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Alt 05-10-2004, 19:19   #29
Starlight
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Die Macht des Schwarzen Goldes

So schnell kann’s gehen: Gerade noch zitterte die Wall Street vor der Fünfzig-Dollar-Marke, am Dienstag nun klettert Öl noch höher und binnen weniger Stunden könnte der nächste Dollar fallen. Dass Analysten schon die Sechzig-Dollar-Marke in Gefahr sehen, ist mehr eine Frage der Zeit als eine Wahnvorstellung.

Der hohe Ölpreis alleine scheint nun ausreichend Grund dafür zu sein, dass die Aktien erneut auf den absteigenden Ast kommen. Das ist nicht mehr als angemessen, denn der Ölpreis bestimmt Erfolg und Misserfolg zahlreicher Branchen und hat zudem noch gewaltige Auswirkungen auf den Verbraucher und damit auch auf die Konjunktur.

Schon die konjunkturellen Auswirkungen, die ein Preisanstieg beim Schwarzen Gold mit sich bringt, haben es in sich: Sie reichen von höheren Rohstoff- und Transportkosten bei den Herstellern direkt bis zu niedrigeren Gewinnmargen und geringerer Bereitschaft zu Investitionen. Das wiederum schlägt sich auf Zulieferindustrien ebenso durch wie auf den Arbeitsmarkt.

Der Verbraucher wiederum leidet nicht nur unter dem schwachen Arbeitsmarkt, sondern unter den höheren Preisen an der Zapfsäule, die das verfügbare Einkommen schmälern und die Konsumausgaben zügeln. Während eine Gallone Sprit im vergangenen Jahr noch 1,57 Dollar kostete, zahlen Autofahrer heute zwischen 1,85 und 2,05 Dollar – Tendenz weiter steigend. Vor allem im stark von Konsum abhängigen vierten Quartal mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest könnte dies dramatische Ausgaben haben.

Das vierte Quartal steht indes nur für einige Anleger in Zusammenhang mit Weihnachten. Die Beobachter anderer Branchen haben weniger festliche Assoziationen mit dem angebrochenen Vierteljahr: Der Winter steht bevor, und mit den ersten kalten Tagen – zu Wochenbeginn fiel das Thermometer in Pennsylvania bereits auf 5 Grad Celsius – steigen die Heizkosten. Kunden, die im vergangenen Jahr noch 1,20 Dollar für die Gallone zahlten, konnten in diesem Jahr froh sein, bei 1,50 einen Vertrag zu ergattern. Der Tagespreis ist schon jetzt deutlich höher und dürfte mit der Nachfrage steigen.

Doch sind nicht nur Benzin und Heizöl teurer geworden. Dass Kunden im Supermarkt immer mehr für Milch hinblättern müssen, hängt direkt mit den höheren Transportkosten zusammen. Die sind für Güter genauso gestiegen wie für den Personenverkehr, und damit werden natürlich auch Dienst- und Urlaubsreisen teurer. Letztere Mehrkosten dürften indes nur minimal an den Verbaucher gehen, der harte Konkurrenzkampf unter den Airlines verbietet dramatische Preiserhöhungen.

Diese Tendenz spiegelt sich auf ähnliche Weise übrigens in allen Sektoren wieder. Güterpreise werden nicht ganz so steil steigen wie die damit verbundenen Kosten – die schwache Tendenz der Löhne ist dafür verantwortlich. Da die Stundenlöhne zuletzt nur schwach zulegten, schließen Konjunkturbeobachter zumindest eine Inflation zunächst aus.

Darauf indes achtet auch die Fed mit Argusaugen. Sobald die Preise zu stark anziehen würden, droht die Fed mit stärkeren Zinsschritten.

Die Börse bleibt nahe an all diesen Trends. Immerhin: Eine engere Verbindung als die zwischen Ölpreis und Aktienkursen lässt sich kaum ziehen. Öl klettert und zieht Folgen in allen Sektoren der US-Wirtschaft nach sich. Auf dem Parkett achtet man auf einzelne Papiere als Indikatoren für einen Trend. Eine der wichtigsten Aktien ist Wal-Mart, wo Umsatz und Gewinn seit geraumer Zeit kaum wachsen – aus gutem Grund.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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