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Alt 04-04-2003, 12:47   #90
arpad
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Für die 14. Kalenderwoche 2003

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Entscheidung der Europäischen Zentralbank war mehrheitlich erwartet worden. Der Leitzins für den Euro-Raum bleibt unverändert auf dem 3 ½ Jahrestief bei 2,50%. Der Zins blieb so hoch, nicht weil die Notenbank mehr Wachstum in diesem Jahr kommen sieht, sondern weil der Irak-Krieg der EZB keine Chance gibt, die Ereignisse der kommenden Quartale mit einer akzeptablen Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren.

Grundsätzlich ist für 2002 mit niedrigeren Zinsen zu rechnen. Die EZB wird nicht drum herum kommen die Zinsen auf den niedrigsten Stand seit mindestens 1948 zu senken, denn die europäische Wirtschaftsleistung droht in diesem Jahr gänzlich zu stagnieren und im schlechtesten Fall partiell zu schrumpfen.

Zu den Unternehmen:

Die Gerichtsentscheidung gegen Altria schlägt immer höhere Wellen. Bundesrichter Nicholas Byron schockierte vergangene Woche die gesamte Tabakbranche und alle von ihr Abhängigen mit der Entscheidung, daß Philip Morris, die Tochter der Altria Group, eine Strafe in Höhe von 10,1 Mrd. Dollar zahlen soll, da die Kunden von Philip Morris angeblich nicht wußten, daß "light" Zigaretten schädlich sind. Philip Morris hat die Entscheidung abgelehnt und angekündigt, in Berufung zu gehen. Um jedoch in Berufung zu gehen, verlangt Richter Byron als Sicherheitsleistung die Strafe in voller Höhe plus zu erwartender Zinsen in Höhe von 1,9 Mrd. Dollar.

Philip Morris hat bereits angekündigt, daß man in diesem Monat keine Zahlungen an die Bundesstaaten leisten kann, wenn man 12 Mrd. Dollar in Illinois hinterlegen muß. Aus einer früheren außergerichtlichen Einigung der Tabakindustrie mit 49 Bundesstaaten ergeben sich regelmäßige Zahlungen von seiten Philip Morris und anderen Tabakkonzernen. Allein in diesem Monat müßte Philip Morris am 15. April rund 2,5 Mrd. Dollar überweisen. Die Tabakindustrie hatte sich 1998 bereiterklärt, insgesamt 246 Mrd. Dollar über einen Zeitraum von mehreren Dekaden zu zahlen.

Diese Bundesstaaten laufen selbstverständlich Sturm gegen die Entscheidung von Illinois. Sie befürchten, daß ihre fette Milchkuh (=Philip Morris) geschlachtet werden könnte. Hinzu kommt, daß sich diese Bundesstaaten einige dieser zukünftigen Zahlungen von Philip Morris bereits am Anleihenmarkt verbrieft haben und somit in arge Schwierigkeiten geraten würden, wenn ihre "Sicherheit" plötzlich Gläubigerschutz beantragen würde. Diese Anleihen haben in den letzten Tagen teilweise 30% und mehr verloren. Auch die Anleihen von Altria / Philip Morris stehen weiter unter Druck, denn:

Die Legislative in Illinois hat eine Verringerung der Sicherheitsleistung bereits abgelehnt. Philip Morris USA hatte darauf gedrängt, daß die Sicherheitsleistungen um 90% gesenkt werden, wenn sie die Höhe von 1 Mrd. Dollar überschreiten. Theoretisch könnte Philip Morris die 12 Mrd. Dollar mit Ach und Krach zahlen. Das Risiko wäre jedoch, daß ein plötzlicher Liquiditätsabfluß in dieser enormen Höhe die Bonität der Holding und aller ihrer Töchter tief in den Junk Bereich hineindrücken würde. Das wiederum zieht die Konsequenz nach sich, daß zahlreiche preiswerte Finanzierungsinstrumente für Philip Morris nicht mehr zugänglich wären und erhebliche Ausstände sofort fällig würden. Ebenso wahrscheinlich ist, daß die Banken sofort die bestehenden Kreditlinien kündigen und einen neuen Kredit nur mit erheblich strengeren Auflagen und höheren Sicherheiten vergeben würden. Insofern ist der Gedanke, daß Altria ihre Tochter Philip Morris unter Gläubigerschutz stellt, nicht aus der Luft gegriffen.

Wie geht man mit den Anleihen von Altria / Philip Morris um? Wer bereits engagiert ist, sollte sein Risiko begrenzen und die Position halbieren, also einen Teil der Verluste akzeptieren, um später verbilligen zu können, wenn die Gefahr eines Gläubigerschutzes beseitigt ist. Wer noch nicht engagiert, aber interessiert ist, legt sich genügend Bargeld beiseite und wartet die Entwicklung der kommenden Tage und Wochen ab, denn es ist sehr wahrscheinlich, daß die Anleihen noch tiefer fallen, insbesondere wenn die Ratingagenturen die Bonität auf Junk Niveau herabstufen. Wenn Philip Morris jedoch einen Weg aus dieser Misere herausfindet, sind die Anleihen ein Bombengeschäft, denn das Unternehmen ist grundsätzlich, exklusive der Begehrlichkeiten der Anwälte, hochprofitabel und bietet außerordentliche Sicherheit. Im Ergebnis: Philip Morris steht auf der Watchlist und wird gekauft, wenn das Timing stimmt.

Der Ahold Betrugsskandal zieht sich durch die gesamte Branche. Jeder namhafte Zulieferer von Ahold scheint in die Scheinrechnungen-Affäre verstrickt zu sein. Nachdem das Wall Street Journal bereits ConAgra und Sara Lee als Komplizen ausgemacht hatte, bekamen in dieser Woche auch General Mills, Kraft und Heinz einen Brief der US Börsenaufsicht SEC. Diese neuen Erkenntnisse ließen den Anleihenmarkt jedoch kalt, denn das Kind ist nun mal schon in den Brunnen gefallen. Viel gewichtiger wurde folgende Mitteilung des Unternehmens eingestuft:

Ahold zieht sich aus Südamerika zurück, um den Schuldendienst nicht zu gefährden. Insgesamt sollen in Argentinien, Brasilien, Peru und Paraguay 429 Supermärkte verkauft werden. Die Märkte erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 2,34 Mrd. Euro und sollen nun nach Schätzungen von Insidern einen Verkaufserlös von 500 bis 600 Mio. Euro bringen. Es wird jedoch schwierig sein einen Käufer zu finden, der dann auch diesen Preis zahlen wird.

Grundsätzlich ist der Anleihenmarkt aber erleichtert. Allein, daß das neue Management nicht im Chaos versunken ist, sondern konkrete Schritte unternimmt, um die schwierige Situation zu bereinigen, ließ die Kurse der Ahold Anleihen steigen. Meine jüngste Empfehlung aus dem AC 03/03 hat bereits eine Performance von 12,43% bzw. eine theoretische Jahresrendite von 127,84% erreicht und bleibt eine spekulative Kaufempfehlung.

Selbst von Corus waren positive Tendenzen zu hören. Wie die Financial Times berichtete, hat das Management von Corus die im letzten Jahr abgebrochenen Fusionsgespräche mit Cia. Siderurgica Nacional, dem zweitgrößten brasilianischen Stahlkonzern, wieder aufgenommen. Ebenso wurde vorgestern berichtet, daß Corus mit der niederländischen LNM über den Verkauf einiger Stahlwerke verhandelt. Kurz gesagt: Alles, was den Schuldendienst sichert, läßt den Kurs steigen. Ich werde also verbilligen, sobald der Markt die Spekulation aufnimmt und in steigende Kurse umsetzt.


quelle:FM Research
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arpad
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