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Alt 12-08-2005, 22:26   #39
simplify
letzter welterklärer
 
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Nur wenige Pflanzen sind so wetterempfindlich wie die Kaffeebohne. Entsprechend stark schwanken von Jahr zu Jahr die Produktionsmengen - und damit auch die Preise.

Von Meite Thiede, Süddeutsche Zeitung

(11.08.05) - Die Kaffeebohne gilt als die Primadonna unter den Nutzpflanzen. Ein bisschen Bodenfrost am Morgen, und Millionen von Kaffeebäumen sind vernichtet. Deshalb gedeiht Kaffee auch nur in den tropischen Regionen Mittel- und Südamerikas, Afrikas und Asiens.

Der Weltmarktpreis für die grüne Bohne reagiert äußerst empfindlich auf klimatische Kapriolen. Eine Dürreperiode, etwas zuviel Wind oder Sonne schaden der Ernte und treiben die Preise nach oben.

Die Händler beobachten vor allem das Wetter in Brasilien mit Argusaugen, denn von dort kommt ein Drittel der gesamten Weltproduktion, die 2004 bei 113 Millionen Sack (60 Kilogramm) lag. So hat es in diesem Frühjahr in Brasilien viel zuviel geregnet; die Jahresernte fällt knapper aus.

Aber nach dem besonders ergiebigen Erntejahr 2003/04 hatten Experten ohnehin mit einem deutlichen Rückgang gerechnet. Denn nach einer besonders guten Ernte brauchen die Kaffeepflanzen meist zwei Jahre, um sich wieder zu erholen. Hatte das Land 2003/04 noch 38,7 Millionen Sack geerntet, erwartet das Landwirtschaftsministerium jetzt nur noch 32,4 Millionen Sack.

Sojabohnen als Alternative

Brasilien wird künftig ohnehin weniger anbauen, denn das Land versucht, die Abhängigkeit von den Bohnen zu reduzieren. Eine schlechte Ernte stürzt sofort Millionen von Bauern und deren Helfer in eine Existenzkrise.

Wie wichtig der Kaffee für das Land ist, zeigt diese Zahl: Während der Erntezeit sind in Brasilien rund fünf Millionen Arbeiter auf den Feldern beschäftigt. Viele Produzenten steigen inzwischen auch auf die Sojabohne um, deren Anbau als wesentlich lukrativer gilt. Kolumbien und Vietnam sind nach Brasilien die nächstwichtigen Erzeugerländer. Sie liefern zehn beziehungsweise neun Prozent der Weltproduktion.

Die Kaffeebauern haben sich gerade erst von einer schweren Marktkrise erholt. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre lag das Angebot an Bohnen weit über der Nachfrage; die Preise stürzten in den Keller. Der hochwertige Arabica, der zum Beispiel für den deutschen Markt wichtig ist, wurde 1997 nach der Statistik der International Coffee Organisation ICO noch für 189 Dollar-Cent je Pfund gehandelt und verfiel bis 2002 auf 62 Cent. Seither geht es wieder zügig nach oben.

Die Europäer lieben Kaffee

Die ICO hält die Preise nach wie vor für unzureichend. Aber es herrscht Erleichterung darüber, dass die schwere Krise offenbar überwunden ist. Jetzt müsse alles daran gesetzt werden, dass es nicht wieder so schlimm kommt, mahnte kürzlich ICO-Chef Nestor Osorio. So strengen sich die Erzeugerländer zum Beispiel an, den eigenen Konsum zu steigern. 2004 wurden weltweit 28,4 Millionen Sack selbst konsumiert und in diesem Jahr rechnet Osorio bereits mit 29,9 Millionen.

Europa ist der größte Kaffee-Abnehmer in der Welt und hat im vergangenen Jahr 38,7 Millionen Sack importiert. Deutschland steht in der ICO-Statistik an erster Stelle der europäischen Länder mit 9,5 Millionen Sack, gefolgt von Italien (5,5), Frankreich (5,0) und Spanien (2,8). Pro Kopf ist allerdings Finnland mit einem Konsum von fast zwölf Kilo (Deutschland: 6,5) ungeschlagen.

Immer stärker wird der Preis für Rohkaffee von Spekulanten beeinflusst. Lag der vor einigen Jahren spekulativ gehandelte Anteil der Gesamtmenge noch bei rund 15 Prozent, so sprechen Experten inzwischen von bis zu 60 Prozent an manchen Tagen. Nach Erdöl ist Kaffee der meistgehandelte Rohstoff der Welt.

Heftige Diskussionen bei steigenden Preisen

Das rege Interesse der Investment-Gesellschaften sorgt für eine Menge Nervosität an den internationalen Warenterminbörsen. Das gilt vor allem für New York, wo die Sorte Arabica gehandelt wird. So lag der vorläufige Spitzenpreis im März bei 136 Cent; seither bröckelt er und erreichte dieser Tage nur noch 111 Cent. Doch Marktteilnehmer messen diesem Preisrutsch kaum Bedeutung zu. Fundamentale Gründe gebe es nicht.

In Deutschland verhält es sich mit Kaffee ähnlich wie mit Benzin: Steigen die Preise, gibt das Anlass zu heftigen Diskussionen und Schlagzeilen. In diesem Jahr haben die Röster zwar schon zweimal die Preise angehoben - einmal um durchschnittlich 70 Cent je Pfund, einmal um 50 Cent. So teuer wie derzeit war Kaffee seit sechs Jahren nicht mehr. Aber am klassischen Röstkaffee verdienen die Röster wegen des scharfen Wettbewerbs im Handel dennoch nicht.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung, http://www.sueddeutsche.de)

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