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Alt 30-04-2004, 13:02   #3
Switch
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Vermögens-Bubble, Inflation und steigende Zinsen

Das war zu viel für die ohnehin angeschlagenen Bullen. Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist im ersten Quartal nur um 4,2 Prozent angewachsen nach 4,1 Prozent im Schlussquartal 2003. Erwartet wurden 5 Prozent. Der Preisindex für den persönlichen Verbrauch (PCE-price Index) sprang um 3,2 Prozent nach oben. Im vierten Quartal war er um 1, davor um 1,8 Prozent gestiegen. Der Chain Deflator hat nach erster Schätzung um 2,5 Prozent zugelegt. Erwartet wurden 2, nach zuvor 1,5 Prozent.

Hier tut sich jetzt genau die Schere auf, die für die Konjunkturerholung bedrohlich wird: Das Wachstum erreicht seinen Scheitelpunkt, die Inflation nagt daran ebenso wie steigende Zinsen. Das ist zunächst „volkswirtschaftlicher Alltag“.

Das Bedrohliche der aktuellen Situation liegt aber darin, dass die wirtschaftliche Erholung im wesentlichen getragen wurde durch eine Inflationierung der Vermögenswerte, insbesondere der Immobilienpreise. Die darauf abgestützte Verschuldung stimulierte den privaten Verbrauch, die Inflation der Vermögenspreise pflanzt sich nun in die (Real)-Wirtschaft fort - der Preisanstieg ist keine Folge „gesunden“, „organischen“ wirtschaftlichen Wachstums.

Die berechtigte Angst der Marktteilnehmer zielt darauf ab, dass sich dieser Transmissionsmechanismus umkehrt: Steigende Inflation dreht über steigende Kapitalmarktzinsen den Verbrauchern den Hahn zu. Zusätzlicher Treibstoff für diesen Prozess liegt einerseits in der negativen Sparquote der US-Verbraucher, andererseits in einer Deflation bei den zuvor aufgeblähten Vermögenspreisen. Steigende Zinslast führt zu Hausverkäufen, das drückt auf die Preise, das führt zu einer Unterdeckung bei der Hypothekenbesicherung, was den Verkaufsdruck weiter erhöht. Am Ende bricht der Konsum ein und aus der angelaufenen Inflation wird Deflation. Dies dürfte der eigentliche Gehalt der Angst vor einer Erhöhung der Leitzinsen sein.

Dieser Prozess steckt zwar noch in seinen Anfängen, aber mangels besserer Nachrichten nahmen die Marktteilnehmer gestern weiteres Geld vom Tisch. Daran änderten auch die Arbeitsmarktdaten nichts. Die Zahl der Erstanträge ist auf 338.000 zurückgegangen, etwas stärker als erwartet. (Man kann es auch anders herum sehen: Eine spürbare Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt erhöht die Inflationsgefahr weiter. Gute Nachrichten – schlechte Nachrichten)

Der Phlx Housing Sector Index schloss gestern wie auch der Dow klar unterhalb der 100-Tage-Linie. Der S&P 500 konnte sich zu Handelsschluss gerade noch darauf abstützen, der NDX beendete den Handel deutlich darunter. Der DAX hielt sich zwar noch klar oberhalb, dürfte aber dieser wichtigen dynamischen Marke bei aktuell 3935 nun heute morgen näher treten. Mit dieser Linie sind die ersten Anlaufziele einer Korrektur in vielen Indices erreicht.

Die Märkte werden nun versuchen, sich hier zu stabilisieren. Wie groß sind die Chancen hierzu? Der VIX hat durchaus noch Luft bis zur wichtigen Marke bei rund 18, der TRIN-Index ist im Verlauf des gestrigen Handels keineswegs heiß gelaufen. Beides legt nahe, dass das Potenzial für eine deutliche Gegenbewegung noch nicht groß genug ist. Daher halte ich es für wahrscheinlicher, dass sich die temporäre Schwäche zunächst fortsetzt.

Die Prognosen der http://www.timepatternanalysis.de/ bleiben bei ihren zuletzt generierten Short-Signalen. Mittels der türkisen Linienzüge in den Charts wird weiteres kurzfristiges Abwärtspotenzial angezeigt. Bei Euro-Dollar und den Renditen der 10-jährigen sind zuletzt generierte Umkehrsignale weiterhin aktiv. Öl zeigt sich weiterhin sehr stark.

Die Rohstoffpreise –Öl ausgenommen- bewegen sich auf dem absteigenden Ast. Ich hatte diese Möglichkeit bereits vor einigen Tagen diskutiert und vermutet, einer der Auslöser könnte China sein. Die chinesische Regierung will deutliche Maßnahmen ergreifen, die drohende wirtschaftliche Überhitzung im eigenen Land von zuletzt 9,7 Prozent Zuwachs einzudämmen. Davon sind natürlich alle industriell genutzten Rohstoffe und damit die Metalle besonders betroffen. Mag sein, dass die Märkte hieraus in den nächsten Tagen Hoffnung auf eine Verlangsamung des Preisauftriebs in den USA saugen.

Brian Reading von Lombard Street Research glaubt, dass sich die Politik des billigen Geldes und der Staatsverschuldung in den USA bald rächen. Monetäre Impulse hätten der Wirtschaft einen Kick gegeben, aber die zugrunde liegenden Probleme nur aufgeschoben, nicht gelöst. Das Problem sei jetzt wie bei jedem Junky: Wie wird er „clean“? Die Fed versuche es zwar wie 1994 mit Hinweisen auf eine Erhöhung der Leitzinsen. Das sei aber schon damals gescheitert. Wenn die aufgeblähte Vermögens-Bubble platzt, statt kontrolliert Luft abzulassen, würden die Finanzmärkte sehr heftig reagieren. Zudem sei ein Wirtschaftskollaps in China möglich. Das Land sei überinvestiert. Wenn beides zusammen kommt, könnte es 2005 eine weltweite Rezession geben, warnt Reading.
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Grüsse Switch

„Es ist oft produktiver, einen Tag lang über sein Geld nachzudenken, als einen ganzen Monat für Geld zu arbeiten.“ (Heinz Brestel, dt. Finanzpublizist)
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