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Alt 05-06-2006, 20:08   #5
Benjamin
TBB Family
 
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Beiträge: 10.374
Hallo Karl,
tja, ob long, ob short, das Geld ist fort ....
... wenn man keinen Plan hat über die weitere Entwicklung.

Die wirklich relevante Frage lautet imo nicht, was ich als beliebiges Sandkorn im Universum zufälligerweise Long im Depot habe, sondern sie lautet: In welcher Börsen-Phase befinden wir uns derzeit? Wenn man das einigermaßen richtig beurteilen kann, dann kann man sich alle Kandidaten für Long und Short selbst ableiten.

Ich meine, dass wir
1) in einer gerade begonnenen Stagflation leben, die mindestens bis April/Mai 2007 andauern wird (hinsichtlich der westlichen Aktienindices vergleichbar dem Aktientop im Januar 2000; jetzt nur das niedrigere Top einer mehr als 3-jährigen Korrekturwelle seit März 2003),
und
2) etwa April/Mai 2007 einen Angriffskrieg der USA (unterstützt von einer "Koalition der Willigen") auf Iran sehen werden.


Meine Einschätzung in dieser Hinsicht ist eine Minderheitenmeinung. Goldman Sachs hat letzte Woche 617 professionelle Marktteilnehmer (Hedge-Fond-Manager, Händler, Analysten und institutionelle Investoren) befragt. Gut 70% von denen erwarten, dass die gesehene Korrektur an den Aktienmärkten in 6 Monaten überstanden ist (=Kurse vom 10. Mai wieder erreicht). 80% von denen schätzen europäische Aktien derzeit als attraktiv bewertet ein. (Quelle: FAZ vom 3. Juni, Seite 19)


Zuerst eine allgemeine Definition + Erläuterungen betr. Stagflation, dann meine daraus abgeleiteten Long-Kandidaten.

Definition (kopiert aus Web-Quellen):
Die Stagflation ist eine jüngere Wortschöpfung, die aus den Worten Stagnation und Inflation zusammengesetzt wurde. Sie beschreibt den Zustand einer volkswirtschaftlichen Periode, in der das Wirtschaftswachstum geringfügig steigt oder sogar zurückgeht (Rezession). Zeitgleich steigt jedoch das allgemeine Verbraucher-Preisniveau.
Stagflation ist also das gleichzeitige Auftreten von Inflation einerseits und abnehmende Konjunktur (Rezession und hohe Arbeitslosigkeit) andererseits.

Auslöser von Stagflation:
- staatliche expansive, aber ergebnislose Konjunkturpolitik,
- Monopole und Oligopole wie in der Mineralölindustrie
- Lohnerhöhungen trotz Arbeitslosigkeit und ohne entsprechenden Produktivitätszuwachs.

Man argumentiert im Monetarismus, dass Inflation eher durch die Überversorgung mit Geld (also der verfügbaren Geldmenge) ausgelöst und nicht durch die Nachfrage beeinflusst werde. Das bedeutet, dass es zu einer Inflation kommen könne, wenn bei hoher Arbeitslosigkeit der Staat, d.h. heute in der Regel die Zentralbank, die Geldmenge erhöht. Wenn die Geldmenge erhöht wird, so steigt in der Volkswirtschaft das Umsatzvolumen. Dieses höhere Umsatzvolumen besteht aus einem Preiseffekt und einem Mengeneffekt. Gibt es in der Volkswirtschaft kurzfristig freie Kapazitäten, so kann es einen deutlichen Mengeneffekt geben, so dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Gibt es aber keine freien Kapazitäten, so steigt lediglich das Preisniveau, es kommt also zur Stagflation.

Stagflation: A condition of slow economic growth and relatively high unemployment - a time of stagnation - accompanied by a rise in prices, or inflation.
Stagflation occurs when the economy isn't growing but prices are, which is not a good situation for a country to be in. This happened to a great extent during the 1970s, when world oil prices rose dramatically, fueling sharp inflation in developed countries. For these countries, including the U.S., stagnation increased the inflationary effects.

Stagflation occurred in the economies of the United Kingdom in the 1960s and 1970s and the United States in the Nixon administration of the early 1970s as reported by various news and financial sites. The difficulty in fitting its existence within a Keynesian framework led to a greater acceptance of monetarist theories in the 1970s and 1980s. The pendulum has, to some extent, swung back in the other direction as monetarism had increasing difficulty predicting the demand for money and the long period of low inflation and high employment of the 1990s - a kind of reverse of stagflation.

As of 2004 and 2005, global stagflation may be making a comeback with the price of oil over $50 a barrel, the US government slowly increasing interest rates, and employment rates stagnant. Monetarists and Keynesian economics continue to have difficulty explaining the phenomena.
In 2006 the increase in energy costs, declines in both profitability and production of US major domestic industrial producers, such as the automobile and high-tech sectors, the increased reliance on imports manufactured by holders of US debt (not the case in the 1970s), uncertainty over "value" in stock markets, and the retirement of senior economists with experience in handling stagflation suggests North America is entering a period of complex economic uncertainty which differs from the stagflation of the 1970s. The impact of this in areas such as pensions for baby boomers will have tremendous political impact.

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Meine Einschätzung der mittelfristigen Merkmale der gerade begonnenen Stagflation, in der es kurzfristige Gegenbewegungen/Korrekturen gibt (Mittelfristig: Auf Sicht 1 Jahr; kurzfristig: Tage, Wochen):
- Anleihen-Renditen steigen (10- und 30-jährige)
- Aktienindices fallen
- Öl steigt
- Natural Gas (Henry Hub) steigt
- Uran steigt
- US-Dollar wertet ab
- Euro wertet auf
- Hochzinswährungen (Türk. Lira!) werten ab - trotz sehr hoher Zinsdifferenz!!!
- Edelmetalle steigen

Ein Stagflationsdepot enthält also - in der jeweils aktuell angepaßten Gewichtung - diese Werte:
- Longs auf EUR/USD
- Evtl. Longs auf Hochzinswährungen wie EUR/Türkische Lira (nur kürzere Trades, da auf der falschen Zins-Seite gegen eine hohe Zinsdifferenz!)
- Shorts auf 10- und 30-jährige Anleihefutures
- Währungsgesicherte Longs auf Gold und Silber
- Einige ausgewählte Uran-Minenaktien
- Öl-Longs (JETZT einsteigen für Mittelfrist-Trade!)
- Natural Gas (Henry Hub) - Longs
- Shorts auf zinsreagible Werte wie Banken, Versicherer, Versorger, Autohersteller, Automobil-Zulieferer
- Ausgewählte Longs auf US-Amerikanische Rüstungswerte (nur als Beimischung für Zyniker!)
- Ausgewählte Aktien von Unternehmen, die mit einem immer kaufkräftigeren Euro billige Rohprodukte im €-Ausland einkaufen, die hier in Euroland wertschöpfend verarbeiten und auch hier im Euroraum verkaufen können, weil sie vergleichsweise billig sind (also keinen Investitionscharakter besitzen) und daher alltagstgebräuchlich; z. B. Schokoladenhersteller (ich meine, vor einer Weile ein konkretes Beispiel im Kakao-Thread gepostet zu haben).

Man wird zu keinem Zeitpunkt alles gleichzeitig davon haben sollen, da nicht alles gleichzeitig und gleichartig sich in der auf Jahressicht erwarteten Richtung entwickeln wird. Teile werden immer kurzfristig auch in Gegenrichtung marschieren. Das kann und muss man als aktiver Anleger, der in Hebelprodukte investiert, durch Umschichtungen berücksichtigen. Aber das ist nicht so schwer, wenn man eine "Road-Map" besitzt, nie gegen den hier beschriebenen Trend traded und seine Trading-Fähigkeiten bei der Wahl des richtigen Hebelproduktes nicht überschätzt. Je länger die vorgesehene Haltedauer sein soll, um so niedriger sollte der Hebel sein, wenn man nicht jeden Tag hinschauen kann oder will.

Geändert von Benjamin (05-06-2006 um 21:58 Uhr)
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