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Alt 23-09-2002, 07:40   #7
cade
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hier noch ein paar aktuelle beispiele

Neue Spruchstellenverfahren

Nur selten können Aktionäre mit den Abfindungsbeträgen zufrieden sein, die beim Abschluß von Unternehmensverträgen von börsennotierten Gesellschaften mit einer beherrschenden Gesellschaft gemäß §§ 304 und 305 AktG pflichtgemäß angeboten werden müssen. Basis solcher gesetzlichen Abfindungsangebote sind bekanntlich Unternehmensbewertungen nach dem Ertragswertverfahren, die von Wirtschaftsprüfern auf Grund der vergangenen Jahresabschlüsse und der Planrechnungen des Unternehmens erstellt und bestätigt werden. Es liegt auf der Hand, daß Mehrheitsaktionäre, die die Vorteile aus solcher Beherrschung ziehen, so wenig wie möglich dafür aufwenden wollen. (Gleiches gilt übrigens z.B. auch bei Verschmelzungen, wenn etwa Aktien einer Obergesellschaft als Abfindung gezahlt werden.)

Zum Schutz der außenstehenden Aktionäre sieht das Aktiengesetz immerhin vor, daß die Angemessenheit der Abfindung durch ein Gericht im Wege eines "Spruchstellenverfahrens" überprüft und von diesem festgesetzt werden kann. Anders als die Depotbanken, die in den Hauptversammlungen traditionell noch immer die meisten Stimmen vertreten, beantragt die SdK bei entsprechenden Vorgängen und Anhaltspunkten für eine unangemessene Bewertung im Interesse der Kleinaktionäre ein Spruchstellenverfahren bei den zuständigen Gerichten. Die Ergebnisse dieser Verfahren, wie sie in der letzten Zeit bei Friatec,Schumag und Thyssen Industrie angestrengt wurden, kommen dann allen Aktionären der betroffenen Gesellschaft zugute - unabhängig, ob sie sich an dem Verfahren beteiligen oder nicht.


Friatec: Die Abfindung ist zu niedrig
1998 hatte die britische Glynwed-Gruppe die Kapitalmehrheit an der Friatec AG, Mannheim, von deren bisherigen Großaktionären übernommen. Sie hatte damals den Minderheitsaktionären von Friatec kein Übernahmeangebot im Sinne des Übernahmekodex unterbreitet, sondern im März dieses Jahres auf einer außerordentlichen Hauptversammlung einen Unternehmensvertrag mit der Friatec AG beschließen lassen. Die angebotene Abfindung belief sich auf DM 40,36 je Aktie, die alternativ festgesetzte jährliche Ausgleichszahlung (Garantiedividende) betrug DM 2,05. Die SdK trug bereits auf der Hauptversammlung ihre Kritik an der vorgelegten Unternehmensbewertung vor. Sie berücksichtigt die bisherige dynamische Entwicklung der Friatec nicht ausreichend, geht von Stagnation und sogar Aufgabe wichtiger Geschäftsfelder aus und legt - wie in vielen Bewertungsgutachten festzustellen - einen überzogenen Kapitalisierungszinsfuß zugrunde. Daher stellte die SdK jetzt beim Landgericht Mannheim den Antrag auf gerichtliche Bestimmung der angemessenen Abfindung bzw. Ausgleichszahlung. Außerdem fordert die SdK in diesem Zusammenhang die Offenlegung der Verkaufspreise, die die früheren Mehrheitsaktionäre beim Verkauf ihrer Anteile erzielt haben. Die Zahlungen an die freien Aktionäre hätten sich auch an diesen Preisen zu orientieren, da es keinen Grund geben kann, warum Glynwed der Zugriff auf die Aktien der freien Aktionäre zu einem geringeren Betrag gestattet sein soll, als sie an die Großaktionäre gezahlt hat.


Schumagie gerichtliche Bestimmung von Abfindung und Ausgleichszahlung ist notwendig
Auch bei der Schumag, Aachen, hat der Großaktionär, die Deutsche Babcock, mit dem Abschluß eines Beherrschungsvertrages die formelle Herrschaft übernommen. Hier werden den außenstehenden Aktionären DM 46,42 als Abfindung, alternativ DM 4,03 als Garantiedividende angeboten. Geradezu rechtswidrig ist in diesem Fall, daß diese Zahlungen überhaupt nicht im Unternehmensvertrag selbst festgesetzt sind, sondern daß die beteiligten Gesellschaften, Schumag und Deutsche Babcock, dies einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überlassen haben. Darüber hinaus ist auch hier eine unangemessen niedrige Bewertung durch diesen Wirtschaftsprüfer zu kritisieren. Die Schumag ist ohne Zweifel ein höchst ertragreiches Unternehmen des Spezialmaschinenbaus. Gleichwohl wird für sie nur ein Ertragswert von knapp 186 Mio. DM errechnet. Dieser beruht u.a. auf der völlig unrealistischen Annahme einer künftigen nominalen Stagnation (d.h. einer realen Schrumpfung) der Leistungserbringung der Schumag. Im Widerspruch dazu wird andererseits jedoch in der Ertragswertberechnung unterstellt, daß die künftig geplanten Investitionsraten wesentlich über den bisherigen liegen.

Hinsichtlich der Garantiedividende ist zudem die Annahme gemacht worden, daß sie die Körperschaftsteuergutschrift enthält. Damit beläuft sich aber die tatsächliche Dividende auf lediglich DM 2,82. Dies ist ebenfalls mit Sicherheit viel zu niedrig. Aus all diesen Gründen hat die SdK beim Landgericht Köln beantragt, die Bewertung von Schumag zu überprüfen und die Zahlungen gerichtlich festzusetzen.


Thyssen Industrie: Das Umtauschverhältnis wird überprüft
Im Zuge der Fusion von Thyssen und Krupp Anfang dieses Jahres wurde die Thyssen Industrie AG auf die Thyssen AG verschmolzen. Den Aktionären von Thyssen Industrie wurden dabei für je 1 TI-Aktie 1,25 Aktien der Thyssen AG (beide im Nennwert von DM 50,-) zum Tausch offeriert, die dann wenig später zu Aktien der neu formierten Thyssen Krupp AG wurden. (Wenn sie die Wahl gehabt hätten, hätten die TI-Aktionäre sicher eine entsprechende Barzahlung vorgezogen, denn in dem Gutachten, das dieses Tauschverhältnis ermittelte, wurde die Thyssen-Aktie mit DM 777,07 bewertet!) Auch hier ist die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses zu überprüfen. Denn der Wert der Thyssen AG erscheint wesentlich zu hoch angesetzt, vor allem wegen sehr hoher erwarteter Synergievorteile und unrealistisch optimistischer Erwartungen für das Stahlgeschäft. Hingegen sind bei Thyssen Industrie die von Innovationskraft und internationaler Wettbewerbsfähigkeit getragenen Ergebnisse technisch anspruchsvoller Geschäftsfelder nur unzureichend eingeflossen. - Bereits im April d.J. hat die SdK daher ein Spruchstellenverfahren beim Landgericht Dortmund beantragt.
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