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Alt 23-03-2005, 15:47   #28
PC-Oldie-Udo
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Arbeitsrecht

Kündigungen wegen der wirtschaftlichen Lage

Über Entlassungen entscheidet oft ein Punktsystem.




Von Wolfgang Büser




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Kündigung
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Arbeitsrecht
Erst ermahnt, dann entlassen





Ein Kündigungsschreiben vom Arbeitgeber ist für die meisten Arbeitnehmer ein Schock; erst recht gilt das für schwer vermittelbare ältere Arbeitnehmer. Doch nicht jede Entlassung muss hingenommen werden. Zahlreiche Vorschriften engen den Spielraum der Unternehmer ein, wie Teil 2 der SZ-Serie beschreibt.

Eine Kündigung kann auf "verhaltensbedingten" Gründen beruhen, etwa nach erheblichem Fehlverhalten gegenüber Kollegen oder der Missachtung von Weisungen der Vorgesetzten. Sie kann ferner auch "personenbedingt" sein, zum Beispiel wegen längerer Krankheit ohne erkennbare Aussicht auf Besserung. Der häufigste aktuelle Kündigungsgrund lautet: "betriebsbedingt".

Der Unternehmer muss jedoch mit "dringenden" Gründen aufwarten, will er mit seinem Kündigungswunsch durchdringen. In wirtschaftlich ungünstigen Zeiten wird ihm dies allerdings im Regelfall gelingen. Innerbetriebliche Umstände - also Unternehmensentscheidungen wie Rationalisierungsmaßnahmen oder die Umstellung oder Einschränkung der Produktion, ferner die Schließung von Abteilungen oder die Vergabe von Aufgaben an Fremdunternehmen - sind von der Rechtsprechung ebenso als Entlassungsgründe anerkannt worden wie außerbetriebliche. Dazu gehört zum Beispiel der Auftragsmangel, der zu einer unternehmerischen Entscheidung (Einschränkung der Produktion) zwingt.

"Dringend" sind die betrieblichen Gründe, wenn es mit Blick auf das Weiterbestehen des Unternehmens - unter Abwägung auch der Interessen der betroffenen Mitarbeiter - keine andere Möglichkeit gibt, als den Personalbestand zu verringern. Die Kündigungen müssen wegen der wirtschaftlichen Lage unvermeidbar sein.

Freiheit des Unternehmers

Im Streitfall hat der Arbeitgeber dies den Arbeitsgerichten plausibel darzulegen. Das heißt: Die Gerichte prüfen gegebenenfalls, ob die vom Arbeitgeber behaupteten Gründe für die Kündigung tatsächlich vorliegen und ob sie sich im betrieblichen Bereich so auswirken, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht.

Jedoch: Die unternehmerische Entscheidung selbst darf vom Gericht nicht darauf nachgeprüft werden, ob sie erforderlich beziehungsweise wirtschaftlich zweckmäßig war.

Organisatorische und wirtschaftliche Unternehmerentscheidungen können von den Gerichten nur darauf abgeklopft werden, ob sie "offensichtlich unsachlich oder willkürlich" sind. Der Arbeitgeber muss allerdings nachweisen, dass der Kündigung eines Mitarbeiters die konkrete Überlegung vorausgegangen ist, ob er gegebenenfalls auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen eingesetzt werden könnte - und sei es zu schlechteren Bedingungen als bisher.

In diesem Fall hätte der Arbeitgeber in einer Änderungskündigung eine Beendigungskündigung androhen müssen für den Fall, dass die vorgeschlagene Änderung vom Arbeitnehmer nicht akzeptiert würde.

Drei Punkte für jedes Kind

Soll ein Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entlassen werden, so muss der Arbeitgeber darlegen, warum er gerade ihn dafür ausersehen hat. Dabei muss er das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Dauer der Betriebszugehörigkeit berücksichtigen. Grundsatz: Einem jüngeren Arbeitnehmer kann vor einem älteren, einem Junggesellen vor einem Familienvater und einem später eingestellten Arbeitnehmer vor einem länger beschäftigten gekündigt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Punktetabelle anerkannt, um eine erste Auswahl zu treffen. Arbeitnehmer bis 20 Jahre erhalten keinen Punkt, danach geht es wie folgt weiter: bis 30 Jahre ein Punkt, bis 40 Jahre drei Punkte, bis 50 Jahre sechs Punkte, bis 57 Jahre acht Punkte, darüber zehn Punkte. Je Beschäftigungsjahr kommt ein Punkt hinzu, für den Ehegatten drei und je Kind ebenfalls drei Punkte. Je höher die Punktzahl, desto stärker der Kündigungsschutz. Dies sind jedoch nur Anhaltspunkte. Das Bundesarbeitsgericht schreibt eine "einzelfallbezogene Prüfung" vor.

Von der Sozialauswahl darf abgesehen werden, wenn der Arbeitgeber zum Beispiel Mitarbeiter mit besonderer Qualifikation auf jeden Fall halten will - auch wenn sie nach den aufgeführten Kriterien an sich weniger schutzbedürftig sind.

Wenn die Firma übernommen wird

Es fragt sich, ob bei der Übernahme eines Betriebes durch einen anderen Unternehmer ebenfalls betriebsbedingte Gründe Anlass für eine Kündigung der übernommenen Mitarbeiter sein können, etwa mit Blick auf die sich aus der Übernahme ergebenden Synergieeffekte. Das ist zweifelsfrei möglich. Denn der neue Inhaber tritt ja in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Er darf jedoch ein Arbeitsverhältnis nicht wegen des Betriebsübergangs aufgekündigt werden. Entlassungen (zum Beispiel wegen Rationalisierung) sind dem neuen Arbeitgeber ebenso erlaubt wie sie dem vorherigen erlaubt gewesen wären. Umgekehrt: Eine Kündigung durch den bisherigen Arbeitgeber "wegen des Betriebsübergangs" liegt zum Beispiel dann vor, wenn sie damit begründet wird, der neue Betriebsinhaber habe die Übernahme eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz erhalten bleibt, deswegen abgelehnt, weil ihm das zu teuer sei.

Unterschiedliche Fristen

Für Angestellte wie Arbeiter gelten einheitliche Kündigungsfristen - wenn sie sich nach dem Gesetz richten, also nicht tarif- oder einzelvertraglich anders geregelt sind.

Grundsätzlich kann mit einer vierwöchigen Frist zum 15. oder zum Letzten eines Kalendermonats gekündigt werden (Grundkündigungsfrist, die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer einheitlich gilt).

Beispiel: Eine Kündigung zum 31. Mai 2005 muss dem Arbeitnehmer (oder dem Arbeitgeber) spätestens am 3. Mai 2005 zugegangen sein. Am 4. Mai wäre eine Kündigung zum Monatsletzten nicht mehr möglich, da der Zeitraum zwischen dem Zugang der Kündigung und dem Kündigungstermin keine vier Wochen mehr ausmacht.

Die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber verlängert sich, wenn der Arbeitnehmer längere Zeit dem Betrieb angehört. Nach einer Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren kann vom Arbeitgeber mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Nach fünf Jahren beträgt die Frist zwei Monate, nach acht Jahren drei Monate, nach zehn Jahren vier Monate, nach zwölf Jahren fünf Monate, nach 15 Jahren sechs Monate, nach 20 Jahren sieben Monate - ebenfalls jeweils zum Monatsende. Berechnet wird die Betriebszugehörigkeit vom 25. Lebensjahr an.

Tarifvertraglich können auch längere oder kürzere Kündigungsfristen vereinbart werden. Dies kann, im Gegensatz zu den gesetzlichen längeren Kündigungsfristen für Arbeitgeber, auch für Kündigungen durch den Arbeitnehmer gelten. Einzelvertraglich ist eine Verkürzung nur bei Aushilfsbeschäftigungen bis zu drei Monaten möglich.

In Tarifverträgen können sachliche Gründe angeführt sein, für Angestellte und Arbeiter unterschiedliche Kündigungsfristen vorzusehen (Beispiel: Sonderkündigungsfristen für Spezialisten). Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Grundkündigungsfristen von Arbeitern per Tarifvertrag zwar kürzer sein dürfen als die für Angestellte, wenn bei der Personalplanung "für Arbeiter eine größere Flexibilität nötig" ist. Doch dürfen "lang dienende" Arbeiter (hier: nach zwölf Jahren in derselben Firma) nicht mehr schlechter gestellt werden (Az: 2 AZR 296/95). Sofern in einem Betrieb regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Kündigungsfrist zu allen Tagen des Monats vereinbaren.

(SZ vom 23.3.2005)
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Es grüßt euch
Udo

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