noch eine kleine "Zidane-Nachlese" , einer der besten , wenn nicht der beste Spieler dieser WM
Franzose von Materazzi als "Terrorist" beschimpft?
"Vierter Referee" sah Attacke mit eigenen Augen
Entgegen zahlreicher Spekulationen soll der Ausschluss Zidanes im nicht auf Grund eines Video-Beweises erfolgt sein. Das bestätigte Luis Medina Cantalejo, der vierte Mann im Schiedsrichter-Gespann.
Cantalejo hatte Schiedsrichter Horacio Elizondo auf Zidanes Vergehen aufmerksam gemacht, nachdem er, wie er sagt, den Kopfstoß mit eigenen Augen, und nicht am Bildschirm gesehen habe. Danach, so Cantalejo, habe er seine Beobachtung mit Hilfe des Kommunikationssystems an den Schiedsrichter weitergegeben.
Videobeweis nicht zulässig
Die internationalen Medien verbreiteten unterschiedliche Versionen. So wird der italienische Coach Marcello Lippi zitiert: "Es war der vierte Schiedsrichter, der das mit Hilfe der Zeitlupe am Monitor gesehen hat. So ist es gelaufen." Und Frankreichs Teamchef Raymond Domenech fügte ironisch an: "Man hat den Videobeweis eingeführt. Es ist eine neue Regel, die hier angewandt wurde. Es lebe der Video-Beweis."
Unklar ist, wie weit dem vierten und fünften Mann des Schiedsrichter-Gespanns (Ersatz-Schiedsrichter und Ersatz- Linienrichter) TV-Konsultationen überhaupt zugänglich waren. Laut FIFA-Reglement ist der Videobeweis nicht zulässig.
Zidane verließ, getröstet von seinem ehemaligen "Juve"-Weggefährten Gianluigi Buffon, sichtbar geschockt das Feld. Er kam nicht mehr zurück. Nicht zum Elfmeterschießen und auch nicht zur Medaillenvergabe. "Ich habe ihn in der Kabine gesehen, er ist sehr traurig", erzählte Verbandschef Jean-Pierre Escalettes. "Wenn man wie er (Zidane) über 120 Minuten Schläge einsteckt, kann man es verstehen. Ich entschuldige es nicht, aber verstehe es", meinte Domenech. "Niemand macht ihm Vorwürfe. Die großen Spieler werden immer provoziert", sagte Florent Malouda. "Es war schrecklich, ihn so abtreten zu sehen", war Frankreichs Weltmeistermacher von 1998, Aime Jacquet, fassungslos.
Zidane als "Terrorist" beschimpft?
Die Frage, welche Provokation Materazzis zum Blackout von Zidane geführt hatte, beschäftigte die ganze Fußball-Welt. Die englische Tageszeitung "The Guardian" berichtete davon, dass Materazzi den französischen Superstar, dessen Eltern aus Algerien stammen, als "dreckigen Terroristen" beschimpft hatte, was Materazzi bestreitet: "Das stimmt alles nicht. Ich weiß nicht einmal was das heißen soll. Die ganze Welt hat live im TV gesehen, was passiert ist".
Die Version der Londoner Zeitung bestätigte einer von Zidanes Cousins in Algerien. "Zizou flippt normalerweise nicht aus. Materazzi muss etwas sehr Schlimmes gesagt haben", zitierten mehrere Internet-Plattformen Rabah Zidane. Er will auch vom Wort "Terrorist" gehört haben. Zidanes Familie stammt aus Aguemoune in der Kabylei, einer Region in Nordalgerien. Andere Zeitungen vermuteten nach Konsultierung eines Lippenlesers Beschimpfungen von Zidanes Mutter als Auslöser.
Lippenleser des brasilianischen TV-Senders Globo wollen unterdessen herausgefunden haben, was Materazzi zu Zidane vor dessen Blackout gesagt hat. Dem zufolge soll der Verteidiger Zidanes Schwester Lila als "Prostituierte" beschimpft haben .
Zweiter Treffer: "Zizou" streckt Materazzi nieder
Vor acht Jahren hatte Zidane das Endspiel gegen Brasilien mit zwei Kopfbällen quasi im Alleingang entschieden, beinahe wäre ihm dies auch am Sonntag gelungen. Doch im Gegensatz zu 1998 fand er diesmal mit seinem wuchtigen Kopfball (104.) in Keeper Buffon seinen Meister, nachdem er das 1:0 per Elfmeter erzielt hatte. Nur wenige Minuten später traf er dann per Kopf. Es war die Brust Materazzis.
Die Rote im WM-Finale war der insgesamt zwölfte Ausschluss in seiner Laufbahn. Schon bei der Heim-WM 1998 hatte sich der Spielmacher gegen Saudi-Arabien zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen und zwei Partien Sperre ausgefasst. Er kam zurück, stärker als zuvor, und führte "Les Bleus" zum Titel. Als bester Spieler des Turniers war damals aber nicht er, sondern Ronaldo ausgezeichnet worden. Diesmal bedachten die Journalisten "Zizou" mit dem Goldenen Ball - trotz der Roten Karte.
"Ein unverzeihlicher Racheakt"
Während Mitspieler, Trainer und sogar Staatspräsident Jacques Chirac mit ihrem Nationalheld mitfühlten, zeigte die französische Presse wenig Verständnis. Die "L'Equipe" schrieb von einem "traurigen Karriereende" und fragte: "Wie soll man zig Millionen Kindern erklären, dass man sich so gehen lassen kann?". Für den "Figaro" war der "abscheuliche Kopfstoß" Zidanes ein "unverzeihlicher Racheakt. Man ist sprachlos angesichts einer solchen Dummheit."
Dennoch scheint der 34-Jährige bei den Journalisten nicht an Sympathie eingebüßt zu haben. Im Gegenteil. Der, den sie selbst zum Helden stilisiert hatten, sei eben doch nur ein Mensch geblieben, so der Tenor der Kommentatoren. "Er ist das Symbol eines Menschen, der glücklicherweise nicht perfekt ist", schrieb Claude Lesme von "La Montagne".
Das unrühmliche Ende wirft jedenfalls einen Schatten auf die große Karriere des Zinedine Zidane, den Welt- und Europameister, dreifachen Weltfußballer, Champions-League-Sieger sowie italienischen und spanischen Meister. Das letzte Bild des großen Spielmachers ist kein Jubelndes. Es ist sein Abgang in Richtung Kabine, vorbei am WM-Pokal, den Kopf gesenkt, die Hände vor Augen. Es war 22:19 Uhr.
Quelle: News.at