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Alt 08-06-2004, 16:26   #1
PC-Oldie-Udo
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Question Kopfschütteln über Stoibers Absage - P R O D I - N A C H F O L G E

Kopfschütteln über Stoibers Absage


| 08.06.04 |

Es wäre eine Sensationsmeldung gewesen, die selbst eingeweihte EU-Experten überrascht hatte: Edmund Stoiber wird neuer EU-Kommissionspräsident. Doch Stoiber lehnte das Angebot ab. Von Ottmar Berbalk und Martin Bommersheim, Brüssel



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Ein hoher EU-Beamter kann dies nicht fassen: „Dass Stoiber nicht als EU-Kommissionschef nach Brüssel wechselt und lieber in München bleibt, finde ich erstaunlich. Ich bin der Überzeugung, er hätte das hier gut gemacht.“

FOCUS hatte am Wochenende diesen spektakulären Geheimplan zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac enthüllt. Sie hatten sich bereits auf den bayerischen Ministerpräsidenten geeinigt. Doch der CSU-Chef schlug die attraktive Offerte nach einigen Wochen Bedenkzeit im Februar aus. Der Coup blieb über Monate im Verborgenen. Die drei Beteiligten hatten striktes Stillschweigen verordnet. Nun, nach der FOCUS-Exklusivstory, rätseln das politische Brüssel, Berlin und München über die Hintergründe.

Schüssel und Juncker im Rennen

Am 17. und 18. Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel, um über die wichtigste Personalie des Jahres zu entscheiden. Es geht um die Nachfolge des Italieners Romano Prodi an der Spitze der EU-Kommission. Nach der Absage Stoibers ist das Rennen völlig offen. Der Belgier Guy Verhofstadt, Luxemburgs Jean-Claude Juncker und Österreichs Wolfgang Schüssel gelten als Favoriten.

Rückblende: Paris und Berlin im November 2003. Was könnte Schröder und Chirac bewogen haben, Stoiber das Amt anzutragen? „Das wäre der erste europäische Spitzenposten für einen Bayern in Europa seit Ludwig IV. gewesen“, sagt der CSU-Europaabgeordnete Joachim Wuermeling. Das ist schon ein paar Jahre her. Ludwig IV. war römisch-deutscher Kaiser im 14. Jahrhundert.

Der Vorschlag Stoiber hätte aus Brüsseler Sicht auch aktuell viel für sich gehabt. Chirac will nur einen Konservativen auf dem Posten akzeptieren. Der mächtige Polit-Profi aus Paris kann gut mit Stoiber, schätzt dessen Wirtschaftspolitik. Also schlug Chirac dem deutschen Bundeskanzler den Coup vor.

Und der zog mit. Auch aus guten Gründen. Nicht nur, weil Schröder seit seinen Zeiten als Ministerpräsident Niedersachsens in Wirtschaftsfragen häufig mit Stoiber übereinstimmt. Vom Kanzler war sogar mal zu hören, wenn Stoiber gerne Bier trinken würde, würde er sich öfters mal mit ihm in ein Münchner Wirtshaus setzen.

Stoiber als Kommissionspräsident wäre in jedem Falle aber auch ein international bedeutender Erfolg für Schröder. Da spielte Parteitaktik nur noch eine untergeordnete Rolle. „Die Deutschen sind mal wieder dran“, heißt es in Berlin. Schließlich war mit Walter Hallstein letztmals vor 37 Jahren ein Deutscher ganz oben in Europa.

Stoiber fand das Angebot überaus verlockend. Er weihte außer CDU-Chefin Angela Merkel nur ganz wenige Personen ein. Letztlich sagte er „Nein, danke, Herr Bundeskanzler“, „Non, merci, Monsieur le President“. Warum? Der 62-Jährige will den CSU-Vorsitz noch nicht abgeben. Europapolitik von München aus mit klarer Kante zu betreiben fällt leichter, als sich auf das Polit-Geschachere in der EU-Zentrale einzulassen. Parteifreunde bedauern das Nein, weil der Posten natürlich viele Einflussmöglichkeiten eröffnet hätte.

In Brüssel hätte der bayerische Ministerpräsident ein Schlossherr besonderer Art werden können. Zum einen Herrscher über das Berlaymont, dem Hauptsitz der EU-Beamten mit 2500 Büros mitten im Herzen der Stadt, zum anderen gern gesehener Gast in der neuen bayerischen Landesvertretung, die schlossartig zu Füßen des EU-Parlamentes liegt.

(Autor: Ottmar Berbalk und Martin Bommersheim, Brüssel)
http://aktuell.focus.msn.de/hps/fol/...be.htm?id=3305
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Es grüßt euch
Udo

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