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Alt 12-12-2006, 21:54   #11
Auf Wunsch gelöscht
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Echtes Erstaunen? In Berlin bleibt es aus. Anders als in Israel gibt es in Deutschland vorwiegend Stellungnahmen Marke "haben wir doch sowieso gewusst". Israel eine Atommacht? Ehud Olmert, der Regierungschef aus Jerusalem, hat das zum Start seines ersten Deutschlandbesuchs in einem Interview erstmals recht direkt bestätigt. In Berlin interessiert danach nur die Frage, ob die Äußerung Absicht oder Versehen war.

Nach Mehrheitsmeinung der deutschen Außenpolitiker hat Olmert sich schlicht verplappert, als er beim Versuch, eine Frage zum iranischen Atomprogramm abzuschmettern, aus Versehen ganz offen Israel in die Riege der Atommächte einreihte. Relativ brachial eben, wie er nun mal sei. Ein Freund klarer Worte, und seien sie allzu klar. Dazu passt, dass Olmert im Vorfeld der Visite die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als "fantastisch" lobte - und die Syrienreise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einen "Fehler" nannte.

Steinmeiers Reise war mit Merkel abgestimmt, was die Kanzlerin ("den Versuch war es wert") am Tag des Olmert-Besuchs durch ein Bekenntnis zur Einbeziehung Syriens in den Nahost-Friedensprozess bestätigt. Gegenüber dem Außenminister hatte Olmert die Kritik intern vor dessen Reiseantritt geäußert. Warum noch einmal öffentlich? Und warum rügte Olmert vor dem Besuch, dass die Deutschen gegenüber dem Iran aus Wirtschaftsinteresse nicht hart genug seien? Dieser Gast sei nun mal robust, aber herzlich, spielen die Berliner den Dissens herunter. Man kann es auch so sagen: Einen israelischen Staatsgast kritisiert man nicht. Erst recht nicht, wenn man ihn bald sehr brauchen wird. Denn die Berliner wollen nahostpolitisch aktiver werden, wenn sie in EU und G 8 die Präsidentschaft haben.

Als Olmert am Nachmittag zur Pressebegegnung neben der "fantastischen" Kanzlerin steht, gibt er sich redlich Mühe, diplomatisch zu erscheinen. Und Merkel merkt man an, dass die Deutschen im israelischen Premier die wichtigste Schlüsselfigur für neue Friedensvorstöße sehen. Denn nur, wenn Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bald einen neuen Gesprächsfaden finden, so die Berliner Diplomatenleseart, wird es Chancen für einen neuen Friedensanlauf geben.

"Vertrauensvoll und in großer Offenheit" sei der deutsch-israelische Gesprächskontakt, sagt Merkel - und gibt gleich ein braves Signal: Olmert habe ein "wirkliches Interesse" an Annäherung in Nahost. Berlin sei "in besonderer Sorge" wegen des Iran, und die Signale aus Syrien seien "alles andere als optimistisch" zu bewerten. Der Gast revanchiert sich mit Lob für die Ernsthaftigkeit der deutschen Diplomatie und verspricht "außergewöhnliche Anstrengungen" für einen neuen Dialog mit den Palästinensern.

Spielräume ausloten

Nichts Konkretes also - aber das ist auch nicht zu erwarten. All die internationalen Kontakte Merkels im Vorfeld der EU-Präsidentschaft dienen zunächst noch dem Ausloten künftiger Spielräume. Und die israelischen Atomwaffen? Von Kanzlerin und Olmert zunächst kein Wort. Die Journalisten müssen die Frage aufwerfen. Und Olmert setzt einen nachdenklichen Blick auf, als er eine bekannte Position wiederholt: Die Israelis würden "nicht die Ersten sein, die Atomwaffen im Nahen Osten einführen". Aber das bedeutet: Vorhanden sind sie.

In Wahrheit waren die Europäer bislang eher froh als besorgt wegen ihres offiziellen Nicht-Wissens. Die Deutschen haben auf UN-Ebene jedes Jahr für eine immer neu von Ägypten eingebrachte Resolution gestimmt, in der ein atomwaffenfreier Naher Osten gefordert wird. Und haben hinzugesagt, dass eine friedliche Zukunft natürlich die allseitige Anerkennung des Existenzrechts Israels voraussetze - sowie zusätzlich "vertrauensbildende Maßnahmen" gegenüber Israel. Dabei kann es bleiben, wie auch immer Ehud Olmert in Interviews plaudert.

Quelle: FR Online
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