Heiligendamm –
SIE ist Kanzlerin! SIE ist EU-Ratspräsidentin, Chefin der Europäischen Union. SIE dirigiert als Gastgeberin die mächtigsten Männer der Welt.
Gipfel der acht, Gipfel der Macht – das gilt auch für Angela Merkel ganz persönlich. Nie wieder wird sie so viel Macht haben,
Die Kanzlerin steht zwischen George Bush und Wladimir Putin, den Präsidenten der Supermächte USA und Russland.
Sie schafft es, die beiden, die sich seit Wochen nur angiften und bedrohen, zu versöhnen.
Prima Stimmung auf dem G8-Gipfel: Japans Minister- präsident Shinzo Abe lacht mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Italiens Ministerpräsident Romano Prodi
Die Welt schaut verwundert nach Heiligendamm – und auf Merkel. Gestern Nachmittag sagte sie, fast erstaunt über sich selbst: „Ich bin ja Chefin hier, ich muss ja leiten.“
Denkt sie jetzt auch für einen Moment zurück, wie alles begann?
Die Kanzlerin und „ihre“ G8-Männer stehen für 60 Prozent der Weltwirtschaftsleistung, für mehr als 50 Prozent des Welthandels, für die wichtigsten Atommächte. Nutzten sie ihre Macht, die Welt „ein Stück besser zu machen“?
Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Gipfel schien von Anfang an erfüllt: lockere Atmosphäre, gute Stimmung untereinander, denn alle Entscheidungen müssen einstimmig fallen.
Weltpolitik im Plauderton. Gestern früh zur offiziellen Begrüßung bei Merkel kam Frankreichs Sarkozy ganz locker mit Handy am Ohr. Großbritanniens Premier Blair frühstückte mit Bush. Später wollten sich Blair, Sarkozy und Harper (Kanada) zum Joggen treffen. Nachmittags sprachen Bush und Putin über den Raketenschild-Streit – und gingen endlich aufeinander zu!
Was Kanzlerin Merkel bei den drei wichtigsten Problemen erreichte:
Der Klimawandel erschüttert das Gleichgewicht der Erde, bedroht die Armen wie die Reichen.
ANTWORT der G8: Ein Durchbruch. Nun fassen die G8 – auch die USA – doch das konkrete Ziel einer Verringerung der Treibhausgase um mindestens 50 Prozent bis zum Jahr 2050 gemeinsam ins Auge.
Merkel: „Ein Riesenschritt nach vorn! Ich bin zufrieden.“ Darüber hinaus stimmten die G8 überein, für das auslaufende Kyoto-Protokoll bis 2009 eine Nachfolgeregelung im Rahmen der UNO zu schaffen. Auch dagegen hatte sich US-Präsident Bush zunächst gesperrt.
Weil sich Russland vom Abwehrplan (10 Raketen) der USA herausgefordert fühlt, droht ein neues Raketen-Wettrüsten – es wird wieder gedroht wie im Kalten Krieg.
ANTWORT der G8: Putin schlug den USA überraschend ein gemeinsames Raketenabwehrsystem in Aserbaidschan vor. Damit könnte ganz Europa vor einer Bedrohung geschützt werden. Die USA müssten somit aus Moskauer Sicht kein Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa aufbauen.
Bush nannte das Angebot eine „interessante Idee“.
Afrika darf nicht von der Welt vergessen werden.
ANTWORT der G8: Der Kontinent bekommt mehr Geld, die G8 wollen weiterhin 2010 doppelt so viel geben wie 2005. Afrika muss sich aber auch selbst helfen: mehr Demokratie, mehr Rechtstaat, weniger Korruption.
Merkel verspricht Afrika milliardenschweres Hilfspaket
Die G-8-Staaten wollen gegenüber Afrika Wort halten. Beim Gipfel in Heiligendamm beschlossen sie zudem ein umfassendes Aids-Hilfsprogramm. Kanzlerin Merkel stellte aber klar: Die Geberstaaten haben Erwartungen an die Empfänger.
Die G8 stünden in der Pflicht, ihre Versprechen von Gleneagles einzulösen, sagte Merkel nach einer Arbeitssitzung mit afrikanischen Staatschefs. "Die Botschaft heißt: Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und werden unsere Verpflichtungen auch erfüllen", betonte Merkel. Die G-8-Länder hätten aber auch Erwartungen an die Empfänger der Hilfsleistungen. Merkel sprach von einer "ehrlichen und offenen" Diskussion mit den Afrikanern. Bis 2010 soll die Entwicklungshilfe auf jährlich 50 Milliarden Dollar anwachsen. Schon beim G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles war 2005 verkündet worden, die Entwicklungshilfe bis 2010 auf dann jährlich 50 Milliarden Dollar zu verdoppeln.
Ghanas Präsident und Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), John A. Kufour, sagte, die Afrikaner erwarteten von den G8 eine Erfüllung ihrer Zusagen. Die afrikanischen Staaten wollten das ihre dazu leisten, damit es zu einer "echten Partnerschaft" komme. Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs schlugen ein Gremium vor, in dem beide Seiten sich gegenseitig Rechenschaft ablegen.
60 Milliarden Dollar, umgerechnet 44 Milliarden Euro, sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie Aids, Malaria und Tuberkulose bereit gestellt werden, erklärte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in Heiligendamm. 30 Milliarden Dollar übernehmen die USA. Deutschland beteiligt sich nach Angaben der Ministerin mit vier Milliarden Dollar. Offenbar war auch um diese Einigung hart gerungen worden: Nach Angaben von Hilfsorganisationen sperrten sich Italien und Kanada gegen die zusätzliche finanzielle Verpflichtung.
http://www.spiegel.de/politik/deutsc...487425,00.html