Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 02-12-2008, 17:17   #916
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Tod im Weihnachtsgeschäft
Montag, 1. Dezember 2008

Zuerst die gute Nachricht: Für den amerikanischen Einzelhandel waren die Umsätze am „Black Friday“ etwas besser als im vergangenen Jahr. Die schlechte Nachricht: Die Kunden waren fast ausschließlich an Schnäppchen interessiert. Und die katastrophale Nachricht: Die Gier nach Billig-Angeboten war so groß, dass ein Wal-Mart-Angestellter von der Meute totgetrampelt wurde.

Eine bessere Metapher für einen völlig außer Kontrolle geratenen Konsumenten kann man sich nicht vorstellen. Amerikaner kaufen schon seit Jahren, und in einem wirtschaftlich schlechten Umfeld umso mehr, lieber billiger ein als weniger. Statt in schlechten Zeiten den Konsum zurückzufahren oder die Zahl der Weihnachtsgeschenke zu reduzieren, kämpft man um reduzierte Ware – offensichtlich mit allen Mitteln.

Der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart, der als Billig-Anbieter zur Zeit besser da steht als die gesamte Konkurrenz, hatte für den Start ins Weihnachtsgeschäft ein paar Margen erschütternde Sonderangebote im Programm. Eine Digitalkamera für 69 Dollar, ein Navigationssystem für 97 Dollar, ein HP Desktop mit 19-Zoll-Flachbildschirm unter 400 Dollar… sämtliche Hightech-Angebote galten allerneuesten Modellen. Und auch in anderen Abteilungen gab es Ramschpreise: einen Küchenmixer für 4 Dollar, DVDs für 2 Dollar, Kinderfahrräder für 29 Dollar.

Solche Preise kann sich nicht einmal Wal-Mart leisten, weshalb es von jedem Artikel pro Laden auch immer nur ein paar wenige gibt. Die sind dann oft in weniger als einer Minute ausverkauft, weshalb sich Shopper traditionell schon am Abend vor „Black Friday“ auf dem Parkplatz einreihen, um dann pünktlich um 5 Uhr früh das Schlachtfeld zu stürmen. Das dabei Blut vergossen wird, ist eigentlich nicht geplant. Doch ein 34-Jähriger, der in dem Laden auf Long Island bei bei New York für Sicherheit sorgen sollte, wurde überrannt, als 2000 gieriger Konsumenten wie eine Rinderherde durch die Schiebetüre drängten.

In der Schnäppchengier trampelten sie den jungen Mann nieder, verletzten drei weitere schwer und machten es Ersthelfern schwer, überhaupt zu den Opfern vorzudringen. Als der Laden nach kurzer Zeit geschlossen wurde und die Polizei vor Ort ermittelte, waren hunderte erbost, die sich von dem „Vorfall“ nicht die Einkaufslaune verderben lassen wollten.

„Es ist ermutigend, dass die Amerikaner wieder einkaufsfreudig scheinen“, kommentiert Tracy Mullin vom Branchenverband des US-Einzelhandels, NRF, zwar nicht die Katastrophe auf Long Island, aber den übrigen „Black Friday“. Der sah nämlich – Samstag und Sonntag mit eingerechnet – einen Umsatz von 41 Milliarden Dollar; der durchschnittliche Kunde soll nach ersten Berechnungen 372,57 Dollar ausgegeben haben und damit rund 7 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die NRF hält an ihrer Prognose fest, dass das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr rund 2,2 Prozent mehr einbringen kann als in der vergangenen Saison. Es gibt aber auch weniger optimistische Prognosen: Zahlreiche Branchen-Analysten gehen davon aus, dass die Umsätze erstmals seit mehr als zehn Jahren fallen könnten. Und für die Gewinne sieht man sowieso schwarz, wenn die Umsätze vor allem mit radikal reduzierter Ware gemacht werden.

Heute geht das Rennen um die Weihnachts-Schnäppchen weiter, allerdings im Internet. Die Branche spricht vom „Cyber Monday“, an dem die Online-Händler ihre Lock-Angebote auslegen. Bis zu 84 Millionen Kunden werden erwartet… doch dürfte es in der virtuellen Welt wenigstens keine Todesopfer geben.
© Inside Wall Street
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten