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Alt 03-02-2009, 18:45   #2
Benjamin
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16.12.2008

Die Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz mitten im Hochwasser (Bild: AP)

Wenn das Wasser kommt
Strategien zur Anpassung an den Klimawandel
Von Britta Fecke


Hochwasser hat es in Köln, Düsseldorf oder Speyer immer gegeben, nur nicht so oft in so relativ kurzer Folge aufeinander. Doch im Zuge des Klimawandels hat sich die Anzahl der extremen Regengüsse in den letzten 120 Jahren verdoppelt. Deshalb muss eine vorausschauende Klimapolitik auch Maßnahmen zur Anpassung an die jetzt schon sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels beinhalten.

Vom Ufer aus gesehen scheint der Rhein ein ruhiger, breiter Strom, doch wer auf einer Brücke steht und an einem Pfeiler herunterblickt, der sieht wie schnell der Rhein wirklich fließt, wie zügig das Wasser vor dem Brückenpfeiler auseinander geht und hinter ihm wieder zusammen kommt. Wer in der direkten Nachbarschaft des Rheins wohnt, der weiß erst recht wie schnell das Wasser geht und kommt, mindestens einmal im Jahr wird er daran erinnert: Bei Hochwasser! Wenn in Köln innerhalb kürzester Zeit die Uferstraßen, wassernahe Wohngebiete und manchmal auch die Altstadt unter Wasser stehen. Doch noch ist der Fluss in seinem Bett. Noch! betont Reinhard Vogt, Leiter der Hochwasserschutzzentrale der Stadt Köln

Richtig entspannt ist man trotzdem nie, weil sich in letzter Zeit die Hochwässer sehr schnell entwickeln, auch ganz schnell von 1,50 m auf 8,0 m gehen, dann haben wir schon richtig Hochwasser und das innerhalb von zwei Tagen.

Hochwasser hat es in Köln, Düsseldorf oder Speyer immer gegeben, nur nicht so oft in so relativ kurzer Folge aufeinander. Doch im Zuge des Klimawandels hat sich die Anzahl der extremen Regengüsse in den letzten 120 Jahren verdoppelt. In dieser Zeit hat sich die globale Jahresmitteltemperatur um knapp ein Grad erwärmt. Und dieses eine Grad reicht aus, um den Kreislauf von Niederschlag und Verdunstung zu intensivieren, denn warme Luft nimmt mehr Wasser auf als kalte; dadurch entstehen mehr Wolken, aus denen öfter Regen fällt.

Außerdem lässt warme Luft das Eis schmelzen. Das Wasser der abtauenden Gletscher fließt dann noch zusätzlich ins System. Wolkenbrüche, Starkregen und Hochwasser sind die Folgen, zumindest in unseren gemäßigten Breiten. Reinhard Vogt schaut rheinaufwärts:

Wir haben unsere typischen Hochwassermonate, aber das hat sich teilweise auch verschoben. Eigentlich haben wir viel mehr Starkregenereignisse auch im Frühjahr, und da die Gletscherschmelze zeitiger beginnt, kommt jetzt schon im April, Mai das Schmelzwasser von den Alpen mit den Starkniederschlägen zusammen und so nimmt auch die Hochwassergefahr zu.

Deshalb beinhaltet eine vorausschauende Klimapolitik nicht mehr nur Maßnahmen, um die Treibhausgas-Emissionen zu mindern, sondern auch Maßnahmen zur Anpassung an die jetzt schon sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels. Morgen diskutiert deshalb das Kabinett über den Entwurf einer Deutschen Anpassungsstrategie. Wie wird sich der Klimawandel in bestimmten Regionen auswirken? Welche Bereiche von der Landwirtschaft bis zur Schifffahrt sind betroffen? Und worauf müssen wir uns einstellen? Prof. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamt:

Höherer Niederschläge möglicherweise noch in relativ kurzer Zeit im Winter bedeuten höhere Wasserabflüsse, das bedeutet mehr Erosion, erhöhte Hochwassergefahr. Ein wesentlicher Aspekt ist: Wie wir uns auf erhöhte Hochwassergefahren in den Wintermonaten und in den Mittelgebirgen einstellen?

Als mögliche Anpassungsstrategie rät das Umweltbundesamt:

"Verstärkung der bestehenden Schutzanlagen, Schaffung von Retentionsflächen, hochwasserangepasste Bauweisen und Erhöhung des Bewusstseins in der Bevölkerung über Hochwassergefahren."

Auch im Entwurf zur Deutschen Anpassungsstrategie betonen die Autoren des Umweltbundesamts immer wieder, dass die Gefahren des Klimawandels öffentlicher und die mögliche Vorsorge breiter diskutiert werden müsste, zwischen den Entscheidungsträgern in der Wirtschaft, in der Politik und zwar auf der Bundes- auf der Landes- und der kommunalen Ebene. Andreas Troge:

Deshalb wird die Bundesregierung ja auch diese Anpassungsstrategie vorlegen, um in einen dauerhaften Dialog mit Ländern und Kommunen zu kommen.

Wie zäh dieser Dialog allein auf kommunaler Ebene geführt wird, weiß Reinhard Vogt von der Hochwasserschutzzentrale:

In Köln ist das Riesenproblem schon immer gewesen, dass man sagt: es kütt wie es kütt oder es is noch immer jut jegange!

Das sind natürlich für den Hochwasserschutz nicht die idealen Sprüche!

Schon gar nicht, wenn die Hochwassergefahr mit jedem Jahr steigt. Wie schnell die Städte vollaufen - und die Äcker unter Wasser stehen - hängt aber nicht nur von der Stärke des Niederschlags ab, sondern maßgeblich von den Eigenschaften des Flusses: von seiner Fließgeschwindigkeit und Tiefe. In Deutschland wurden viele große Flüsse wie der Rhein oder die Elbe durch Begradigungsmaßnahen verkürzt, dadurch nahm aber auch die Fließgeschwindigkeit zu. Die alten Auwälder und Sumpfgebiete wurden zu Wohn- oder Gewerbegebieten und damit wurden auch noch die ehemaligen Überschwemmungsflächen versiegelt. Auch in Köln wurde zu nah am Wasser gebaut. Zum Beispiel im Auenviertel, wie der Name schon sagt, steht das Gebiet zeitweise unter Wasser, für einen Auwald kein Problem, für eine Wohnsiedlung schon:

Ein Wasserstand von acht Metern reichte, um dort fast alles unter Wasser zu setzten, bei 9 Metern waren auch die Straßen im Hinterland überflutet. Wir hatten dort einen vorbildlichen Hochwasserdienst eingerichtet, indem wir die Leute mit Booten versorgten, die Hunde Gassi fuhren mit den Booten, besser waren, als der öffentliche Nahverkehr, weil wir auch nachts mit den Booten fuhren. Die Leute waren eigentlich mit dem Hochwasserschutz zufrieden.

Ein charmanter und sehr kostspieliger Service auf den die Bewohner des Auenviertels in Zukunft wohl verzichten müssen, denn in den letzten Jahren wurden Maßnahmen getroffen, die weitere Überflutungen ausschließen dürften: Bis zu einem Pegelstand von 11,30 Meter bleibt der Vorgarten trocken. Eine Mauer, auf die bei Hochwasser noch eine mobile Wand gesetzt wird, schützt auf einer Länge von 700 Metern das Wohnviertel, zusätzlich wurde ein Hochwasserpumpwerk zum Schutz des Grundwassers eingebaut. Doch damit sind die Hochwasserschutzmaßnahmen in Köln noch lang nicht abgeschlossen, die Stadt hat sich gerüstet. Zu Recht meint Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamts:

Wir erwarten bis zum Ende unseres Jahrhunderts zwischen 2070 und 2100 eine Temperatursteigerung in Deutschland zwischen 1,8 und 2,3 Grad C im Mittel über die gesamte Fläche und zwar im Vergleich zu dem Zeitraum 1960 -90.

Dieser erwartete Temperaturanstieg bewirkt ganzjährig höhere Temperaturen. Das bedeutet, dass Frosttage und damit auch Eis und Schnee deutlich zurückgehen. Im Gegenzug wird die Anzahl der heißen Tage - mit Temperaturen über 30 Grad - im Jahr steigen. In den Nächten sinkt das Thermometer dann kaum unter 20 Grad C. Auch der Jahresniederschlag wird im Zuge des Klimawandels zunehmen, aber nicht gleichmäßig über Deutschland verteilt. Manfred Stock, vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung:

Ganz grob gesagt ist da auch eine Ungerechtigkeit: da wo schon heute viel runter kommt, da kommt noch viel drauf, und da wo es ohnehin schon wenig ist, wird noch was weggenommen. Im Osten wird es weniger Niederschlag. Im Westen gibt es Gebiete mit sehr hohem Niederschlag, da sehen wir einen Trend, dass sich das auch noch verstärkt.

Schon in den letzten 100 Jahren nahmen die Niederschläge in Westdeutschland deutlich zu. Das meiste Wasser kam im Winter runter in allen Aggregatzuständen, mal fest, mal gasförmig, aber meist flüssig. Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Baden-Württemberg prognostizieren, dass die Hochwasserabflüsse in Folge des Klimawandels an fast allen Pegeln des Neckar-Gebiets steigen werden. Bei Mannheim mündet der Neckar dann in den Rhein.

Deshalb hoffen die Anrainer am Unterlauf der Flüsse, dass schon am Oberlauf, in den benachbarten Bundesländern, genügend Überschwemmungsgebiete geschaffen werden, um das überschüssige Wasser abzufangen, und nicht nur die Deiche hochgezogen werden. Auch in Köln denkt man über die Stadtgrenzen hinaus:

Das Hochwasserschutzkonzept ist ganzheitlich angesetzt: Von den Ursachen von Hochwasser beginnend über vorsorgenden Hochwasserschutz das heißt: Niederschlagversickerung, Freihaltung und Entsiedelung, Renaturierung, Bauvorsorge. Zwei Rückhalteräume mitten in Köln, trotz der engen Lage schaffen wir beispielhaft hier Rückhalteräume, die natürlich Forderungen unterstützen, dass auch am Oberrhein Rückhalteräume gebaut werden.

In Köln sind die Hochwasserschutzarbeiten vorerst abgeschlossen. Rund 430 Millionen Euro haben die ober- und unterirdischen Baumaßnahmen gekostet.

Am teuersten waren die, die der Bürger gar nicht sieht, die unterirdischen: Der Einbau von Kanalschiebern, sie sollen die Flutwelle aus der Kölner Unterwelt halten; und die Installation von Pumpwerken, die im Notfall 5m³ Wasser pro Sekunde aus der Kanalisation hieven.

Während die Anrainer im Westen das Wasser fürchten, wirkt sich der Klimawandel im anderen Teil der Republik gegenteilig aus. Andreas Troge vom Umweltbundesamt:

Das bedeute für die Elbe, die schon jetzt ein Niedrigwasserrisiko hat, dass sie immer weniger zuverlässig zur Schifffahrtsstraße wird. Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat ja für die nächsten Jahrzehnte vorausgesagt, dass immer weniger hinreichender Tiefgang sein wird für größere Containerschiffe.


Schon vor drei Jahren warnten die Wissenschaftler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in ihrem Gutachten: "Klimawandel in Deutschland" vor der geringen Wasserverfügbarkeit vor allem in den Sommermonaten. Bei den stark schwankenden Pegelständen an Elbe und Oder hätten die Frachter nach ihren Berechnungen immer öfter, immer weniger Wasser unterm Kiel. Allerdings geht in diesem Fall der Klimawandel mit der wirtschaftlichen Entwicklung einher, denn durch den Strukturwandel im Osten ist der Güterverkehr zu Wasser ohnehin stark zurück gegangen. Schüttgut und Kohle braucht kaum noch ein Unternehmen an Elbe und Saale. Schlimmer als den Verkehrssektor trifft der Klimawandel dann schon die Land- und Forstwirtschaft: Manfred Stock

Im Osten haben wir ein stärkeres Problem was Dürreperioden angeht. Heißt, dass da zum Ausgleich stärkere kurze Niederschläge kommen, das ist dann für die Erosion sehr hässlich.
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