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Alt 30-05-2008, 13:25   #32
Benjamin
TBB Family
 
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Beiträge: 10.374
Ich mach 'mal inhaltlich weiter:

Ich persönlich glaube, dass ein komplexes Zusammenspiel recht vieler Ursachen in Folge das Phänomen erzeugt, dass fast alles um uns herum "peaked", also auf dem Maximum angekommen ist: Artenvielfalt, Wohlfahrt - und demnächst auch unsere Art Mensch. Auf allgemeinem Level erscheint mir selbst das soweit verständlich zu sein.

Das Wesentliche: Was wird das alles für mich selbst bedeuten, der ich das nämlich höchstpersönlich miterleben werde. Denn wir alle sind Zeugen dieses Prozesses, der ja bereits begonnen hat:
- Die globale Artenvielfalt nimmt bereits seit Jahren ab, der Peak war schon lange da.
- PeakOil ist in etwa jetzt (Maximum der weltweit erreichbaren Ölförderrate)
- Der historische Peak der Weltwirtschaft und folglich der Beginn einer sehr langen Weltwirtschaftskrise (zuerst an den Börsen, dann in der Realität) wird voraussichtlich ab ca. 2010 sein, also in rund 1,5 - 2 Jahren.
- Wir leben heute in den Jahren der "Peak-Wohlfahrt" bei uns in Europa.
- Der Peak der Weltbevölkerung kommt wohl so um 2070 herum bei wohl knapp 9 Mrd. Menschen (Unterschiede bei den einzelnen Regionen!)

Wir können also einerseits überaus froh sein, dass wir genau jetzt leben, weil wir die Menschheit auf der Blüte ihrer Existenz erleben und ein Teil von ihr sind! Das ist toll, das muss man sich durchaus sehr bewußt klarmachen und die aktuellen Möglichkeiten noch nutzen! Von allen Menschen im Norden der Erdhalbkugel, die jemals gelebt haben und die jemals leben werden, sind wir voraussichtlich diejenigen, die hinsichtlich der allgemein verfügbaren materiellen Wohlfahrt das beste Leben haben. Wer diesen Thread und die Gedanken darin von Anfang an liest, der dürfte zu dieser Einschätzung kommen.

Es peaked aber nicht alles: Gemeinschaft, Sinnfindung zusammen mit anderen, die Freude an guter eigener Arbeit, etc. bleibt natürlich erhalten. Lebensglück ist unabhängig von materiellem Wohlstand und peakt also in diesen Jahren nicht.

Der Beginn des materiellen Niedergangs, den wir real miterleben werden, plaziert aber eine Herausforderung. Lebensglück entsteht nur dann (bzw. bleibt erhalten oder wird gefördert), wenn diese Herausforderung durch eigene Initiative und Anstrengung real gemeistert wird und das Ereignis geistig/emotional verarbeitet wurde. Überwundene Krisen bringen Lebenszufriedenheit (Glück), ausgewichene bzw. unbewältigte Krisen verlängern die eigene Unzufriedenheit (Unglück).

Interessant ist daher für mich eher, wie das konkret sein wird, in einer "Welt nach dem Peak von fast allem" zu leben. Was wird da laufen? Wie schnell (oder wie langsam?) wird das alles für die Menschen in Deutschland kommen? Geht die Veränderung hin zur materiellen Wohlfahrtsabsenkung "nach dem Peak" in etwa so schnell voran, wie der Wohlfahrtsanstieg vor dem Wohlfahrtspeak zustande kam? Bezogen auf den Peak-Zeitpunkt: Läuft dass dann alles symetrisch rückwärts (wie ein Film, der rückwärts liefe) oder läuft es ganz anders, in jedem Falle aber nicht symetrisch?

Hier nun meine ganz subjektive Einschätzung dazu, die sich allerdings sehr wohl auf die Lektüre einiger guter Bücher stützt. Jeder muss für sich entscheiden, was er/sie davon glaubt, nachrecherchieren oder übernimmen will - oder als Unsinn ansieht und verwirft. Ich persönlich bin subjektiv sicher, dass ich hier die richtigen Dinge für unsere persönliche Zukunft benenne. Aber wann mit deren Eintreten jeweils genau zu rechnen ist, dass ist für mich eine sehr schwiere, aber enorm wichtige - und spannende - Frage.

Denn die Antwort auf jene "Wann genau wird xyz so weit sein, dass ich dann abc benötige?" bestimmt wiederum die Antwort auf diese Frage: Was sollte ich heute tun, um mich besser vorzubereiten? Was sollten die Menschen "in ihren besten Jahren" heute tun, die z. B. in den Jahren ab etwa 2020 über 60, 70 Jahre alt sein werden?

Denn die jüngeren werden die dann älteren Mitmenschen nicht so einfach durchfüttern, sondern gegen sie rebellieren. Die dann Alten (das sind wir heute!) waren es doch, die ihnen die Zukunftsaussichten versaut haben. Die dann Alten (also wir) werden in Zukunft wohl weitgehend auf sich selbst gestellt sein. Das Leben ist nicht immer gerecht! Die Lösung kann wohl nur in einer neuen, kreativen Bewegung hin zur Gemeinschaft liegen. Ganz dezentrale und autonome Gemeinschaften. Man macht wieder (fast) alles selbst, solange man nur irgend kann, weil es anders gar nicht bezahlbar wäre. Die lokale Gemeinschaft scheint mir die Perspektive zu sein, auf die jeder von uns sich mental und hinsichtlich seiner persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften vorbereiten sollte. Nicht morgen und auch nicht übermorgen wird es darauf ankommen, aber in den nächsten 5-10 Jahren sollte man imo schon eine konkrete Perspektive in einer örtlichen Gemeinschaft entwickelt haben, die einen unterstützt und schützt, wenn es darauf ankommt. In einer Zeit, in der Alte immer unerwünschter sein werden (weil es prozentual immer mehr davon gibt, uns nämlich), wird eigenständige persönliche Unterstützung immer schneller wichtiger, je älter wir werden.

Viel Geld aus heutiger Zeit wird am Ende übrigens nicht zwingend die Lösung für den Einzelnen sein, um sich dann eine Wohlfahrtsfortsetzung zu kaufen. Es wird weltweit immer mehr Geld gedruckt, die Geldmenge steigt jährlich im zweistelligen Prozentbereich; die reale Kaufkraft wird daher immer stärker inflationiert. Im Rahmen der Weltwirtschaftskrise ab ca. 2010 wird der Geldwert sowie der Wert vieler Sachgüter erheblich reduziert werden. Der Besitz von Geld bzw. leicht verkaufbare Güter (wie z. B. Aktien, Silber, Gold) verzögert wohl nur etwas den Zeitpunkt, bis zu dem jemand gelernt haben muss, wie man Kartoffeln auf einem Stück Land pflanzt, um selber satt zu werden.

Die trügerische Hoffnung auf die spätere Rettung durch den Besitz von Gold und Silber:

Ich halte das für eine sehr gefährliche Hoffnung: Wer zu lange nach Krisenbeginn mit dem Verkauf wartet, der verliert evtl. immer mehr! Das Timing genau zu treffen, erscheint mir sehr schwierig zu sein. Wer für diese späte Zeit in der persönlich ferneren Zukunft heute bereits alles Geld in Silber anlegt, der riskiert, dass es später, wenn es darauf ankommt und das Silber verkauft werden soll, keinen effektiven Silbermarkt mehr gibt. Man muss sich nämlich vorstellen, wie dann das Umfeld aussehen wird, dass dann zum zukünftigen Zeitpunkt eines Silberverkaufs vorherrschen dürfte: Es gibt keine bedeutsame industrielle Silbernachfrage mehr (weil Industrie weitgehend zusammengebrochen), keine effiziente u. sichere Transportmöglichkeiten (sowohl für das Silber hin zum Interessenten als auch für den Transport der Tauschwaren (denn Geld dürfte es dann kaum geben oder jedenfalls problematisch sein) zurück zum Wohnort. Es gibt kaum Sprit, das dürfte im Leihwagen auf desolaten Straßen laufen - oder gar in Pferd und Wagen (wenn es erst die Kinder des heutigen Besitzers verkaufen).

Einen Bauernhof samt Ackerland und technischer Hilfsmittel zu kaufen erscheint mir für die Kinder jedenfalls eine vielfach bessere investition zu sein als ausgerechnet so etwas "Nicht-Nützliches" wie Gold und Silber.
Eine reiche Sammlung von guten handbetriebenen Werkzeugen (kein Strom ) inkl. Ersatzteile (mit dem Wissen, wie man damit arbeitet) dürfte in evtl. 50-70 Jahren sehr viel mehr Wert besitzen als dann z. B. 10 Kg Silber an "Kaufkraft" besäßen. Solche WErkzeuge bekommt man heute auf dem Flohmarkt oder im Gebrauchtwarenmarkt für wenige Euros.
Beispiel: Jenes handbetriebene Gerät zum Kleinschneiden bzw. Hächseln von Bohnen in dünne Streifen "Schnibbelbohnenmaschine", damit man sie dann besser Einkochen und dadurch haltbar machen kann, das findet sich heute nur noch auf verstaubten Speichern oder im Heimatmuseum. Diejenigen unter uns, die älter als ca. 30/40 Jahre als sind, haben evtl. so ein Ding selber als Kind bei ihren Eltern verwendet. In z. B. 70 Jahren werden sich die dann lebenden Leute die Finger nach solchen handbetriebenen Werkzeugen und Hilfsmitteln lecken. Die gleiche äquivalente Kaufkraft, die heute in einen riesigen TV-Plasmabildschirm aus Korea gesteckt wird, dürfte in einigen Jahrzehnten äquivalent aufgewendet werden müssen, um so eine "Schnibbelbohnenmaschine" zu kaufen. Jener Plasmabildschirm wäre dann vermutlich wertlos, selbst wenn er noch voll funktionstüchtig wäre: Es gibt kaum Strom, es gibt kaum Programme (wer sollte dann auch Werbespots bezahlen?), denn es gibt kaum Fernseher, weil die Leute andere Produkte eher brauchen und die meiste Zeit am arbeiten sein werden - keine Zeit fürs Fernsehen. Die Älteren unter uns werden sich daran erinnern, wie das war.

Wer sich also materiell vorbereiten will, der ziehe große Anschaffungen vor, damit er für das Geld auf dem Konto noch etwas vernünftiges bekommt (Inflation).

Und er überlege sich, welche eigenen Fähigkeiten, Dienste und Dinge er in eine örtliche Gemeinschaft/Genossenschaft einbringen kann, damit diese ihn/sie in ihren Reihen aufnehmen und halten möchte. Denn er/sie wird später einmal in dieser konkreten örtlichen Gemeinschaft Unterstützung und Schutz finden müssen, wenn später Krisen eintreten (eine Verwüstung der Wege und Überflutung von Landstrichen und Häusern wegen Starkregenereignisse durch Klimawandel; oder eine Knappheit an Nahrungsmitteln, oder eine eigene Erkrankung). Man kann zwar mit dem Kegelclub beginnen, aber ein Kleinviehzüchterverein wäre nützlicher....ein Ökobauernhof wäre ideal!

Das verlangt eine möglichst lang anhaltende Gesundheit und "Tatkraft" sowie eine recht lange aktive Bindungsphase zu eben jener Gemeinschaft, um genügend eigenes Sozialkapital in der Gemeinschaft anzusammeln. Das Wort "Vorsorge" bekommt dadurch eine ganz andere Bedeutung.

Die altbekannten Sozialsysteme mit ihren Transferleistungen

Ab Beginn der Weltwirtschaftskrise in 2010 werden die klassischen Sozialsysteme wohl stärker runtergefahren werden von einer Einrichtung heute zur Sicherstellung einer doch immer noch recht komfortablen "Wohlfahrt" in Alter und Krankheit hin zu einem zukünftigen Level, der nur noch das schnelle Sterben verhindern soll, ein Überleben auf einfachstem Level ermöglichen soll.

Passive Alte werden tendentiell als überflüssig - gar schädlich - angesehen und von der Jugend verachtet werden. Nur aktiv tätige Alte werden noch allgemein angesehen sein. Dazu braucht es Gesundheit - so lange wie nur irgend möglich.

Die Aufrechterhaltung der eigenen körperlichen und mentalen Gesundheit bis ins Alter ist vermutlich eine besserer Zukunftsvorsorge als es z. B. der Besitz von 100 kg. Silber je sein können. Einschränkung: Natürlich wird immer der Besitz an materiell veräußerbaren "Werten" (die dann in der betr. Zeit auch einen hohen Marktwert haben) die Chancen auf Beibehaltung der eigenen Gesundheit erhöhen, z. B. durch gute Ernährung, durch Vermeidung schwerer körperlicher Arbeit und durch Nutzung von guter medizinischer Betreuung. Die Verfügbarkeit von medizinischer Versorgung und die Teilhabe an den Errungenschaften der medizinischen Forschung wird immer ungleicher (ungerechter) werden, je älter wir werden. Am Ende wird aber auch das "peaken" und danach immer unwichtiger werden: Es gibt dann keine medizinische Forschung mehr, die Ärzte, die es dann geben wird, sind froh, wenn sie das Level eines Allgemeinmediziners kurz nach dem 2. Weltkriegen realisieren können, mit Zinksalbe und so....und selbst die wird wohl um 2100 herum schwer zu beschaffen sein. Woher sollte sie kommen? Womit bezahlen?
Wenn die Wirtschaft zunehmend regional ist, dann gibt's halt mehr Heilkräuter als Medikamente. Tja, spätestens dann braucht man kein Silber (weil kaum einer etwas damit anfangen könnte), sondern Leute, die einen mit Heilkräutern und Hausmitteln pflegen können. Und die das alte Wissen dazu sich wieder angelernt haben aus Büchern, solange man die noch so einfach kaufen konnte.
Aber das letztgenannte Bild betrifft wohl uns erst ganz spät im Alter - wenn überhaupt; sicherlich aber unsere Kinder und Enkel: Die werden das voraussichtlich erleben.

So wie unsere Großeltern viele dieser Lebensaspekte erlebt haben - und waren die so unglücklich? Vermutlich ja und nein: Sie hatten natürlich Phasen von hohem Lebensglück und großer Lebensintensität. Aber sie starben auch früher z. B. an Infektionen, an Unfällen, evtl. sogar an Hunger. Sie quälten sich vermutlich lange mit einfachen Erkrankungen herum (z. B. Zahnweh), hatten also auch eine zeitweise hohe Leidensdichte. Und hatten wohl nur als Kind Zeit für sich selbst ("Freizeit"); ansonsten arbeiteten sie viel - wenn auch nicht so "effizient" wie ein Arbeitnehmer heute mit hohem Energie- und Kapitaleinsatz arbeiten kann. Der Wegfall dieser nicht nachhaltigen Effizienz führt zum Zwang langer Arbeitsstunden, um den Mangel etwas zu kompensieren.

Wird man also unglücklich sein? Ich vermute, dass sich diese Frage nicht beantworten läßt: Es ist dann eben so wie es ist. Nach einer gewissen Zeit kann sich kaum einer daran erinnern, dass es je anders war. Der Mensch besitzt eine unglaubliche Fähigkeit, sich Lebensverhältnisse schönzugucken und sich an sie zu gewöhnen. Das gilt im luxuriösen wie im ärmlichen Bereich.

Ich glaube, dass in unserem Alter vor allen Dingen zählt,
- dass man möglichst gesund ist (nur dabei kann 'Silber' einem helfen)
- dass man in den eigenen jüngeren Lebensjahren bereits mindestens eine schwere Krise erfolgreich bzw. konstruktiv selbst bewältigt hat
- dass man Sozialkapital in einer lokalen Gemeinschaft besitzt (d. h. menschliche Bindungen, die eine gewisse Belastung aushalten können)
- dass man sich mit einfachen Dingen für andere (in der Gemeinschaft) nützlich machen kann.
- dass man sich Offenheit, Wahrheitsliebe und Mitgefühl erhalten hat, um bis zuletzt mit anderen Menschen reden, lachen und weinen zu können.

Geändert von Benjamin (30-05-2008 um 16:53 Uhr)
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