Wenn der Klempner auf Terroristenjagd geht
Ashcroft: Mit der "Kenntnis ihres Arbeitsumfeldes" sollen Amateurspione Verdächtiges entdecken.
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Washington - Auch Klempner, Fernsehmechaniker, Briefträger und Busfahrer sollen in den USA künftig an der Jagd auf Terroristen teilnehmen. In Verhandlungen mit verschiedenen Berufsgruppen will Justizminister John Ashcroft Millionen von Amateurspitzeln gewinnen. Sie sollen den Behörden über "ungewöhnliche oder verdächtige" Aktivitäten berichten. Die "Operation TIPS" (Terrorism Information and Prevention System) soll im Spätsommer oder Frühherbst starten.
Kritiker in den USA warnen jedoch vor einem Einstieg in den "Schnüffelstaat" und ziehen Parallelen zur DDR-Staatssicherheit.
Amateurspion ohne besondere Qualifikationen
Nach Angaben des Justizministeriums braucht der Amateurspion keine besonderen Qualifikationen. Er müsse nur seinen "gesunden Menschenverstand" und die "Kenntnis seines Arbeitsumfeldes" ausschöpfen, um Verdächtiges zu entdecken. Per E-Mail oder über eine gebührenfreie Hotline soll er seine Informationen dann an die Behörden weitergeben. Die Daten sollen zentral ausgewertet und gespeichert werden.
Ministeriumssprecherin Barbara Comstock versichert, dass keineswegs in Privatwohnungen spioniert werden solle, sondern nur an "öffentlichen Plätzen". Doch diese Beteuerungen des Ministeriums werden von den Kritikern in Zweifel gezogen. So ist unklar, wie ein als Spitzel rekrutierte Handwerker daran gehindert werden soll, in einer fremden Wohnung seinen Blick forschend umherschweifen zu lassen und seine Beobachtungen an die Behörden weiterzugeben.
Den Pizzaboten nicht auf das falsche Thema ansprechen
Für die Amerikaner sei ihre Wohnung ein "heiliger Ort", wo sie vor Beobachtung durch die Regierung geschützt sein wollten, sagt Rachel King, Rechtsexpertin bei der Amerikanischen Vereinigung für die Bürgerrechte (ACLU). Liege ein Koran oder ein Brief mit arabischer Schrift herum, könne dies schon ausreichen, um als verdächtig gemeldet zu werden. Die "New York Times" gab den Rat, Gespräche mit dem Pizzaboten über den Nahen Osten künftig besser zu vermeiden.
Ashcroft steht bereits seit einer Weile in Verhandlungen mit verschiedenen Berufsgruppen über sein umstrittenes "Schnüffelprogramm". Die Resonanz ist gemischt. Der US-Postdienst verweigerte sich bislang. Das letzte Wort darüber, ob die mehr als 300.000 Briefträger des Landes mitmachen werden, ist laut Sprecherin Sue Brennan aber noch nicht gefallen. Dagegen erklärten Gewerkschaften der Lkw-Fahrer und Hafenarbeiter, sie würden durchaus gerne "Augen und Ohren" auf der Suche nach Terroristen offen halten.
Tausende unbegründeter Anschuldigungen befürchtet
Für die Bürgerrechtler fügt sich die neue Initiative des Justizministers in eine Serie von Maßnahmen wie die erleichterte Überwachung von Telefonaten und E-Mails, Lauschangriff auf Gespräche zwischen Anwalt und Mandant, Verweigerung von Rechtsbeistand und Gerichtsverfahren, mit denen seit den Anschlägen vom 11. September elementare Verfassungsrechte ausgehöhlt würden. Privatwohnungen sollten "ohne Grund und Durchsuchungsbefehl" durchstöbert werden, so der ACLU. Die Folgen wären nach Meinung der Vereinigung, dass Bürger gegeneinander aufgebracht und Tausende unbegründeter Anschuldigungen ausgelöst würden.
"Ein Hauptmerkmal totalitärer Regime"
"Die Idee, dass Bürger andere Bürger bespitzeln, und die Regierung Daten über jeden Beschuldigten sammelt, ist ein Hauptmerkmal totalitärer Regime", kommentierte auch die "New York Times" und zog eine Parallele zur Stasi, die Akten über rund ein Drittel der DDR-Bürger angelegt habe.
Kritik an Ashcrofts Initiative kommt aber auch aus konservativen Kreisen. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Dick Armey, will das Programm stoppen und setzte bereits ein entsprechendes Votum im Sonderausschuss für Heimatschutz durch. Dass Bürger sich gegenseitig ausspionierten, dürfe nicht vom Justizministerium gefördert werden, warnt auch er. Ashcroft will jedoch nicht nachgeben. "TIPS" werde weiter vorangetrieben, schließlich handle es sich um ein "wichtiges Hilfsmittel" im Kampf gegen den Terrorismus, betont Ministeriumssprecherin Comstock.
Infos im Internet:
http://www.citizencorps.gov/tips
http://www.aclu.org/action/tips107.html
http://rhein-zeitung.de/on/02/07/26/...lempner.html?a