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Alt 23-06-2006, 09:42   #1
Benjamin
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US-Notenbank im Dilemma

Neben der Charttechnik bei den großen westlichen Aktienindices habe ich aber noch weitere 5 Indikatoren für eine bärische Grundhaltung bei Aktien:

1- Die US-Frühindikatoren (gestern mit -0,6% gemeldet) sind damit nun hintereinander das 4. mal in Folge gefallen. 3x fallende Werte hintereinander ist einer Faustregel zu Folge ein Anzeichen für eine am Horizont heraufziehende Rezession. Das Rezessions-Signal liegt also vor.

2- Die US-Zinsstrukturkurve ist invers ausgerichtet, historisch ein Rezessionsindikator.

3-Schaut man sich die Industriemetalle an, dann sehen diese Tages- und Wochencharts eher nach einer längeren Abwärtsphase aus als nach einer kurzen, kräftigen Korrektur innerhalb eines noch laufenden Aufwärtstrends. Habe Kupfer beispielsweise geshortet.

4- Die Indices der Exportnationen unter den Schwellenländern sind rasant gefallen, über dass Maß einer normalen Korrektur. Das war Sell-Off, nichts gemächliches. Die KGVs dort sind immer noch sehr hoch, das wird noch weiter gehen. Habe daher einen Indien-Index geshortet.

5-Der Nikkei 225 hat in den letzten Jahren IMMER einen Jahreszyklus gehabt: Ende April/Anfang Mai war in den letzten Jahren immer entweder ein Top oder ein Low, und zwar jeweils abwechselnd. In 2006 war es ein Top, Ende April/Anfang Mai 2007 sollte es dann also ein signifikantes Low geben. So, wenn das so ist, dann ist kaum vorstellbar, dass SPX, DAX, etc. in der Zeit nach oben laufen. Also zumindest in diesem Zeitintervall sollte ein Aktien-Bärenmarkt vorherrschen.

Verwirrend ist der Goldpreis in US-Dollars bewertet: Er ist viel zu sehr gefallen, um längerfristige Inflation und eine Krise an den Finanzmärkten glaubhaft erscheinen zu lassen. Sicheres US-Tagesgeld bringt aktuell gut 5%, warum dann ein Kursrisiko bei Gold eingehen?

Bärische Anlegerstimmen sagen, dass die Phase der Zinsanhebungen in einiger Zeit (1-3 Monate) ausklingen wird, danach stehen - wegen schwacher und immer schwächer werdender Weltkonjunktur - eher leichte bis mäßige Zinssenkungen ins Haus - und damit eine rasante Abwertung des US-Dollars.

Die US-Notenbank steht dann vor einem unauflöslichen Dilemma: Sie kann alles nur falsch machen, egal, ob sie wegen des fallenden Außenwertes des Dollars die Zinsen wieder anhebt (für US-Wirtschaft + US-Haushalt schlecht) oder mit Rücksicht auf die erlahmende Wirtschaft + den hochverschuldeten US-Haushalt die Zinsen eher niedrig hält (Dollar Crash).

Die gleichen bärischen Stimmen von oben behaupten, dass dann die US-Notenbank wohl zwei Dinge machen wird:

a) Sie wird die Zinsen nur wenig zurücknehmen, evtl gar nicht. Folge: Aktienmärkte fallen weiter.

b) Sie wird immer mehr Dollars drucken, um den hohen Finanzbedarf des US-Haushaltes zu decken, der bei erlahmender Wirtschaft immer weniger Einnahmen hat, der aber bei den dann immer noch unangenehm hohen Schuldzinsen und Militäraufwendungen hohe Ausgaben aufweist. Sie würde damit der fundamental vorhandenen Tendenz zu eher niedrigeren Preisen (wegen Ertragskraftverlust der US-Shopper und einer höheren Sparquote) entgegenstämmen. Sie würde sie entgegengesetzt überlagern mit einer bewußten Inflationspolitik, sprich: Geld drucken. Letzteres würde die Verschuldeten (vor allem: Der US-Haushalt) und US-Sacheigentumsbesitzer (Die Reichen) entlasten und den vielen kleinen Geldbesitzern mit ihren Ersparnissen schaden. Das paßt genau zu meinem Weltbild hinsichtlich der Politik, die ich einer US-Regierung unter Bush zutrauen würde.

Folge: Künstliche Inflation bei fundamentalen Deflationstendenzen. So etwas funktioniert imo nur vorübergehend, dieser billige Trick der US-Notenbank schreit doch nach einer "Auflösung".

Offene Frage: Was macht dann Gold (in US-Dollars bewertet)? Gegenwärtig sieht es so aus, als ob die Deflationsseite gewinnen würde, Bernanke würde demnach seinen Kampf gegen die Windmühlen verlieren.

Ich bin gespannt, wie Prechter in seinem Buch die angeblich künftige Deflation ableitet, die ja sehr niedrige Zinsen impliziert. Nach meiner eigenen Logik ist Deflation in den USA nur um den Preis eines beängstigenden Dollar-Crash's zu haben, der Auswirkungen haben würde, die ich mir gar nicht vorstellen kann. Wer Deflation nicht will und gleichzeitig die Interessen der Reichen berücksichtigen will, der muss offenbar sozial ungerecht agieren: Geld drucken und damit die Inflation künstlich hoch halten, zu Lasten der Sparer, zu Gunsten des US-Regierungshaushaltes und anderer großer Schuldner. Das unterhölt aber das öffentliche Vertrauen an all diejenigen, die politische Ämter innehaben, die ja zum Wohle des ganzen Volkes agieren sollen. Dazu zählt auch der US-Notenbankchef. Wie gesagt: Bernanke kann es jetzt nur falsch machen.

Geändert von Benjamin (23-06-2006 um 09:49 Uhr)
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