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Alt 09-11-2004, 18:53   #74
Starlight
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Der Ölpreis fällt – aber wahrscheinlich nur kurzfristig

Wer noch einen letzten Beweis dafür gebraucht hat, dass der Ölpreis in den letzten Wochen nicht etwa aufgrund fundamentaler Daten geklettert ist, sondern dank dem Engagement der Spekulanten, der fühlt sich am Dienstag bestätigt: Der Preis für ein Fass Rohlöl fällt weiter – Schwierigkeiten in Nahost hin oder her.

Nachdem das Schwarze Gold zur Mittagsstunde einen guten weiteren Dollar verloren hat und nahe bei 48 Dollar pro Fass notiert – im vorbörslichen Handel hatte Öl sogar unter 48 Dollar gekostet – bilanziert der Markt ein Sechs-Wochen-Tief. Fast 15 Prozent hat der wichtigste Rohstoff seit seinem Hoch vor nur zwei Wochen verloren, dabei sieht die Lage in den Förderländern gar nicht so gut aus.

Die Kämpfe im Irak haben nach den Präsidentschaftswahlen an Intensität nur zugelegt. Amerikanische Soldaten haben sich zur Stunde bis in das Zentrum von Falludschah durchgeschlagen, wie lange die Unruhen dort anhalten und wie weit Amerika zeitgleich auf Attacken anderswo im Land reagieren kann, ist völlig offen. Ein sinkender Ölpreis ist daher nicht direkt eine logische Folge der Geschehnisse.

Auch das Hin und Her um den Palästinenser-Chef Arafat müsste verunsichernde Wirkung auf den Handel haben – hat es aber nicht. Dass Arafat nach wie vor im Koma liegt, zwischenzeitlich mehrfach tot gemeldet wurde und wohl in der Tat nicht mehr allzu lange zu leben hat, könnte sich destabilisierend auswirken. Allein die aktuell scheinbare Verhandlungsbereitschaft der Palästinenserführung kann Unruhen im Gaza-Streifen und in Israel nicht unbedingt verhindern.

Der Ölpreis steigt allen Krisen zum Trotz. Das soll einerseits damit zusammenhängen, dass der Winter in manchen Gegenden der USA doch nicht so früh und so stark begonnen hat wie erwartet. Die Nachfrage vor allem nach Heizöl ist also noch nicht gestiegen. Dass ein Ansteig indes nur leicht verschoben auftreten dürfte, beunruhigt den Markt am Dienstag nicht.

Stattdessen freut man sich über die siebte Woche in Folge mit steigenden Lagerbeständen. Dabei ist auch diese Entwicklung keine ausnahmslos gute. Schließlich zahlen die USA auf dem aktuell hohen Preisniveau teuer dafür, ihre Tanks zu füllen. Man bringt zwar immer mehr Öl ins Land und scheint zunehmend gegen Engpässe abgesichert zu sein – der Preis dafür ist aber immer noch hoch.

Dass Spekulanten noch immer wichtiger sind für die Preisentwicklung, zeigt auch der unbekümmerte Handel der Öl-Aktien. Der Branchenindes OSX legt am Dienstag um 1 Prozent zu – Anleger wissen, dass der Wert des Schwarzen Goldes angesichts der globalen Lage nur zeitweise fällt.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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