Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 13-10-2004, 20:25   #40
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Wie Anleger in die Präsidentschaftswahl gehen

Mag sein, dass die Quartalszahlen von Intel und Yahoo aussagekräftig sind in bezug auf den ganzen Hightech- und Mediensektor. Mag sein, dass die Zahlen von McDonald’s Anleger überrascht haben, und dass man auf weitere Daten wartet. Aber trotzdem gibt es auf dem Parkett weiter nur ein Thema: Die bevorstehende Wahl am 2. November.

Weniger als drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl ist der Wahlkampf so erbittert wie nie zuvor. Die Umfragen liefern den Grund: Präsident George W. Bush und sein demokratischer Herausforderer John F. Kerry liefern sich ein so enges Kopf-an-Kopf-Rennen, dass Experten keinen Wahlsieger vorhersagen wollen.

Dazu kommt die Unklarheit über den Wahl-Modus in manchen Staaten: Colorado will – das ist sinnvoll aber neu! – die Stimmen der Wahlmänner erstmals entsprechend dem Wachausgang teilen. Hätte man das vor vier Jahren schon getan, säße jetzt Al Gore im Weißen Haus, der mittlerweils weitgehend vergessene Vize von Bill Clinton.

Zwei große Faktoren werden das Rennen in dieser Spätphase wohl noch entscheiden können: Zum einen die Mobilisierung der Massen, die beide Parteien für die letzten Wochen vor der Wahl geplant haben. Millionen Freiwilliger ziehen zurzeit von Haus zu Haus und schalten Telefonanrufe, um Bürger zur Urne zu bewegen. Die Basis will nicht nur bezirzt, sondern vor allem zum Wahlgang bewegt werden.

Der andere Faktor ist die dritte TV-Debatte zwischen Bush und Kerry an diesem Mittwochabend. Obwohl es eigentlich ausschließlich um innerpolitische Themen gehen soll, hat Bush einen rethorischen Ausflug in den Irak und den Kampf gegen den Terror angekündigt. Ob er mit der Wiederholung der immergleichen Sätze noch punkten kann, sei dahingestellt.

An der Börse fragen sich indes die Experten weiter: Welcher Präsident ist besser für die Märkte? Man kommt auf ein gespaltenes Ergebnis. Bush sei für die Börse besser, meinen die meisten, denn dessen Steuersenkungen helfen den Unternehmen, und vor allem der Öl-, Finanz- und Pharmaindustrie. Kerry hingegen dürfte dem Bondmarkt besser gefallen. Die haushaltspolitische Zurückhaltung, die der Demokrat predigt, passt den Anlegern in Staatsanleihen.

Kleinanleger haben indes ein neues Spiel entdeckt. Schließlich lässt sich nicht nur an der Börse oder mit den bekannten Bush- und Kerry-Verträgen auf Intrade.com Kasse machen. Auch Sammler kennen satte Renditen, und in einem harten Wahlkampf lässt sich allerlei sammeln, was einmal an Wert gewinnen könnte. Souvenirjäger kämpfen besonders hart um jeden Pin und Button. Anstecknadeln aus früheren Wahlkampfen sind für manchen zur Goldgrube geworden: Ein Button mit der Aufschrift „John Davis for President”, den eine Sammlerin von ihrer Mutter erbte, wechselte jüngst für 56 000 Dollar den Besitzer – der hat jetzt eine Erinnerung an den Wahlkampf 1924.

Heutige Anstecknadeln dürften angesichts ihrer unüberschaubaren Masse kaum solche Quoten sehen. Bush und Kerry sollen ihrew Konterfeis auf jeweils bis zu 3000 verschiedenen Stickern haben, schätzen Sammler – teuer könnte da nur werden, was schon hete besonders kreativ und ausgefallen ist. Ein beliebter Bush-Sticker zeigt beispielsweise die viel zitierten Kerry-Flip-Flops, die dessen Wankelmütigkeit stilisieren sollen.

Buttons sind indes nach wie vor die beste Anlage im Souvenirgeschäft. Ein Bush-Gartenzwerg oder das Kerry-Hundehalsband – beide Artikel gibt es wirklich! – dürften angesichts geringer Nachfrage keine großen Kurszuwächse erfahren.

Sicher ist die Anlage – wie auch an der Börse – indes nicht, warnen Experten. Selbst die kreativsten Anstecker, die sich eigentlich satter Gewinne erfreuen dürften, sind vorab schwer einzuschätzen, weil ihre Auflage nicht kontrolliert ist und leicht manipuliert werden kann. Im Wahlkampf von Jimmy Carter hätten Sammler bis zu 700 Dollar für einen seltenen Pin bezahlt, von dem der Hersteller später immer mehr nachdruckte. Heute ist das kleine Ding nur noch 50 Dollar wert.

Nur einen Vorteil hat die Anlage in Souvenirs: Im Gegenmsatz zum Aktien-Investment bieten die in der Vitrine ausgestellten Stücke Gesprächsstoff. Und zwar weit über den 2. November hinaus.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten