Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 21-10-2006, 15:20   #1
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Ist das Gewürz Zimt gefährlich?

In der Presse findet man derzeit Berichte über die angebliche Gefahr durch den Inhaltsstoff Cumarin in Zimt.

Mein persönliches Fazit:

Das Ganze ist übertriebenes Gequatsche, solange man zumeist Stangen-Zimt verwendet, den man ja bekanntlich nicht ißt, sondern vor dem Genuss entfernt!
Nur mit Zimtpulver (zumeist 100% Cassia-Zimt aus China, der im Handel billiger ist als der Zimt aus Sri Lanka) sollte man "nicht übertreiben", indem man davon nicht täglich über Wochen und Monate mehr als ca. ein - zwei Fingerhut voll ißt. Aber wer macht schon so etwas? Damit würde alles Essen, was man am Tag ißt, nur noch nach Zimt schmecken, oder? In der realen Welt ist das doch unrealistisch.

Weiter unten einige Fakten, die all diejenigen interessieren sollten, die - wie ich - Zimt gerne das ganze Jahr über - wohldosiert - in verschiedenen Gerichten + im Tee verwenden.

Wer Zimt als "Stange" bez. Rindenstück verwendet, der kann die ganze Debatte getrost vergessen: Der hier als kritisch beschriebene Inhaltsstoff Cumarin ist kaum wasserlöslich; selbst bei SEHR reichlichem Gebrauch von Stangenzimt wird wohl zu wenig in das Essen hinein gelöst. Man nimmt dann nicht genügend Cumarin in sich auf, um gefährdet zu sein. Eine Unterscheidung in "Cylon-Zimt" (dünner, heller, etwas teurer, mit 0,3 g Cumarin/kg Zimt wenig Cumarin) und "China-Zimt" bzw. Cassia-Zimt (dicker, dunkler, als Rinde deutlich erkennbar, etwas billiger, mit 1-4 g Cumarin / kg Zimt etwas mehr Cumarin) erübrigt sich.

Wer Zimt als Pulver nutzt, der wird zumeist China-Zimt erwischen - weil es billiger ist und sehr ähnlich dem Ceylon-Zimt schmeckt. Selbst Bio-Läden haben wohl nur 50 : 50 Mischungen als Zimt-Pulver erhältlich.

Durchschnittliche Erwachsene (70 kg) können rund 2,8 g China-Zimt bzw. Cassia-Zimt jeden Tag ihres Lebens als Pulver essen, ohne Schaden zu nehmen. Verwenden sie Ceylon-Zimt als Pulver, können sie davon rund 23 Gramm jeden Tag ihres Lebens essen, ohne Schaden zu nehmen. Basis ist der Grenzwert für eine tolerable tägliche Dosis Cumarin von 0,1 mg Cumarin je Kg Körpergewicht.

Sehr guter Hintergrund-Link: http://www.heuschrecke.com/pdf/cumarin_zimt.pdf
Bei der über diesen Link ersichtlichen "Rechenspielerei" wird ein 50 Kg-Erwachsener unterstellt. Ich selber habe oben einen 70 Kg-Erwachsenen unterstellt (dem bin ich ähnlicher ) und habe jeweils den Mittelwert der angegebenen Cumarin-Konzentationen genommen, die bei den entsprechenden Zimtsorten angegeben werden. Daher sind meine "Grenzwerte" für Zimtpulver für Ceylon-Zimt und China-Zimt etwas höher als die dort in der Tabelle genannten Werte.

Der ins Gerede gekommene Inhaltsstoff Cumarin:


- gut löslich in Ether und Ethanol sowie in fetten und ätherischen Ölen
- löslich in wässriger alkalischer Lösung (Öffnung des Lactonringes unter Bildung von Salzen der korrespondierenden Carbonsäuren)
Im Tierversuch zeigte Cumarin eine leberschädigende (hepatotoxische) Wirkung, die einen zeitweiligen Verbot der Nutzung in der Lebensmittelindustrie bewirkte. Die hepatoxische Wirkung wird von einem Metaboliten (3-Hydroxycumarin) verursacht, der beim Menschen nicht entsteht.
Quelle: http://www.pharmakobotanik.de/allgem...p/phprop03.htm

Cumarin (und verwandte Stoffe) sind für den typischen Heugeruch beim Trocknen von Gras verantwortlich, da Cumarin in der Pflanze teilweise glykosidisch gebunden ist und erst bei Verletzung bzw. beim Welken der Pflanzen durch Abspaltung des Zuckers frei wird.

LD50 (Ratte, oral) 953 mg/kg
Ratte LD50 [mg Cumarin/kg Körpergewicht]: 293-680

Löslichkeit 0,17 g/l (Wasser) (bei 20 °C)
Löslichkeit: gut in Alkohol, Ether, Chloroform, schlecht in Wasser
Gut löslich in Ethanol, Diethylether, Chloroform
Schlecht löslich in Wasser
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Cumarin

Bei meiner Kurz-Recherche fand ich keine in diesem Zusammenhang brauchbaren Quellen zu diesen wichtigen Sachverhalten, wenn man das "Cumarin in Zimt-Thema" wirklich analytisch sauber bewerten will:

- Stichwort "Bioverfügbarkeit von Cumarin beim Menschen nach oraler Aufnahme in einer Nahrungsmittelmatrix" - denn aus der Tatsache, dass Cumarin in den Margen-Darm-Trakt gelangt, folgert noch lange nicht, dass es auch vollständig in den Kreislauf aufgenommen wird! Mit dem Zauberwort "Bioverfügbarkeit" kann man diese Toxikologen-Leute immer sofort erwischen - weil das i. d. R. kaum untersucht wird, weil es sehr kompliziert ist, da eine für die Praxis (für viele Menschen gültige) brauchbare Schlussfolgerung abzuleiten.

- Ähnliches Stichwort: "Löslichkeit von Cumarin aus einer Nahrungsmittelmatrix bei der Speisezubereitung und während der Verdauung des Menschen"

Ich möchte wetten: Da tappen die Jungs noch alle im Dunkeln, für die Erforschung gibt doch niemand auch nur einen Euro. Vorsichtshalber rechnen daher alle sog. Fachleute mit einer Löslichkeit von 100% und auch mit einer Bioverfügbarkeit beim Menschen von 100%.

Durch diese üppigen 100%-Annahmen wird ein vermutlich dicker Sicherheitspuffer erzeugt. Ich mache mir bei Zimt jedenfalls keine Sorgen!

Geändert von Benjamin (22-10-2006 um 21:32 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten