Thema: Opec
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Alt 31-05-2004, 14:16   #17
saida
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Kaum ein Thema erregte die Bürger in den letzten Tagen so sehr wie der hohe Benzinpreis - und das weltweit. In Deutschland und den USA stieg er in den vergangenen Wochen auf historische Höchstmarken. Doch kaum gingen die Preise etwas zurück und die Diskussionen ließen nach, gibt es neue Hiobsbotschaften. Wie der gestrigen Ausgabe der Welt am Sonntag zu entnehmen ist, befürchten Experten jetzt, dass der Preis pro Liter Normalbenzin auf 1,30 Euro steigen könnte. Die Gründe dafür werden ebenfalls geliefert: Die jüngsten Terrorwarnungen aus den USA dürften für einen Anstieg um rund zehn Prozent sorgen, so die Befürchtung einiger Marktexperten.

Diese Entwicklung könnte dafür sorgen, dass die zarte Pflanze der wirtschaftlichen Erholung – gerade in Deutschland – wieder schnell vertrocknet. Doch rational betrachtet, sind diese Ängste erst einmal übertrieben. Nach bisherigen Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bremst ein dauerhafter Ölpreisanstieg um 10 US-Dollar pro Barrel das Wirtschaftswachstum in der industrialisierten Welt in den kommenden zwei Jahren um etwa 0,5 Prozentpunkte. Von daher ist die jetzige zum Teil panikartige Situation kaum verständlich. Zumindest nicht in den Industrienationen jenseits von Deutschland.

In Deutschland gelten aber andere Regeln. Mit einem Malus von einem halben Prozent würde eine Rückkehr in die Rezession erfolgen. Die bisherigen Untersuchungen lassen sich kaum anwenden, da bislang ein "Ölpreisschock" am Ende einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung zu betrachten war. Zusätzlich ist das Konsumklima stark eingetrübt. Immerhin konnte die vorgezogene Steuerreform den Abwärtstrend des privaten Konsums stoppen. Doch eine neue Erhöhung der Benzinpreise dürfte dafür sorgen, dass diese wirtschaftliche Kennziffer einmal mehr den Rückwärtsgang einlegt. Betroffen wären dann nicht nur die Tankstellen, vielmehr würde auch der Einzelhandel als Erstes unter dieser Entwicklung zu leiden haben.

Doch auch die Exportwirtschaft dürfte – bei einem anhaltend hohen Preis des "schwarzen Goldes" – schon bald Gegenwind zu spüren bekommen. Denn die China-Phantasie, die auch in den Ausfuhrzahlen begründet waren, könnte schon bald zum Erliegen kommen. China ist noch empfindlicher gegenüber der Ölpreisentwicklung, zusätzlich dürfte im Reich der Mitte dann eine Zinsanhebung erfolgen, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft gewährleistet ist. Der zu befürchtende Wachstumseinbruch in der asiatischen Region hätte negative Folgen für die deutsche Exportwirtschaft.

Die Europäische Zentralbank wird– sollte sich die Performance des Öls weiter fortsetzen - eine schwierige Entscheidung haben. Um den Konsum wieder auf Touren zu bringen, das Realeinkommen der Bürger fällt durch die Mehrausgaben an den Tankstellen bekanntlich in diesem Zusammenhang, müssten die Zinsen gesenkt werden. Auf der anderen Seite sprechen dann die Inflationszahlen eher für eine Zinsanhebung. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Inflationsängste eher zu einer Anhebung führen. Dies belegen die Erfahrungen nach dem Ölpreisanstieg vor rund fünf Jahren, als die Inflation trotz deutlicher Zinserhöhungen über mehrere Jahre hartnäckig über der selbst gesetzten Zwei-Prozent-Marke verharrte. In den letzten Tagen meldeten sich schon einige Experten vorsichtig zu Wort und bemerkten, dass die deutlich gestiegene Inflation in der Euro-Zone den Spielraum der EZB für eine weitere Zinssenkung einenge. Die Meldung des Ölexporteurs Saudi-Arabien, nachdem die staatlichen Energiegesellschaft Saudi Aramco eine Ausweitung seiner Förderkapazität anstrebt, gehört schon längst der Vergangenheit an. Optimisten haben jedoch die Hoffnung, dass sich die Ölminister der OPEC-Mitgliedsstaaten am 3. Juni in Beirut für eine Änderung ihrer künftigen Förder- und Exportpolitik entscheiden.

Doch bis zu diesem Zeitpunkt werden die Emotionen den Preis bestimmen. Sollte es zu einem Terroranschlag in den USA kommen, wie es zur Zeit zu befürchten ist, dürften neue Rekordniveaus beim Öl erreicht werden. In diesem Fall würde dann auch als Folge eine weltweite Rezession zu befürchten sein.

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