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Alt 27-09-2004, 20:39   #14
Starlight
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Bei den Investoren sinkt das Interesse an der Wahl

Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl im November beginnt in dieser Woche der härteste Teil des Wahlkampfes: Amtsinhaber George W. Bush und sein Herausforderer John F. Kerry treten zu drei Rededuelles an. Vorher ist klar: Zumindest die Wall Street steht geschlossen hinter... moment: so einfach ist die Sache nicht.

Eine neue Wahlstudie der UBS und des Gallup Institutes bringt Zahlen aus einer verkehrten Welt. Ausgerechnet an der Wall Street scheint Bush zurzeit auf gerade einmal 50 Prozent. 36 Prozent der Investoren stellen sich hinter Kerry und immerhin 14 Prozent scheinen sich noch nicht entschieden zu haben.

Für den Amtsinhaber ist das ein Schlag ins Gesicht. Immerhin: Die ungerechteste Steuer- und Sozialpolitik der letzten Jahrehnte hat vor allem die Reichen begünstigt, und zum Dank hätte Bush gerne zumindest auf diese Wählergruppe gebaut. Zahlreiche prominente Wall Streetler und die Vorstände der wichtigsten Unternehmen – darunter Dow-Giganten wie Citigroup und Wal-Mart – stehen natürlich auf der Buddy List des Präsidenten.

Andere hingegen haben sich sehr von Bush entfernt, und das beschränkt sich offensichtlich nicht auf einige wenige Ausnahmen wie den Investment-Guru Warrenn Buffett, der zwar jüngst in Kalifornien hinter Arnold Schwarzenegger, sonst aber hinter den Demokraten steht.

Die Demoskopen zeigen sich von ihrer neuesten Untersuchung selbst überrascht. Die Zustimmung für den Präsidenten liegt an der Wall Street mit 55 Prozent nur um 3 Zähler über der beim breiten Volk. Mit Bushs Wirtschaftspolitik geben sich nur 50 Prozent der Anleger zufrieden – damit lässt sich noch keine Wahl gewinnen. Die Außenpolitik des Weißen Hauses finden ebenfalls nur 50 Prozent der Befragten okay.

Die Gründe, die man an der Wall Street für eine gewisse Unzufriedenheit anführt, sind fast alle fachbezogen. Und sie erklären, warum Bush trotz einer großzügigen Haltung gegenüber Corporate America nicht ganz so leicht punkten kann wie erhofft. 56 Prozent der Investoren halten die zu Bush-Zeiten gestiegenen Energiepreise für gefährlich, ebenfalls 56 Prozent erkennen in der Verschiebung von Arbeitsplätzen ins Ausland einen konjunkturellen Schwachpunkt. 50 Prozent der Anleger sagen, dass die Lage im Irak die Wirtschaft hemmt, und nur knapp unter 50 Prozent sagen dies von Rekord-Defizit und den immer noch undurchsichtigen Bilanzen in den Unternehmen.

In einem Satz: Die Wall Street hat Bush durchschaut. Mit großzügigen Steuergeschenken konnte sich der Amtsinhaber nicht so viel Zustimmung erkaufen wie es zunächst schien. Im Gegenteil: Manch ein Schuss könnte nach hinten losgegangen sein. Zum Beispiel, dass der Kongress in der vergangenen Woche Bushs Steuererleichterungen um weitere fünf Jahre verlängert und das Defizit damit weiter strapaziert hat.

Nun ist es keineswegs so, dass der Demokrat Kerry mit Siegerlächeln über das Parkett streichen dürfte. Zwar scheint er an der Wall Street mehr Stimmen gewinnen zu können als zunächst möglich schien, doch kommt er zunächst auf unzureichende 37 Prozent

Allzu große politische Posen scheinen im aktuellen politischen Umfeld zudem nicht gefragt zu sein, die Wall Street hat nämlich nur bedingt Interesse an der ganzen Chose. Gerade mal ein Drittel der Bush-Wähler sagen, sie wären bestürzt, wenn Kerry die Wahl gewinnen würde. Noch ein paar weniger sind es unter den Kerry-Fans, die sich wirklich über einen Bush-Sieg ärgern würden. Der breiten Masse scheint der Wahlausgang mittlerweile recht egal zu sein.

Vielleicht können die Rededuelle noch etwas an der Apathie ändern. Am Donnerstag treffen Bush und Kerry in Miami zum ersten von drei Malen aufeinander, und nach den Debatten dürften die Zahlen noch einmal ganz neu gemessen werden.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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