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Alt 18-08-2004, 06:00   #1
Börsengeflüster
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Elliot Wave - Die Einführung

@simplify auf Anfrage , aber auch natürlich für alle hier an Board
Ich habe einmal die wichtigsten Grundlagen der Elliott-Wave-Theorie zusammengefasst. Deine Anfrage bezüglich des Triangels simplify, findest du ganz unten, eine denke ich ausreichende Beschreibung


Teil 1


Die Elliott-Wave-Theorie ist nicht frei von Problemen und Fehlinterpretationsfallen, die jedoch m.E. weniger systemimmanent sind wie bei den drei Klassikern, als vielmehr durch unzulässige Anwendung von Halbwissen und verfrühtes Handeln im Markt auf den bloßen Verdacht hin, die „richtige“ Wellenstruktur decodiert zu haben hervorgerufen werden. Elliott-Wave-Dilettanten in den Medien tragen oft das ihre zur Diskreditierung dieses faszinierenden Ansatzes bei.

Die größte Verwandtschaft weißt die Elliott-Wave-Theorie mit der Chartanalyse auf, geht aber in ihrer Tiefe und ihrer theoretischen Abgeschlossenheit um vieles weiter und wird zudem in einigen Aspekten von jüngsten Erkenntnissen der Chaosforschung bestätigt. Die Theorie sollte, und dies ist mein dringender Rat, nur mit Kapitaleinsatz angewendet werden, wenn man diese umfassend studiert und ihre Prinzipien verinnerlicht hat, was aufgrund der Komplexität der Theorie eine lange und harte Schule sein kann . Wer diesen Rat glaubt vernachlässigen zu können, der sollte ein großzügig bemessenes „Lehrgeldkonto“ in seiner Wertpapierbuchhaltung einrichten (der Autor weiß wovon er redet!) oder gute Kontakte zur Telebörse pflegen, um von Auftrittshonoraren leben zu können . Das Studium dieser Einführung reicht zur Wissensvervollkommnung unter keinen Umständen aus!

Stören mag den ein oder anderen nüchternen Börsianer, wie auch mir, der Odor von Esoterik, den mancher Elliott-Waver (und Elliott selbst) um die Theorie verbreiten und den vorhandenen wissenschaftlichen Gehalt unverdienterweise in die Nähe des Hokuspokus bringen. Ich versuche in dieser Einführung hiervon zu abstrahieren und mich auf die börsenrelevanten Fakten zu konzentrieren.

Die Elliott-Wave-Theorie stellt ein faszinierendes, komplexes und äußerst flexibles Analyse- und Prognoseinstrument dar, die denjenigen, den sie einmal gepackt hat, nur schwer wieder losläßt. Aber warum auch, der Erfolg der überlegten Anwendung gibt ihr recht.

Der besonderer Verdienst Elliotts ist in der Entdeckung zu suchen, daß sich Aktienmärkte in zyklischen, fraktalen (selbstähnlichen), auf verschiedenen Betrachtungsskalen verschachtelten Musterabfolgen im Zeitablauf entfalten. Akribische Arbeit leistete Elliott ferner in einer erschöpfenden Identifikation, Klassifikation und Beschreibungen der unterschiedlichen Wellenmuster, die er 1938 erstmals in seinem ersten Buch „The Wave Principle“ veröffentlichte. Eine Verfeinerung erfuhr seine Theorie durch seine Entdeckung der Relevanz der Fibonacci-Zahlenreihe für den Aktienmarkt. Eine Reihe erstaunlich punktgenauer Prognosen verhalfen dem schon siebenundsechzigjährigen zu einer schnellen Berühmtheit an Wallstreet.

Grundidee und Grundprinzipien

Die Elliott-Wave-Theorie geht davon aus, daß der Kursentwicklung an Wertpapiermärkten eine Struktur fraktaler, selbstähnlicher Muster endlicher Anzahl zugrundeliegt, die sich im Zeitablauf in ihrer Grundstruktur zyklisch, ohne konstante Periodizität wiederholen. Dies heißt implizit, daß massenpsychologisches Verhalten, wie es auf Kapitalmärkten typischerweise anzutreffen ist, Mustern folgt und somit als teilweise determiniert betrachtet werden kann.
Von der Grundidee her ähneln sich demnach Chartanalyse, Technische Analyse und Elliott-Wave-Theorie. Allerdings ist nur die Elliott-Wave-Theorie in der Lage, künftige, auch langfristige Formationsabfolgen mit einem Horizont bis zu mehreren Jahrzehnten vorherzusagen, was einen entscheidenden Vorteil für den Anwender darstellt. Zahlreiche „Fetische“ der Chartanalyse, wie z.B. die Schulter-Kopf-Schulter-Formation, Wimpel und Flaggen oder das Doppeltop, wie auch Widerstands- und Unterstützungszonen sind kompatibel mit der Elliott-Wave-Theorie, werden von dieser allerdings besser erklärt. Insofern ist die Elliott-Wave-Theorie im Sinne des kritischen Rationalismus eines Karl Popper der klassischen Chartanalyse als Theorie überlegen.

Elliott unterscheidet Zyklen unterschiedlicher Ordnung, deren Länge von mehreren Jahrhunderten bis zu wenigen Minuten reichen und sich in Ihrer Struktur ähneln, ineinander verschachtelt sind.

Ein kompletter Grundzyklus (gleich welcher Betrachtungsordnung) besteht aus 2 Basiswellen, einer Impulswelle und einer Korrekturwelle. Die Impulswelle besteht - eine Stufe tiefer ins Detail gehend - aus fünf Wellen, von denen drei aufwärts, zwei abwärtsgerichtet sind, die Korrekturwelle aus drei Wellen, von denen zwei abwärts, eine aufwärts gerichtet ist.

Während Impulswellen (vor allem im Bullmarket) relativ problemlos zu handhaben sind, ergeben sich bei der Behandlung von Korrekturwellen zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, da eine Vielzahl unterschiedlichster Korrekturformationen unterschieden werden, die sich zu Beginn ihrer Entwicklung zum Teil gleichen und so die wahre Natur einer Korrekturwelle nur schwer bzw. sehr spät fixiert werden kann. Fehlprognosen unter Verwendung der Elliott-Wave-Theorie entstehen zumeist durch Fehlinterpretationen von Korrekturwellen, Verluste durch zu frühes Einsteigen in den Markt, bevor eine Korrekturwelle eindeutig als abgeschlossen betrachtet werden kann.

Ein kompletter Zyklus besteht also aus insgesamt 8 untergeordneten Wellen. Die Zahlen 1 (ein Zyklus), 2 (Impuls- und Korrekturwelle), 3 (Grundstruktur der Korrekturwelle), 5 (Grundstruktur der Impulswelle) und 8 (Summe der Unterwellen der Impuls und Korrekturwelle) stellen Bestandteile der Fibonacci-Zahlenreihe dar, die resultiert, wenn man ausgehend von 0 und 1 das nächste Reihenglied durch Addition der beiden vorhergehenden bildet: 0,1,1,2,3,5,8,13,21,34, 55 usw. .

Bildet man jeweils den Quotienten einer Fibonacci-Zahl mit ihrem nachfolgenden Glied, so konvergiert dieser Quotient gegen den Wert 0,618, bildet man den Kehrwert, so resultiert die ebenfalls wichtige Fibonacci-Relation 1,618. Dividiert man eine Fibonacci-Zahl durch ihren übernächsten Nachfolger so konvergiert dieser Quotient gegen 0,382 (Kehrwert 2,618); eine Division durch den drittnächsten Nachfolger führt zum Quotienten 0,236.

Diese Fibonacci-Relationen stellen häufig hervorragende Hinweise für das Größenverhältnis einzelner Wellen zueinander zur Verfügung und erlauben so im sich fortschreitenden Entwickeln einer Welle Aussagen über voraussichtliche markante Wendepunkte im Kapitalmarkt, z.B. das Kursziel von Aufwärtsbewegungen und maximales Korrekturpotential bei Abwärtsbewegungen sowie das zu erwartende Niveau von unteren Wendepunkten in der Kursentwicklung.

Von der Grundidee her ist die Elliott-Wave-Theorie erst in zweiter Linie als Prognoseinstrument, sondern vielmehr als Theorie zur Analyse massenpsychologischer Phänomene konzipiert. Dies kommt auch in der wichtigen Aussage zum Ausdruck, daß sich die Wellenstruktur nicht in einer linear-konstanten zeitlichen Dimension entfaltet. Dies bedeutet für den Anwender, daß zwar hervorragende Prognosen für das Punkteausmaß einer Bewegung erstellt werden können, Prognosen über den Zeitpunkt des Eintreffens eines bestimmten Punktestandes aber nur unter Vorbehalt und mit sehr großer Vorsicht zu befolgen sind.

Der Anwender sollte nicht den Fehler begehen, exakte Punktprognosen, schon gar nicht in Intraday-Betrachtung erstellen zu wollen. Ebenso setzt die Elliott-Wave-Theorie eine große Marktbreite mit entsprechendem Umsatzvolumen im zugrundeliegenden Titel voraus (siehe auch "Datenbasis"), da sich sonst keine massenpsychologischen Effekte darstellen können. Die Stärke der Elliott-Wave-Theorie liegt im Aufdecken des möglichen Bevorstehens markanter mittel- bis langfristiger Wendepunkte im Markt und der Eingrenzung möglicher künftiger Kursentwicklungen auf eine überschaubare Zahl. Weisen sämtliche antizipierte Wellenzählungen in eine Richtung, so kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit, ein adäquates Investment vorausgesetzt, mit Gewinnen rechnen. Kaum zu unterschätzen ist auch das gute, beruhigende Gefühl, daß aus dem „Wissen“ um die potentiellen künftigen Marktentwicklungen entsteht, während die Anhänger der Random-Walk-Hypothese mit der Stange im Nebel des Zufalls stochern.

Summa summarum ist die Elliott-Wave-Theorie m.E. kein perfektes, völlig fehlerfrei funktionierendes Werkzeug zur Kapitalmarktanalyse und -prognose, aber das beste, die derzeit existiert. Das größte Problem für den Novizen der Elliott-Wave-Theorie besteht m.E. darin, für wahr zu nehmen, was sich vor seinen Augen auftut, wenn er historische Kursentwicklungen unter dem Blickwinkel Elliotts analysiert, die größte intellektuelle Hürde besteht in der Fähigkeit, in Szenarien denken zu können. Wer, nach dem Vorbild technischer Indikatorensysteme, auf narrensichere Handlungsanweisungen hofft, der sollte sich gar nicht weiter mit der EWT beschäftigen. Ohne geistige und analytische Flexibilität im Abwägen von Szenarien wird man dem Handwerkszeug nicht Herr. Nicht verschwiegen werden sollte auch, daß eine Prise Glück nicht fehlen darf, will man frühzeitig das “richtige” Szenario erwischen.

Teil 2 folgt direkt im Anschluss von dieser Post!!
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Zitat:
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Die Börse ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst.

André Kostolany


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