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Alt 24-04-2016, 14:38   #4
Benjamin
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Mein Posting vom 04.08.2012, http://www.stock-channel.net/stock-b...82&postcount=4

Was haben wir:

So viel Geld ist im Topf: Der ESM verfügt über 500 Milliarden Euro, der EFSF nur noch über 148 Milliarden Euro, macht 648 Mrd. €. Dazu unbegrenzte EZB-Mittel: Kein Limit bei deren Bond-Käufe. In Summe also sicherlich über 1 Billion €, evtl. bald 2 Billionen, oder noch mehr. Das ist eine Menge Holz! Zum Vergleich: Das BIP von Deutschland beträgt 2,4988 Billionen Euro (Stand: 14. Februar 2011, für das Jahr 2010). Mit 81,7 % des BIP ist Deutschland aber bereits verschuldet und zahlt derzeit in Summe knapp 3% Zinsen dafür.

Dafür wird es gebraucht: Slowenien, Zypern, Portugal, Irland, Griechenland, Spanien (zunächst nur mit Bankenhilfen), vermutlich demnächst auch noch Italien.


Der Ansatz von EZB & Co.:

Die Leitzinsen sind in alles westlichen Staaten bereits unterschiedslos "unten": 'Geld billiger machen' ist also schon fertig.
Da bleibt doch nur noch 'Geld schenken' - also "quantitative Lockerung" mit "gedrucktem"" Geld. Das ist etwas umständlicher, als es per Helikopter abzuwerfen (da hätte wenigstens jeder die gleichen Chancen), aber im Kern ist es doch nichts anderes! Heli-Ben läßt grüßen!

Es wurde nämlich seitens der EZB offengelassen, ob die künftigen Anleihekäufe mit dem frei "geschöpften" Mitteln "sterilisiert" werden - vermutlich also nicht. Folge: Künftig würde die Geldmenge durch die Bond-Käufe steigen, was Inflation bedeutet. Die Perspektive 4% Inflation scheint mir ein plausibler "Zielwert" zu sein.

Die Geldmenge wird aber nur bei den großen Investoren frei, insbesondere den Banken, Versicherungen, etc. Die werden dann das freigewordene Geld wieder anlegen. Folge: Vermögenspreisinflation im reichen Norden, aber nur sehr selektiv im armen Süden. Also steigende Kurse bei Aktien und sonstiger Vermögenspreise in den begünstigten Staaten, darunter auch Deutschland?

Rein ökonomisch betrachtet macht der Ansatz Sinn:

Die Zinsen sind niedrig. Die Inflation ist niedrig. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Konjunkturaussichten niedrig. Die Deflation greift um sich. Und das Allerschlimmste: Wahlen gehen verloren! Wenn nicht jetzt Geld drucken - wann dann??? Das ist die klassische antizyklische Nummer! Wenn es brennt, dann muss man löschen! Das ist ganz einfach! Nicht so kompliziert denken!

Ungenannte, aber essentielle Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit des Ansatzes: Es handelt sich bei der Schwäche nur um ein zyklisches (prinzipiell vorübergehendes) Phänomen und der Weg zum ewigen Wachstum ist offen. Also die feste Überzeugung, dass Bäume tatsächlich bis in den Himmel wachsen können! Wer das anzweifelt, der darf nicht so handeln - wird dann aber nicht mehr gewählt. Also wird so gehandelt!


Sind die Bären also fundamental auf einem ganz falschen Dampfer, weil sie ursächlich auf die enorme Größe und Komplexität der realen Strukturprobleme schauen, also auf den Abgrund starren, anstatt ganz einfach auf das resultierende Symptom: Ein Gebirge an Geld, das auf den Markt wollen wird - sofern das Bundesverfassungsgericht in seiner Eilverfahrensentscheidung am 12. September und in seinem späteren Urteil zustimmt! Aber werden sich ein paar Richter diesem Druck widersetzen können? Wohl eher nicht! Geld = Macht = Recht!

Was bedeutet das für den Euro?

Wenn man das weiter denkt, dann bedeutet die EZB-Ankündigung (..werden alles tun, um..) nichts anderes, als dass die Europäische Zentralbank am Ende sogar mehr Geld drucken wird als die Federal Reserve! Denn die Wirtschaft der EU ist etwas größer als die der USA und hat größere strukturelle Probleme - da muss also noch mehr rein, um den gleichen Effekt zu erzielen!

Was sind denn die Größenordnungen, die man jährlich einkippen muss, um so einen Tanker zu bewegen?

Das jährliche BIP der EU beträgt in 2012 12,86 Billionen €. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/222901/umfrage/bruttoinlandsprodukt-bip-in-der-europaeischen-union-eu/
Der analoge Wert für die USA: 15,6 Billionen $/Jahr http://de.statista.com/statistik/daten/studie/14418/umfrage/bruttoinlandsprodukt-in-den-usa/,also umgerechnet 12,6 Billionen €/2012.

Bisherigen Anleihenkäufe
- der Federal Reserve (Fed): etwa 2,12 Billionen Euro
- der EZB: 0,2115 Billionen Euro
Quelle: http://www.zeit.de/news/2012-08/02/eu-analyse-europas-dilemma-und-amerikas-rat-02163203
Die Fed hat bislang also 16,8% des US-BIP in den Büchern. Die EZB analog nur 1,6%.

1 Billion € jährlich gedrucktes Geld in die EU hinein sind nur 7,8% des BIP der EU. Das reicht wohl nicht für Kurswechsel. 20% des BIP (=2,57 Billionen €) sind wohl eher eine Hausnummer! Also etwa 2,5 Billion € pro Jahr? Das wäre das BIP von Deutschland - pro Jahr! :ek Alles gedrucktes Geld! Da wird einem ganz anders...

Ich denke daher, dass die EZB (zusammen mit ESM und EFSF) diesbezüglich mit der Fed mindestens gleichziehen wird, also Anleihen der EU-Schuldnerstaaten im Wert von mindestens 2 Billionen € zusätzlich (neu) aufkaufen wird.

Wie hoch die Summe am Ende auch immer sein wird: Der Euro wird zwangsläufig weiter abwerten, völlig klar. Um den Euro zu retten, muss man ihn abwerten! Zwischen € und $ (und anderen schuldengeplagten Währungen) dürfte sich dabei sogar ein Wettlauf entspannen: Wer am schnellsten abwertet, der gewinnt auf den Exportmärkten!

Und was bedeutet die €-Abwertung für Deutschland?

Ein Konjunkturprogramm für diejenigen Unternehmen, die in den Nicht-Euro-Raum exportieren - was zwar nicht die Mehrheit der Unternehmen ist, aber die DAX-Unternehmen sollten profitieren.
Außerdem landet wohl ein großer Teil der Fluchtgelder aus den südeuropäischen Staaten - ein 3-stelliger Milliardenbetrag - bei uns.
IWF-Prognose: Deutschlands Konjunktur ist 2012 im Aufwind, der IWF hat die Wachstumsprognose für Deutschland deutlich angehoben, 2012 werde das Bruttoinlandsprodukt um 1,0 Prozent zulegen. Weltweit sieht der IWF eine Abschwächung der Konjunktur. http://www.handelsblatt.com/politik/...d/6885126.html

Was bedeutet das für die politische Entwicklung der EU?

Man kann immer nur 2 der folgenden 3 Dinge in der EU haben, aber niemals alle 3:
- Tiefe Europäische Integration
- Demokratische Verhältnisse
- autonome Nationen in der EU

So, wie ich es wahrnehme, versucht man derzeit zu erreichen:

- Tiefe Europäische Integration (anders ist der € nicht zu halten)
- autonome Nationen in der EU (anders würde man keine Pseudo-Wahlen mehr gewinnen)

und opfert dafür:

- Demokratische Verhältnisse: Die nationalen Parlamente geben wichtige Hoheitsrechte wie das Haushaltsrecht auf, sind damit quasi entmachtet und dürfen dann nur noch Umsetzungsgesetzgebung bearbeiten von Dingen, die in kleiner Runde eines elitären EU-Zirkels ausgekaspert wurden, der niemandem verantwortlich ist. Im Kern geht es dabei um das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente. EZB-Direktor Jörg Asmussen spricht schon von einer "gemeinsamen Haushaltsbehörde" - vermutlich mit ihm als Chef. Das Wahlvolk wird bei so einem hochkomplexen Gebilde quasi entmachtet, versteht gar nichts mehr, interessiert sich auch nicht mehr; russische Verhältnisse!
Ähnlich in: http://www.nytimes.com/2012/07/07/wo...pagewanted=all

Fazit (sofern das Bundesverfassungsgericht tut, was man ihm sagt):
- Im ganz großen Trend wohl noch weiter steigende DAX-Kurse
- Unter Schwankungen weiter fallender € gegenüber insbesondere asiatischen Währungen
- Inflation wohl mit neuem Zielwert: ~4% (als temporärer Erfolg eines langfristig nicht zu gewinnenden Kampfes gegen die Deflation)
- Wegbrechende demokratische Verhältnisse in der EU
- Die Spirale der "Rettungs-Billionen" ist erst am Anfang und dürfte bei - aus heutiger Sicht - unglaublichen €-Summen landen.
- Am Ende wird der Abgrund aber gewinnen. Wir bezahlen daher nur für das Privileg, als letzte zu verhungern!
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