser Reserve recht klein geworden ist, zu klein, um eine Produktionsreduktionsdrohung des Irans auszugleichen. Das bedeutet eine viel höhere Volatilität am Ölmarkt, wenn da auch nur Anzeichen von Gewitterwolken erkennbar werden. Ich rechne klar mit Ölpreispeaks um die 100$ innerhalb der Zeit von heute bis April/Mai 2007.

Im Prinzip kann man als Anleger aktuell imo nichts falsch machen, wenn man die großen Aktienindices shortet und einen Knock-Out wählt, der oberhalb der Mai-Tops liegt (oder langlaufende Put-Optionsscheine). Bei Einzelaktien-Shorts meine ich jetzt gute mittelfristige Short-Chancen bei Thyssen und Salzgitter zu erkennen, bei denen enorme Gewinnwarnungen ins Haus stehen. Die Euro-Aufwertung verbunden mit steigenden Zinsen und abnehmender Konjunktur dürfte ein Höllengift für gerade deutsche Aktienunternehmen werden, weil sie wegen ihrer hohen Exportmarktabhängigkeit stark geschwächt werden dürften und umgekehrt wenig Vorteile von relativ weniger stark steigenden Importpreisen haben (Öl/Benzin etc. wird in Deutschland vergleichsweise hoch besteuert) - anders als US-Aktienunternehmen. In den USA könnten ausgesuchte Exportwerte sogar Long-Kandidaten sein, weil der fallende Dollar ihnen zusätzliche Gewinnmarge spendiert; der kommende Ölpreisanstieg fällt in den USA zwar prozentual sehr groß aus, aber absolut dürften die US-Unternehmen für Energie nicht/kaum mehr ausgeben als Vergleichsunternehmen in Euroland.

Was auch so von den USA gewollt ist: Zuerst verschulden sich die US-Unternehmen, die US-Bürger und die US-Regierung bis über beide Ohren und genießen die Freuden der Gewinne und des Konsums. Wenn das Wachstum weniger wird und tätsächlich die Zeche bezahlt werden muss, dann erhalten die US-Kapitaleigner noch eine exklusive Schmerzlinderung, die ihre ausländischen Konkurrenten nicht haben, weil deren Währungen allesamt aufwerten und von denen die US-Konsumenten nun immer weniger gern Wahren und Güter einkaufen, weil diese im Vergleich zu US-Produkten immer teurer werden. Ökonomen nennen das neutral einen "notwendigen Abbau von strukturellen Ungleichgewichten". Gäbe es nicht die Möglichkeit des shortens und puttens, man könnte als europäischer Anleger (egal, ob in Aktien oder in Anleihen) die Wut bekommen. Insgesamt wird dieser Effekt dafür sorgen, dass der Dollar zwar kräftig, aber nicht ins Uferlose abwertet - solange der Abwertungsprozess in einer Geschwindigkeit läuft, wie wir sie in den letzten Monaten gesehen haben UND solange die Ungleichgewichte bereits ab Mai 2006 langsam wieder weniger werden. Es gibt eine recht aktuelle Untersuchung (allerdings erstellt vor dem Abverkauf an den Börsen), nach der die Ungleichgewichte in 2007 sogar noch steigen werden - mit entsprechend ansteigendem Risiko einer plötzlichen Spannungsentladung an den Börsen. Letzteres würde einem Dollar-Aktien-Anleihen-Crash gleichkommen, alles was mit Papiergeld und erhofften Gewinnen zu tun hätte würde abverkauft: Das Börsenparket würde zum Armageddon!

Derzeit ist bei den deutschen High-Flyers der letzten Monate noch ein sehr niedriges KGV anliegend, weil die große Mehrheit der Analysten eben gerade NICHT von einer begonnenen Stagflation ausgehen, sondern nur von einer Korrekturdelle. Diese Meinung teile ich überhaupt nicht, wir haben einen echten Trendwechsel im Mai gesehen. IMO wird es auch den Analystenhäusern und den Konzernen selbst bald dämmern; sie werden die Gewinnerwartungen senken. Damit steigen die KGVs. Gerade der enorm hoch gelaufene M-DAX scheint mir hervorragende Short-Kandidaten zu beinhalten, Salzgitter ist da nur ein Beispiel, wenngleich ein voraussichtlich sehr short-attraktives.

(Texteinschub bzw. eine Art "Fussnote":
Armageddon ist in der Offenbarung des Johannes in der Bibel der Name des Schauplatzes der letzten Entscheidungsschlacht der Könige der Erde gegen Gott. Der Begriff wird oft auch gebraucht als Symbol für einen nuklearen Holocaust, eine Umweltkatastrophe oder den Weltuntergang. Ähnlich: Apokalypse. Im Englischen wird für Endzeit-Spekulationen auch der Begriff "Doomsday" gebraucht. Tröstlich: Als Ende ist es auch ein neuer Anfang!

Für Doomsday-Anhänger zwei Bücher:

1) Ein Buch, das ich persönlich nicht kenne, das ich aber im Zuge einer anderen Buchsuche gefunden hatte und mir hier ganz passend zu sein scheint: Günter Hannich "Geldcrash - Der Krisenwegweiser. So retten Sie Ihr Vermögen." EUR 15,90, ISBN: 3980852210 - mit zumindest auch einigen eher skurilen Empfehlungen.

2) Was ich bereits bestellt habe, weil ich Prechter's Buch über das Elliott Wave Principle bereits habe: Conquer the Crash. You Can Survive and Prosper in a Deflationary Depression,
von Robert R. Prechter, ISBN: 0470870907.
Das Buch ist auch als deutsche Übersetzung erhältlich:
Besiege den Crash! Wie man eine Deflationskrise übersteht und dabei sogar gewinnt, ISBN: 3922669441, Details siehe http://www.amazon.de/exec/obidos/ASI...644686-8424502
In 'Conquer the Crash', Robert Prechter explains why he thinks the boom times are behind us. Based on his interpretation of the Elliott Wave Principle (an idea premised on the notion that mass investor psychology is what really drives markets), Prechter argues that the economy is about to enter into a deflationary depression that few investors are prepared to deal with. In making his case, he assembles an impressive array of data that in essence suggests that the bill for the last 10 years of market excess is about to come due. The second half of the book shows how to avoid becoming "a zombie-eyed victim of the depression" and offers advice on protecting one's assets in a deflationary environment (cash is king). If there's any good news in the future that Prechter sees coming (other than how to avoid it), it's that all-out depressions don't last very long. Conquer the Crash should appeal to all investors, particularly those desperately looking for a safe haven from the uncertainties of today's markets.



Geändert von Benjamin (07-06-2006 um 13:25 Uhr)
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