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Alt 23-03-2007, 19:05   #13
Starlight
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Amgen: Das Desaster ist komplett

[16:08, 23.03.07]

Von Stefan Riedel



Der Kursverlauf zeigt: Das war bislang nicht das Jahr von Biotech-Pionier Amgen – und der jüngste klinische Rückschlag wird für ein neues Stimmungstief bei den Anlegern sorgen. Die Aktie reagiert heute mit einem satten Minus von fünf Prozent.













AMGEN, INC.
Auslöser ist ein Hoffnungsträger, der zum Sorgenkind mutiert ist. Das Krebsmedikament Vectibix zeigte in Kombination mit zwei anderen Therapien keine verlängerte Überlebensrate. Im Gegenteil: Der Antikörper lieferte in Kombination mit dem Krebsmittel Avastin und mit Chemotherapie weitaus schlechtere Daten als diese beiden Wirkstoffe alleine. Das gilt für die Überlebensdauer als auch für den Zeitpunkt bis zum erneuten Wachstum des Tumors.

Aus diesem Grund hat Amgen die Studie an mehr als 1000 Patienten mit sofortiger Wirkung abgebrochen. Vectibix war im September 2006 gegen metastasierenden Darmkrebs zugelassen worden – und zwar für Patienten, bei denen die Chemotherapie fehlgeschlagen war.

Durch niedrigere Preise als Konkurrenzprodukte und durch zusätzliche Anwendungen wollte Amgen das Umsatzpotenzial kontinuierlich erweitern. Einige Analysten hatten Vectibix daraufhin ein jährliches Umsatzpotenzial (Peak Sales) von mehr als zwei Milliarden Dollar eingeräumt.



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Das kann sich der Konzern erst einmal abschminken, denn bereits im Januar gab es den ersten Fehlschlag. Damals hatten Testergebnisse gezeigt, dass sich die Erstbehandlung mit Vectibix in Kombination mit Avastin und Chemotherapie keine verbesserte Wirkung zeigte. Zugleich waren bei den mit Vectibix behandelten Patienten Nebenwirkungen wie Durchfall oder Blutungen in der Lunge aufgetreten.

Mit dem heutigen Flop sinken die Hoffungen gegen Null, dass Vectibix den beiden zugelassenen Antikörper-Krebskillern Avastin und Erbitux Marktanteile abjagt. Avastin wird von Genentech und Roche, Erbitux von Imclone und Merck Serono vermarktet. Die Imclone-Aktie sprang nach den Amgen-News um 20 Prozent nach oben, während die Papiere von Merck um mehr als drei Prozent zulegten.

Besonders heikel ist das Debakel für Amgen, weil Vectibix ein teuer zugekauftes Produkt ist. Erst im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen 2,2 Milliarden Dollar auf den Tisch gelegt, um den langjährigen Kooperationspartner und Vectibix-Entwickler Abgenix zu akquirieren.




Vectibix ist nur der jüngste innerhalb einer Serie von Dämpfern. Erst vor zwei Wochen hat Amgen eine Auflage durch die US-Zulassungsbehörde erhalten. Demnach müssen die beiden blutbildenden Biopharmazeutika Aranesp und Epogen von Amgen beziehungsweise das Konkurrenzprodukt Procrit von Johnson&Johnson die so genannte "Black Box"-Warnung auf den Verpackungen enthalten. Diese enthält Hinweise auf Nebenwirkungen, vor allem in höherer Dosierung.

Grund für diesen Schritt sind Hinweise, dass Aranesp in hohen Dosierungen bei Patienten, die an Blutarmut nach Chmeotherapie leiden, das Risiko von Blutklumpenbildung erhöht. In dieser Woche macht der US-Kongress weiter Dampf in dieser Sache. Die Folge: Bis zur weiteren Klärung des Sachverhalts im Mai durch die FDA müssen Amgen sowie Johnson&Johnson jegliche Werbekampagnen für die drei Produkte einstellen.

Damit aber nicht genug: Aranesp sieht sich im Sommer von Konkurrenz durch das blutbildende Präparat Cera aus dem Hause Roche bedroht. Zwar hat Amgen Roche wegen Verletzung von Patenten verklagt. Ob die für September erwartete Entscheidung des US-Gerichts zu Gunsten von Aranesp ausfällt, bleibt indes abzuwarten.

Kein Wunder, dass sich die kritischen Stimmen mehren, die in diesem Jahr Einnahmeausfälle für Amgen befürchten. Dieses Szenario würde in jedem Fall eintreten, falls in den USA das staatliche Gesundheitssystem Medicare die Rückerstattung von Aranesp einstellt. Die Entscheidung fällt hier auf Ebene der US-Bundesstaaten. Insider befürchten, dass die Aranesp-Umsätze dieses Jahr im Extremfall um bis zu 700 Millionen Dollar schrumpfen könnten. Nur zur Erinnerung: Aranesp und Epogen erlösten zuletzt 5,3 Milliarden Dollar. Das sind 37 Prozent des Gesamtumsatzes für 2006.

Im Grunde genommen ist Amgen mit denselben Problemen wie die Pharma-Kolosse konfrontiert: In der Forschungspipeline mangelt es an neuen Kandidaten mit Milliardenpotenzial. Der Druck wächst, dieses Defizit durch Zukäufe und Forschungsallianzen mit Biotech-Startups zu kompensieren. Für das weltweit umsatzstärkste Biotechunternehmen ist das Ende der Talfahrt noch nicht in Sicht. Auch das Chartbild spricht Bände: In den vergangenen fünf Monaten hat die Aktie 30 Prozent und damit 21 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren.

Das optisch günstige 2008er-KGV von zwölf übertüncht, dass die Risiken noch lange nicht eingepreist sind. Um diese Bewertung auf Basis der aktuellen Nettorendite von 20,6 Prozent zu rechtfertigen, müsste Amgen den Umsatz auf Sicht von zwei Jahren um 40 Prozent steigern – das Ganze wohlgemerkt ohne Zugewinn bei der Anlagerendite. Weitere Verkäufe sind deshalb zu befürchten.



Empfehlung: VERKAUFEN
Kurs am 22. März (Frankfurt): 43,25 Euro
Rückschlagspotenzial: 25 Prozent

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