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Alt 24-11-2002, 20:36   #50
arpad
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Für die 47. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
der amerikanische Markt für Unternehmensanleihen stand in dieser Woche unter leichtem Verkaufsdruck. Ausschlaggebend war eine regelrechte Welle von Neuemissionen im Unternehmenssektor. Allein für diese Kalenderwoche beläuft sich das Emissionsvolumen auf sage und schreibe 16 Mrd. Dollar. Der Durchschnitt für diesen Monat liegt dagegen bei 5,6 Mrd. Dollar. Zum letzten Mal sah der Kapitalmarkt einen derartigen Ansturm in der Woche zum 20. September. Um dieses Volumen aufzunehmen, kam es bei einigen laufenden Anleihen zu Gewinnmitnahmen, aus dem der oben geschilderte Druck auf die Kurse resultierte.

Interessant ist, daß IBM unter den Emittenten war. Der weltweit größte Computerkonzern emittierte 10- und 30-jährige Anleihen mit einem Nennwert von 2 Mrd. Dollar. In Händlerkreisen ist IBM bekannt dafür, jeweils auf oder nahe den historischen Zinstiefstkursen zu verkaufen. Bereits im September kam IBM mit zwei Tranchen an den Markt, als der Zins bereits auf einem 41-Jahrestief lag.

Um noch einmal kurz auf den Anleihen-Ticker der vergangenen Woche zurückzukommen:

Die Wandelanleihe von Vivendi ist unattraktiv. Im Grund war es mehr eine Aktienemission als eine Anleihenemission, denn die Käufer der Wandelanleihen haben sich verpflichtet, bei Fälligkeit in jedem Fall zu wandeln. Im Gegenzug zahlt Vivendi den Käufern den gesamten Zinsertrag der Laufzeit im voraus. Für die Aktionäre ist die Wandelanleihe zudem eine erhebliche Belastung, denn bei Wandelung im November 2005 erhöht sich die Aktienanzahl um ganze 7%. Aus Sicht der Aktionäre eine starke Verwässerung des Gewinnanteils.

Erstes Interesse keimt für den neuen Gläubigerschutz für Staaten auf. Italien, Spanien, Brasilien, Rußland, Südkorea und Südafrika prüfen, ob sie in Zukunft nur noch Anleihen emittieren, die die sogenannte "collective action clauses" enthalten. Damit soll sichergestellt werden, daß die Emittenten bei Beendigung des Schuldendienstes nicht mit allen Gläubigern, sondern nur mit den größten verhandeln müssen.

Die besonders gefährdeten Länder lehnen die Klausel weiter ab. Länder wie Ägypten und Indien haben sich klar gegen den Gebrauch der Klausel ausgesprochen. Aus gutem Grund, denn für Anleihen mit einer solchen Klausel werden automatisch höhere Renditen verlangt, da die Gläubiger ein höheres Risiko eingehen. Oder wie es der Gouverneur der mexikanischen Zentralbank ausdrückte: "Wir würden die collective action clauses gerne aufnehmen, wenn die Renditen dadurch nicht steigen würden. Ich glaube jedoch nicht, daß dies der Fall ist."

Der zusätzliche Schutz der Emittenten ist unnötig und droht die Moral zu drücken. Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn die Restrukturierung eines Schuldenausfalls beschleunigt wird, aber die "collective action clauses" ist dazu wenig geeignet und droht sogar kontraproduktiv zu werden, denn die moralische Hürde, die Gläubiger nicht im Regen stehen zu lassen, sinkt dadurch. Hinzu kommt, daß die Klausel nicht die Interessen der kleinen Gläubiger berücksichtigt, die durchaus von denen der großen Gläubiger differieren können.

Noch ein kleines Update zu Brasilien:

Brasilien muß erneut die Zinsen erhöhen. Da die Inflation mit der stärksten Rate seit dem Jahr 2000 steigt, hat die Zentralbank am Mittwoch den Leitzinssatz auf 22% angehoben, nachdem am Tag zuvor bereits am Devisenmarkt interveniert wurde. Der Leitzinssatz hat damit den höchsten Stand seit 1999 erreicht.

Auch aus der Politik war wenig Positives zu hören. In der vergangenen Woche offerierte Lula zudem Gouverneur Itamar Franco einen Posten in seinem Kabinett. Das sorgte für einige Verstimmung am Kapitalmarkt, denn es war Franco, der 1999 den Schuldendienst Brasiliens einstellte und somit die Abwertung der Währung forcierte. Alles in allem bleibt Brasilien weiterhin unattraktiv. Wer in Südamerika investieren will, sollte statt dessen lieber einen Blick auf Kolumbien werfen.

And last but not least:

Die neue Wertpapierkennnummer kommt! Bis April kommenden Jahres hat die gute alte WKN noch Zeit. Dann wird sie vom ISIN-Format Schritt für Schritt abgelöst. Die ISIN (International Securities Identification Number) ist eine 12stellige alphanumerische Zeichenkette, die jedem Wertpapier weltweit eine einmalige Identifikation gibt. Das ist insbesondere für den Handel mit Anleihen wichtig, denn die WKN ist außerhalb der deutschen Grenzen kaum verbreitet. Ich werde daher, im Vorgriff auf die kommende Umstellung, die Empfehlungsliste auf Seite 5 und 6 um die jeweiligen ISIN erweitern.


Quelle: FM-Research
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arpad
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