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Alt 04-11-2004, 06:59   #29
niemandweiss
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Cool und was meint die Presseschau heute ?

Donnerstag, 04. November 2004 07:05 Uhr


DEUTSCHLANDFUNK, die Presseschau (7:05h)



Im Mittelpunkt der Kommentare steht natürlich der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA. Außerdem geht es um den Tarifkompromiss bei Volkswagen. "


George Bush hat die Mehrheit der Wählerstimmen erhalten und damit den unrühmlichen Wahlausgang von 2000 ausgebügelt", schreibt die Zeitung DIE WELT zur Wiederwahl des US-Präsidenten. "Er hat eine zweite Amtszeit erobert und eine weltweit umstrittene Außenpolitik in einer demokratischen Wahl bestätigt bekommen. Von jetzt an ist sein Handeln nach demokratischem Maßstab legitim, was auch immer man über diese Politik denken mag", notiert DIE WELT.


"Wurden die Amerikaner aus Schaden nicht klug?", fragt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU . "Die diesmal so stark wie nie zuvor mobilisierte konservative Basis scheint dem Texaner tatsächlich nicht übel zu nehmen, dass er einen Krieg am falschen Platz unter falschen Prämissen geführt hat. Sie toleriert offenbar auch, dass Bush glaubt, die USA vor allem mit einer Art Kanonenboot-Politik sicherer machen zu können, die wiederum das beste Rekrutierungsmitel für extremistischen Nachwuchs darstellt. Und sie verzeiht, dass der Präsident den 'american way of life' letztlich akut gefährdet, indem er das Land in Schulden ertrinken lässt", wundert sich die KÖLNISCHE RUNDSCHAU.


"Es bleibt die Erkenntnis, dass es die große Unzufriedenheit und Wechselstimmung wohl eben doch nur bei der Opposition gab, nicht als breite Welle, die durchs Land schwappte", hält die FRANKFURTER RUNDSCHAU fest. "Amerika, in zwei große Gesellschaftsblöcke gespalten, hat seine konservative Seele gewählt. Knapp, aber deutlich. Die Nation ist mehr kulturell als politisch gespalten; die Kandidaten Bush und Kerry haben diese Kluft verkörpert. Im ländlich-frommen Milieu ist es den Wählern wichtiger, mit Bush in den großen Gesellschaftsfragen übereinzustimmen als mit jedem Detail seiner Politik. Sein Wahlkampf war ganz auf diese Klientel angelegt. Am Ende dürfte sie den Ausschlag gegeben haben", vermutet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.


Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle erklärt das Wahlergebnis so: "In einer Zeit der Unsicherheit besinnen sich die Amerikaner auf konservative Werte: Familie, Religion, Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft. Diese Werte verkörpert der Präsident, ihre Verteidigung war Bushs einfache, aber eingängige politische Botschaft. Die Frage ist aber, ob dieses Programm auch als Grundlage für eine zweite Amtszeit reicht."


Die NEUE PRESSE aus Hannover ergänzt: "Die Bürger sind so aufgewühlt und latent verunsichert, dass sie ausgerechnet bei jemandem Halt suchen, der diesen labilen Gefühlszustand im Land mitverantwortet. Das mag absurd klingen, aber es ist eine Tatsache. Weil Bush nach dem 11. September aus den USA eine Nation im permanenten Kriegszustand gemacht hat, hat er gewonnen: Ein Präsident im Krieg wird nicht abgewählt."


Die BADISCHE ZEITUNG ist erleichtert, dass sich das Wahldrama von Florida vor vier Jahren trotz des unklaren Ergebnisses in Ohio nicht wiederholte und bescheinigt dem gescheiterten Herausforderer: "Es spricht für Kerry, dass er seine Niederlage gestern eingestand und der Nation damit peinliches Gezerre ersparte. Es spricht gegen Kerry, dass es ihm nicht gelungen ist, Bush gefährlich zu werden. Eine wirklich überzeugende Alternative zum Präsidenten vermochte Kerry nicht zu verkörpern. Sein Profil blieb schemenhaft", kritisiert die BADISCHE ZEITUNG.


Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND spricht von einem starken Mandat für Bush und führt aus: "In beiden Kammern, in Senat und Repräsentantenhaus, konnten die Republikaner hinzugewinnen. Bushs Bewegungsfreiheit hat sich damit vergrößert. Er kann, wie es seinem bisherigen Stil entspricht, beherzt seinem Gewissen und seiner Überzeugung folgen, fast unbehindert von innenpolitischen Gegnern. Auch das Verfassungsgericht wird künftig von Konservativen dominiert, und der Präsident kann über die Berufung von Richtern langfristigen Einfluss ausüben", erläutert die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND.


Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG rechnet trotz der gestiegenen Machtfülle Bushs mit einer neuen Politik im Weißen Haus: "So halsstarrig Bush den Irak-Feldzug durchgezogen und damit den islamistischen Terror weltweit noch verstärkt hat: Seine Doktrin des präventiven Schutzes Amerikas muss der US-Präsident nicht zwingend in gleicher Weise fortsetzen. Ein zweites Irak kann sich auch Bush nicht leisten. Und sein Vorbild Ronald Reagan hat ihm vorgemacht, dass auch ein eisenharter Präsident in seiner zweiten Amtszeit mehr Gewicht auf eine Politik der Diplomatie legen kann", erinnert die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf.


"Wir müssen uns wünschen, dass Bush aufhört, Bush zu sein", findet die Wochenzeitung DIE ZEIT : "Das heißt: weniger hochfahrend und selbstgerecht, mehr zuund hinhörend, und zwar im ureigenen Interesse. Denn was immer Amerika in den nächsten vier Jahren anstrebt, erfordert verlässliche, hilfsbereite Freunde, und die wünschen nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch Respekt. Wie sonst will Bush das iranische und nordkoreanische Atomwaffenprogramm stoppen, den Dollar retten, den Terror besiegen, das irakische Demokratieprojekt vor der Blutrünstigkeit seiner Feinde bewahren?", möchte DIE ZEIT wissen.


Auf das künftige transatlantische Verhältnis geht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ein: "Dieses Amerika wird seinen globalen 'Krieg gegen den Terror' fortsetzen und unbeirrt mit militärischer Gewalt zuschlagen, wann und wo immer es die einzige Supermacht für nötig hält. Die Europäer bleiben derweil, was sie sind: bestenfalls nützliche Hilfstruppen, schlimmstenfalls lästige Störenfriede. Nein, der alt-neue Präsident wird keinen Finger rühren, damit die Europäer werden, was sie so gerne wären - gleichwertige Partner Washingtons. Als Lehre aus seiner irakischen Lektion mag Bush die Nato künftig weniger ruppig behandeln als während seiner ersten Amtszeit. Aber einen Weg zurück zur trauten atlantischen Ära vor dem 11. September 2001 gibt es für ihn nicht", ist die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG überzeugt.


Die in Berlin herausgegebene TAGESZEITUNG bezweifelt, dass die Bundesregierung einen US-Präsidenten Kerry lieber gesehen hätte - und begründet das so: "Wenn Kerry gewählt worden wäre und die Hoffnungen auf eine Abkehr von der unilateralen Politik seines Vorgängers erfüllt hätte, dann stünde die rot-grüne Koalition vor einem Problem. Niemand, der bei Verstand ist, kann derzeit wünschen, eigene Truppen in den Irak zu schicken. Aber es wäre nicht auszuschließen, dass eine geschickte, multilaterale Diplomatie von John Kerry dieses für die Bundesregierung unumgänglich gemacht hätte. Sollte George Bush zu neuen militärischen Abenteuern aufbrechen, gibt es für den Bundeskanzler keine Veranlassung, an seiner Seite zu reiten. Zumal er ja die Erfahrung gemacht hat, dass sich auch ein schwerer Konflikt mit Washington politisch überleben lässt", hebt die TAZ hervor.
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