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Alt 03-02-2009, 18:46   #3
Benjamin
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Fortsetzung:

Besonders hässlich ist es für den Landwirt. Der zusehen muss, wie die fruchtbare Ackerkrume vom Feld geschwemmt wird. Die Bauern in Brandenburg aber auch in der Uckermark werden sich wohl umstellen müssen, wenn die Sommer immer heißer werden und der Regen nur selten, dafür aber heftig kommt. Was bleibt, rechnet Andreas Troge vor:

Wir haben in der Uckermark damit zu rechen, dass die sommerlichen Niederschläge ab 2070 um 50-60 Prozent zurück gehen werden. Das wird sich auf die Grundwasserversorgung auswirken, wir werden dafür sorgen müssen, dass sich der Abfluss vermindert.

Die empfohlene Anpassungsstrategie des Umweltbundesamtes lautet in kurzen Stichworten:

"Veränderung der Aussaattermine, Anbau widerstandsfähiger und standortgerechter Sorten mit einer hohen Klimatoleranz sowie einer geringen Anfälligkeit gegenüber Schädlingsbefall, Wahl geeigneter Fruchtfolgen, bodenschonende und wassersparende Bewirtschaftungsformen, räumliche und zeitliche Anpassung der Düngung."

Die Landwirtschaft kann sich aber nach Schätzungen vieler Klimaexperten noch relativ gut an die neuen Bedingungen anpassen. Denn die Auswahl an Getreide und Fruchtsorten ist umfangreich. Umweltschützer werden es sogar begrüßen, wenn der steigende Wasserstress zum Beispiel den Maisanbau verhindert, denn unter dem düngeintensiven Getreide leidet das Grundwasser und die Bodengüte. Der Landwirtschaft kommt auch noch eine relativ kurze Umtriebszeit zu Gute. Soll heißen, wenn eine Sorte der Dürre zum Opfer fällt, besteht im darauffolgenden Jahr die nächste Chance mit einer anderen Aussaat. Das gilt für die Forstwirtschaft nicht: Prof. Andreas Troge, Präsident Umweltbundesamt:

Das muss man klar sehen, weil sie lange Umtriebszeiten haben. Denn die Bäume, die sie heute pflanzen stehen noch in 30 bis 50 Jahren. Das bedeutet, dass wir heute schon entscheiden müssen, welche Bestockung wir in den Forsten machen wollen. Da sind wir heute schon im intensiven Austausch und da passiert auch einiges.

So ein Baum hält ja der Dürre generell länger stand, als eine Pflanze ohne Holzanteil, denn im Stamm lassen sich mehr Reserven speichern, als im Halm oder Stiel, aber schon zwei sehr trockene Sommer hintereinander machen auch die Buche mürbe und die Kiefer erst recht: Prof. Andreas Troge, Präsident Umweltbundesamt:

Wir brauchen trockenresistente Bestände, Sorten, die länger Hitze aushalten, wenn ich an Brandenburg denke, da haben wir Sandböden, da geht das Wasser sehr schnell durch. Wir müssen uns um Kiefern und Fichten Sorgen machen.

Und zwar nicht nur im Forst, sondern auch im Wald. Denn auch wenn der Baum hier nicht in Monokultur steht, bei dauerhaftem Hitzstress werden Buchen, Eichen, Kiefern oder Lärchen auch im Mischwald anfällig für Schädlinge. Zusätzlich steigt bei trockener Hitze auch noch die Waldbrandgefahr. Doch der Klimawandel hat auch Vorzüge, vielleicht nicht in der Ebene, aber auf dem Berg, zumindest auf dem Weinberg: Manfred Stock:

Wir sehen den Wechsel von Weiß- auf Rotwein, der ja mehr Wärme braucht, aber auch mehr Erträge bringt.

Und in Deutschland zusehends an Qualität gewinnt. Der Klimawandel als Chance? Vielleicht in einigen Bereichen, aber in vielerlei Hinsicht wird die globale Erwärmung wohl eher zur Herausforderung, auch zur gesundheitlichen. Andreas Troge:

Wir werden damit rechnen müssen, dass Viren und Bakterien, die bislang nicht in großen Populationen in Deutschland überlebten, jetzt überleben. Die Zecke, mit der Gefahr das die Hirnhautentzündung übertragen wird, ist ja jetzt ganzjährig aktiv. Das ist kein einmal Ereignis, sondern die Zecke hat sich über Deutschland ausgebreitet als Wirtstier für diese Mikroorganismen.

Milde Winter und Feuchtigkeit im Frühjahr sind aber nicht nur für die Verbreitung der Zecke ideal, sondern auch für andere stechende und saugende Wirtstiere. Die Malariaübertragende Anophelesmücke ist schon häufiger in der Norddeutschen Tiefebene aufgefallen. Die Tigermücke - eine tropische Plage - überlebt inzwischen in Deutschland, sie kann das Denguefieber übertragen. Aber auch die schon heimischen Krankheitserreger haben es in schwül-heißer Atmosphäre leichter, wie zum Beispiel die Salmonellen-Erreger. Doch nicht nur die Infektionskrankheiten werden uns zu schaffen machen, es ist auch die Hitze selbst: Prof. Andreas Troge, Präsident Umweltbundesamt:

Was können wir eigentlich machen, wenn wir sehen, dass eine Erwärmung mit längeren Hitzeperioden im Sommer und eine ältere in der Regel kreislaufschwächere Bevölkerung zusammentreffen? Die Wohnungen besser dämmen, denn was im Winter vor Kälte schützt, hilft auch gegen Hitze, die Wohnung kann dann kühles Rückzuggebiet im Sommer sein.

Auch auf die Städtebauer warten in dem Zusammenhang neue Herausforderungen, denn damit der Asphalt im Sommer nicht schmilzt, muss wieder mehr Grün in die Städte; Beschattung und frische Luft zum Schutz gegen wochenlange Hitze. Wie lebensbedrohlich der Hitzestress für die Bevölkerung werden kann, zeigte der Sommer 2003: Der Hitzewelle fielen in ganz Europa rund 35. 000 Menschen zum Opfer. Die meisten Toten gab es in Paris, in der Zeit der großen Ferien: Die meisten Ärzte waren im Urlaub, viele alte Menschen waren auf sich gestellt und auch in den Pflegeheimen wurde nicht darauf geachtet, dass die Leute ausreichend Wasser trinken. Nach diesem verheerenden Sommer wurden in allen europäischen Staaten Informationssysteme aufgebaut. Die Anpassungsstrategie des Umweltbundesamtes:

Vermehrte Aufklärung der Bevölkerung sowie des medizinischen Fach- und Pflegepersonals, Einführung von Frühwarnsystemen mit konkretisierten Verhaltensregeln.

Das installierte Frühwarnsystem hat funktioniert, 2006 waren die Temperaturen ähnlich hoch wie 2003, aber es gab keine Hitzetoten. Unter der Federführung des deutschen Wetterdienstes wurden ca. 5000 Mails an Krankenhäuser, Pflegeheime und in die Redaktionen geschickt. Doch es gibt noch andere Methoden vor den Folgen des Klimawandels zu warnen. Zumal es auch noch andere Auswirkungen als akute Hitzewellen gibt - wie drohende Überschwemmungen, Orkane oder Dürrephasen. Wer also überlegt ein Windrad aufzustellen, ein Haus am See zu kaufen oder einen Maisacker zu bestellen, sollte einen Blick in die Klimaprognose der jeweiligen Region werfen: Manfred Stock vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung:

Bei den Landesumweltämtern sind schon Karten vorhanden oder in der Entwicklung. Dann haben wir ein Kompetenzzentrum beim Umweltbundesamt "KomPass" genannt, da sind Daten verfügbar.

Das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung beim Umweltbundesamt kurz KomPass, bricht die bisherigen Ergebnisse der Klimaforschung allgemein verständlich runter. Risiken und Chancen werden gegeneinander abgewogen, es gibt Empfehlungen für mögliche Anpassungsmaßnahmen und auch die Kosten werden berücksichtigt. Informationen werden also bereit gestellt, Gelder für die betroffenen Regionen aber noch nicht.
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