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Alt 05-07-2002, 14:11   #9
arpad
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Für die 27. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Zinsen bleiben weltweit unverändert. Nachdem die amerikanische Notenbank als erstes bestätigte, daß man momentan keine Notwendigkeit für einen Zinsschritt sieht, auch nicht, wie von einigen befürchtet, nach unten, zogen gestern die Europäischen Zentralbank und die Bank of England nach. Die Leitzinssätze für Europa und Großbritannien sind unverändert bei 3,25% bzw. 4,00%

Auch die Australische Zentralbank ließ die Zinsen unverändert bei 4,75%. Dennoch wird von den meisten Analysten und Marktteilnehmern eine Zinserhöhung erwartet. Spätestens auf dem Treffen im nächsten Monat sollen die Zinsen dann steigen, um die wachsende Inflation in Schach zu halten.

Die Emerging Markets blieben auch diese Woche unter Druck:

IWF erteilte einer Rettung Brasiliens eine klare Absage. Köhler lehnte eine Rettung Brasiliens klipp und klar ab und betonte stattdessen, daß der laufende Ausverkauf nicht wirtschaftlich, sondern politisch begründet sei. Das hielt die Renditen der brasilianischen Anleihen nicht davon ab wieder zu steigen.

Nicht nur in Brasilien, auch in Polen steigen die Renditen. Die Zloty-Schulden kamen ins Gespräch, nachdem Gerüchte aufkamen, daß die polnische Regierung in Schwierigkeiten kommen könnte, ihren Schuldendienst zu bedienen. Stein des Anstoßes war der Rücktritt des polnischen Finanzministers Marek Belka. Der Zloty fiel auf ein 2 1/2 Monatstief.

Zum Unternehmensmarkt:

Bei AOL Time Warner und Vivendi Universal erwarte ich eine Krise am Bondmarkt. Am Aktienmarkt ist die Krise in beiden Titeln bereits perfekt. Die Anleihen der beiden Leviathane halten sich bisher jedoch überdurchschnittlich gut im Vergleich zu ähnlichen Ratingeinstufungen. Das ist nicht gerechtfertigt und wird dem Markt spätestens im Verlauf der kommenden sechs Monate klar werden.

AOL Time Warner hat nur heiße Luft in der Bilanz. Die Fusion von America Online und Time Warner hat, aufgrund des Aktientausches, rund 130 Mrd. Dollar Goodwill in der Bilanz plaziert. Goodwill ist die Differenz aus dem Übernahmepreis und dem wirklichen Unternehmenswert. Der erste Brocken von rund 50 Mrd. Dollar wurde im 1. Quartal 2002 abgeschrieben. Über die verbleibenden 80 Mrd. Dollar an Goodwill spricht jedoch keiner. Bisher! Die Position muß aber über kurz oder lang abgeschrieben werden. Das Eigenkapital von AOL Time Warner schrumpft jedoch ohne Goodwill von aktuell 100 Mrd. Dollar auf knapp unter 20 Mrd. Dollar! Damit schrumpft auch das Polster und damit die Sicherheiten, die der Kapitalmarkt benötigt, um den Schuldenberg von knapp 23 Mrd. Dollar zu rechtfertigen. Somit sind die Anleihen ein klarer Verkauf.

Vivendi Universal hat sich im Mediengeschäft völlig verzettelt. "Schuster bleib bei deinen Leisten" möchte ich Jean-Marie Messier zurufen, wenn ich mir ansehe, was dieser Napoleon-Verschnitt in so kurzer Zeit aus diesem tollen Unternehmen gemacht hat. Der Rücktritt in dieser Woche bahnt sich bereits an, denn der Verschuldungsgrad hat mittlerweile das Niveau der Deutschen Telekom erreicht, ohne daß Vivendi neue Märkte eröffnet wurden, die ertragreicher als die alten Geschäftsfelder sind. Die "weichen" Vermögensteile machen inzwischen 44% der Bilanzsumme aus, wobei auf Goodwill rund 37 Mrd. Euro und auf andere immaterielle Vermögensteile rund 23 Mrd. Euro entfallen. Nimmt man diese Wackel-Posten aus der Bilanz, um den harten Kern des Konzerns herauszuschälen, würde Vivendi Universal ein negatives Eigenkapital von knapp 15 Mrd. Euro ausweisen müssen. Angesicht von Verbindlichkeiten in Höhe von 42 Mrd. Euro ein recht gewagtes Spiel, Herr Messier. Diese Problematik wird in den kommenden Quartalen immer stärker zum Tragen kommen, weswegen auch die Vivendi Anleihen ein klarer Verkauf sind.

Die Kurse der France Telecom Anleihen sind mir unverständlich. Alle drei Anleihen sind durch Step-Up Kupons "geschützt", die auch bereits voll zum Tragen kommen. Bleibt als Erklärung für den Kursrutsch noch, daß der Markt die Chancen eines Ausfalls oder eines Bilanzbetruges einräumt. Das halte ich wiederum für an den Haaren herbeigezogen, denn die französische Regierung würde niemals einen Ausfall zulassen, selbst wenn Michel Bon die Bilanzen von France Telecom eigenhändig frisiert hätte. Die aktuellen Renditen bis Endfälligkeit liegen bei 10 bis 11%, was ein absoluter Witz ist. Bedenken Sie bitte, daß den russischen Staats- und Kommunalanleihen deutlich mehr Vertrauen geschenkt wird, obwohl das Rating in diesem Fall im Junk-Bereich liegt.

France Telecom ist selbstverständlich schlecht geführt worden in der Vergangenheit. Die handwerkliche Arbeit des Michel Bon ist mangelhaft, darüber braucht man nicht zu diskutieren. Das bestätigte sich auch gestern wieder, denn es kam eine weitere Put-Option gegen France Telecom ans Tageslicht. Offensichtlich haben sich die Franzosen verpflichtet, bei einem herabgestuften Kreditrating der polnischen Kulczyk Holding Aktien der polnischen Telefongesellschaft im Wert vom 1,7 Mrd. Euro abzukaufen. Zudem wurde mittlerweile bekannt, daß sich France Telecom, angesichts des Listings in New York im November 2001, gegenüber der amerikanischen Börsenaufsicht dazu bekannt hat, daß die Finanzierungspflichten gegenüber Mobilcom uneingeschränkt seien. Das widerspricht den bisherigen Darstellungen und könnte France Telecom weitere Milliarden kosten. Ohne die Unterstützung der Regierung wäre France Telecom ein Verkauf. In diesem Fall empfehle ich Ihnen aber daher, die Anleihen zu halten und das weitere Geschehen abzuwarten.

Last but not least: Die Herabstufung auf Junk steht für Alcatel kurz bevor. Die Aktien und Anleihen von Alcatel sind in dieser Woche stark gefallen, nachdem sich die Gewissheit verstärkte, daß die Bonität des Telekomzulieferers auf Junk fallen könnte. Die eingeleiteten Maßnahmen von Alcatel sorgten am Kapitalmarkt nicht für Entspannung. Wer meiner Verkaufsempfehlung noch nicht gefolgt ist, sollte dies umgehend nachholen


Quelle:FM Research
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arpad
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