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Alt 17-02-2003, 07:37   #3
OMI
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Geschäfte mit dem Geiz

17.02.2003, 08:11
Geschäfte mit dem Geiz (EurAmS)

Soll die Anschaffung des neuen Computers warten, bis die Konjunktur wieder anspringt - oder darf’s auch ein No-Name-Produkt sein? Die Nachfrage nach preisgünstigen Elektronik-Artikeln boomt. Welche Unternehmen profitieren.

von Tobias Meister, Euro am Sonntag


Wenn sich morgens um acht tumultartige Szenen vor den Aldi-Filialen abspielen, heißt das nicht, dass in Deutschland die Lebensmittel knapp werden. Grund für die Menschentrauben, die sich lange vor der Ladenöffnung bilden, sind neue Hammerangebote für PCs, TV-Geräte oder Dampfbügelautomaten. Billig einkaufen ist in, vor allem in schwierigen Zeiten. "Geiz ist geil" - der Slogan der Metro-Tochter Saturn-Hansa bringt das derzeitige Lebensgefühl auf den Punkt. Die einen sparen, weil sie müssen; die anderen, weil sie wollen.


Die Lebensmitteldiscounter verkauften im vierten Quartal 2002 mehr Computer und Laptops als je zuvor, obwohl der PC-Absatz insgesamt um 3,5 Prozent zurückging. Zwar profitieren Anleger vom Run auf die Preisbrecher nicht direkt, da Aldi, Lidl oder Rewe nicht börsennotiert sind. Dafür können sich Investoren aber am Billig-Elektronik-Boom beteiligen: Haus- und Hoflieferant der Aldi-Brüder Albrecht etwa ist Medion. 2002 steigerte das Unternehmen den Marktanteil in Deutschland um fast die Häfte auf 4,6 Prozent und verkaufte nach einer Studie des Marktforschungsinstituts Gartner Dataquest im vierten Quartal erstmals mehr PCs an Privatkunden als der Marktführer Fujitsu-Siemens.


Die Geschäftsbeziehungen zwischen Medion und dem Discounter lohnen sich für beide Seiten. Aldi bekommt durch die Lockangebote mehr Kundschaft in die Läden. Da die Medion-Produkte - neben Computern auch jede Menge Unterhaltungselektronik wie Fernseher oder Stereoanlagen - in den Verbrauchertests zudem reihenweise Bestnoten erhalten, kann Aldi sein Image aufpolieren.


Für Medion ist das Geschäft ebenfalls hochprofitabel. Allein im vierten Quartal 2002 wurden über die Vertriebsschiene Aldi rund 400000 Rechner unters Volk gebracht. War es für eingefleischte Computer-Freaks bis vor kurzem undenkbar, den PC bei einem Lebensmittel-Discounter zu kaufen, stellt sich heute meist nur noch die Frage: "Wer hat den billigsten?" Neben dem Vorreiter Aldi haben längst alle anderen Discounter Elektronik-Artikel im Angebot - mit steigender Tendenz. Wurden 1996 erst 28 Prozent der Konsumenten-PCs über den Nicht-Fachhandel verkauft, prognostiziert Gartner Dataquest, dass sich dieser Anteil bis 2005 auf über 60 Prozent verdoppelt.


Medion macht das Geschäft über die Discounter nicht alleine. Mit Gericom, IPC Archtec und 4MBO mischen drei weitere börsennotierte Unternehmen mit. Allerdings schockten einige mit Gewinnwarnungen. In den Hochzeiten des Neuen Marktes versuchte etwa IPC, Anleger davon zu überzeugen, dass man dem Branchenprimus Medion in nichts nachstehe. Die Aktie sei deshalb deutlich unterbewertet, ließen die Bayern wissen.


Nachdem es Anfang 2002 immer wieder Gerüchte über mögliche Probleme bei IPC gegeben hatte, herrschte ab Mai Klarheit. Die Verantwortlichen mussten zugeben, dass die Hausbanken Schwierigkeiten machten. Es folgte die für viele Investoren längst überfällige Gewinnwarnung: Statt mit 575 Millionen Euro Umsatz plante IPC für 2002 nur noch mit 328 Millionen. Und die Prognose für den Ðberschuss wurde von 16 auf fünf Millionen Euro revidiert. Innerhalb weniger Wochen sackte das Papier von 40 auf drei Euro ab. Nun konzentriert sich IPC, von der Börse zurzeit mit gerade einmal 16 Millionen Euro bewertet, vor allem auf den Verkauf von Laptops.Das ist jedoch die Domäne von Gericom. Der österreichische Spezialist für Notebooks rückte 2002 nach der Aufnahme in den Nemax 50 mit einer Hiobsbotschaft heraus. Grund war allerdings kein Nachfragerückgang, sondern ein Lieferengpass bei Intel für den P4-Prozessor. Gericom-Chef Hermann Oberlehner korrigierte daraufhin die Umsatzplanung um 40 Millionen auf 500 Millionen Euro nach unten. Wegen der Vielzahl von Skandalen am Neuen Markt kochten sofort Gerüchte hoch, die Bilanz sei nicht sauber. Sogar auf eine drohende Insolvenz wurde spekuliert. Doch so weit kam es nicht. Mit den vorläufigen Zahlen für 2002 konnte Gericom die Anleger beruhigen. Der Umsatz war doch auf 541 Millionen Euro gestiegen. Dass ein Teil der Produkte wegen der Lieferschwierigkeiten bei Lidl aus dem Sortiment flog, hatten die Österreicher durch einen neuen Deal mit Saturn-Hansa wettgemacht. Die Gewinnwarnung hätte man sich also sparen können.


Nicht ganz so gut lief es bei 4MBO. Das schwäbische Unternehmen musste 2002 einen Verlust von 9,3 Millionen Euro hinnehmen. Zwar war das gegenüber dem Fehlbetrag von 14,8 Millionen im Jahr 2001 deutlich besser, doch die Zahlen stellten nicht zufrieden. So konnte der Umsatz nur marginal um ein Prozent auf 287 Millionen Euro gesteigert werden.


Doch bei 4MBO ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Im vierten Quartal 2002 verbuchte das Unternehmen einen Gewinn von 3,6 Millionen Euro (Vorjahrsquartal: 6,2 Millionen Verlust). "Für das Gesamtjahr 2003 peilen wir eine Vorsteuer-Marge von 2,5 bis drei Prozent an", erklärt Vorstandssprecher Erwin Landherr. Um das zu erreichen, muss sich das Management ranhalten. "Medion ist unser Vorbild. Genau wie die machen wir jetzt nur noch Aktionsgeschäft", so Landherr. Das Sortimentsgeschäft - der Verkauf an Versandhäuser - wurde eingestellt. Gleiches geschah mit den aufwendigen Auslandsniederlassungen. "Unsere Zielgröße ist jetzt der Gewinn, nicht mehr das Umsatzwachstum", betont Landherr. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 14,4 Millionen Euro ist 4MBO die riskanteste Spekulation in der Branche, bietet aber auch die größten Chancen.


Weniger riskant ist ein Investment in den MDAX-Neuling Medion, der seit der Erstnotiz im Februar 1999 noch nie enttäuschte. Was auch daran liegen könnte, dass sich die Mülheimer im Gegensatz zur Konkurrenz wenig mitteilsam präsentieren und nur sehr vorsichtige Prognosen abgeben.


"Mit einem geschätzten 2002er-Jahresumsatz von 2,68 Milliarden Euro ist Medion die Nummer1 im Land", sagt Analystin Stefania Lorenz vom Marktforschungsinstitut IDC. Das Unternehmen macht allein mehr Umsatz als Gericom, IPC Archtec und 4MBO zusammen. Das große Plus von Medion: Der Vorstand um Christian Eigen hat die Kosten im Griff. Die Mühlheimer lassen nur fertigen, wenn sie einen Auftrag sicher haben. So halten sie die Lagerhaltungskosten niedrig.


Das Umsatzwachstum von 25 bis 30 Prozent will Medion auch in Zukunft halten. Um das zu erreichen, muss das Unternehmen ins Ausland expandieren. Entscheidend für Medion ist, ob die Amerikaner auf Billig-PCs stehen. Die bisherigen Verkaufserfolge in den US-Aldi-Märkten zeigen, dass die Verbraucher dort dem Motto "Buy American" noch nicht folgen und keine PCs von Dell oder Compaq bevorzugen.


Medion
Branchenprimus

Bisher hat das Unternehmen die Börsianer noch nie mit schlechten Zahlen enttäuscht. Anleger können jetzt darauf setzen, dass die Ergebnisse für das abgelaufene Geschäftsjahr wie gewohnt stark ausfallen. Die Bilanzpressekonferenz mit den endgültigen Zahlen findet am 20. März statt. Die Neuaufnahme in den MDAX sollte den Wert zusätzlich beflügeln. Kaufen.


4MBO Turnaround-Chance

Das Unternehmen hat in der Vergangenheit fast alles falsch gemacht, was falsch zu machen war. Nun konzentrieren sich die Schwaben auf das Aktionsgeschäft. Wachstumstreiber sollen in Zukunft Wellness-Produkte wie beispielsweise Massagegeräte sein. Spekulativ orientierte Anleger steigen jetzt ein.


Gericom

Um Gericom gab es im vergangenen Jahr viele Gerüchte. Sollte das Unternehmen es schaffen, die Zahlen besser in den Griff zu bekommen, werden Anleger schnell wieder Vertrauen fassen. Da sich die Österreicher auf dem Notebook-Markt einen guten Ruf erworben haben, sollten die Geschäfte auch in Zukunft gut laufen. Die Aktie könnte davon profitieren, dass private Konsumenten zunehmend vom PC auf den Laptop umsteigen. Langfristig orientierte Anleger nutzen die aktuell günstige Bewertung und legen sich ein paar Stücke ins Depot.


Ipc archtec Vertrauen verspielt

Das Unternehmen war in der Vergangenheit viel zu optimistisch. Jetzt müssen erst einmal die Hausaufgaben gemacht werden. Wenn über mehrere Quartale solide Zahlen geliefert worden sind, könnten Investoren den Wert wiederentdecken.Bis dahin: Aktie meiden.

Quelle: finance-online
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