Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 16-10-2004, 07:33   #43
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Der Verbraucher ist bedrückt, und das aus gutem Grund

Die böse Zahl des Tages lautet 87,5. Hinter ihr verbirgt sich das Verbrauchervertrauen für Oktober, das damit auf den tiefsten Stand seit anderthalb Jahren gerutscht ist. Experten hattn mit einem kleinen Einbruch gerechnet, aber nicht mit einer solchen Katastrophe – wieso eigentlich nicht?

Gründe für das schwache Verbrauchervertrauen gibt es genug. Da wären zum einen die offenkundigen, die von der totalen Verunsicherung drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl bis hin zu einem weiter absurd hohen Ölpreis reichen. Über diese Probleme spricht nicht nur die Wall Street, die beschäftigen auch Jane und John Doe auf der Straße.

Die haben auch zu weiten Teilen keinen Job mehr. Und man lässt sich auch vom best aufgelegten Präsidenten nicht beruhigen, wenn der stets nur die halbe Wahrheit sagt. Sicher, die Arbeitslosenquote ist binnen der letzten zwölf Monate von 6,5 auf 5,4 Prozent gefallen. Rechnet man jene Arbeitslosen aber hinzu, die nach erfolgloser Suche aus der Statistik fallen, kommt man auf eine Quote von 7,4 Prozent – und das enttspricht der gefühlten Quote. Schließlich sehen die Leute, wer nachmittags vor dem Fernseher sitzt statt im Büro und Entlassungen am Arbeitsplatz gehen ja auch nicht geräuschlos über die Bühne.

Doch auch die Nachrichten aus dem Finanzdistrikt, mit denen sich sicherlin ein geringerer Teil der Bevölkerung beschäftigt, sind mehr als Besorgnis erregend: Erst am Donnerstag hat der New Yorker Generalstaatsanwalt schon wieder einen Skandal aufgedeckt, der diesmal die Versicherungsbranche durchzieht. Einige Monate nachdem Eliott Spitzer an der Wall Street, bei den Brokerhäusern und zuletzt bei Mutual Funds aufgeräumt hat, zeichnet sich keine Ende der Betrügereien ab.

Der weniger fachlich interessierte Amerikaner macht sich unterdessen Sorgen um den bevorstehenden Winter. Nicht allein die Kälte mit den vermutlich astronomisch hohen Heizkosten drückt dabei auf die Stimmung, sondern auch die jüngste Grippe-Krise. Millionen von Amerikanern fürchten um ihre jährliche Impfung, nachdem der britische Pharmazeut Chiron in dieser Saison wegen technischer Mängel nicht liefern kann.

Diejenigen, die noch Arznei bekommen, haben Geldsorgen: Arznei ist teuer, und die von Präsident Bush zuletzt eingeführten Rabattkarten funktionieren lange nicht so gut wie erwartet. Nach wie vor stehen vor allem Senioren vor der Alternative: Arznei oder Abendessen.

Damit liegen schon wieder Gedanken zur Wahl nahe, die so kurz vor dem Wochenende aber gar nicht weitergedacht werden wollen. Fakt ist: Das Verbrauchervertrauen ist im Oktober so niedrig wie lange nicht mehr, und es gibt gute Gründe für den Trend. Eine Trendwende ist daher auch nicht zu erwarten. Und das ist die Hauptsorge der Wall Street an diesem Freitag, den die Blue Chips aller Voraussicht nach im vierstelligen Bereich beenden müssen.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten