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Alt 08-11-2004, 18:40   #73
Starlight
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Die Ratlosigkeit nach drei Großereignissen

Die langfristige Orientierungslosigkeit der Wall Street zeigt sich selten so deutlich wie im Montagshandel. Nach Wochen starker Volatilität und einer zuletzt dreitägigen Super-Rallye finden die großen Indizes im Handel zum Wochenbeginn keine Richtung – sie wissen auch nicht, worauf sie warten sollten.

Schließlich sind all die Ereignisse abgeschlossen, die die Wall Street im dritten Quartal geprägt hatten – fast alle hatten irgendwie mit Politik, und damit mit einer wirklich langfristigen Tendenz für die Märkte, zu tun.

Die Olympischen Spiele in Athen standen unter näherer Beobachtung der Wall Street. Nicht, weil die Börsianer so sportlich sind und mit Hochspannung auf das Ergebnis in Dreisprung oder im Ruder-Einer warteten. Vielmehr hatte die Wall Street während der zwei sportlichen Wochen in Athen große Angst, dass Terroristen die Spiele für medienwirksame Anschläge ausnutzen könnten. Das geschah nicht, und die Börse reagierte erleichtert.

Aller Erleichterung indes war nur vorübergehend, schließlich wartete man an der Wall Street schon auf die nächsten, möglicherweise gefährlichen, Daten: In Boston trafen die Demokraten, in New York vier Wochen später die Republikaner zu ihren jeweiligen Parteitagen zusammen – wieder keine Spur von Al-Kaida und anderen Terrorgruppen.

Für viele auf dem Parkett – wo es Berufs-Optimisten ebenso gibt wie Berufs-Pessimisten – konnte das totale Ausbleiben weiterer Anschläge nur eines bedeuten: Die Terroristen warten auf die Wahlen. Eine solche Theorie ist natürlich ziemlicher Blödsinn. Immerhin war auch der 11. September vor dem Unglücksjahr 2001 kein Stichtag im amerikanischen oder islamischen Kalender, und außerdem haben Terroristen bislang meist ein gewisses Moment der Überraschung ausgenutzt.

Doch wartete man auf dem Parkett gespannt auf die Wahlen, die nun bekanntlich vorbei sind keinen Terror, dafür überraschenderweise aber einen Sieger mitgebracht haben. So weit, so gut, sollte sich der Handel sagen – doch ist das Spiel nicht so einfach. Dass vier weitere Jahre unter Präsident Bush für die Wall Street gut sind, ist in den aktuellen Kursen – nach einer Kletterpartie um immerhin 3,5 Prozent – locker eingepreist. Doch jetzt müssen die Fakten her, die den Optimismus für die nächsten vier Jahre untermauern.

Mit einer Arbeitsmarkt-Rallye zum Wochenschluss haben die Indizes zwar auch auf den jüngsten Konjunkturbericht entsprechend reagiert, doch macht eine gute Zahl noch keinen Bullenmarkt.

Jetzt warten Anleger also auf weitere Katalysatoren. Bis dich diese einstellen – zum Beispiel über erste Berichte zum Weihnachtsgeschäft – dürfte der Markt erst einmal wieder nach unten ziehen. Ein Blick auf den Chart für die letzten Monate legt nahe, dass der Dow vorübergehend bis auf 9500 Punkte fallen könnte. Dafür bräuchte es noch nicht einmal einen Terroranschlag.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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