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Alt 14-02-2006, 19:38   #421
Starlight
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Das Geschäft mit Amor

Wer je von Amors Pfeil getroffen wurde, der hat heute Zahltag. Dabei sind es längst nicht nur Männer, die ihre Frauen beschenken – auch andersrum wird überrascht. Mit Blumen, Pralinen, Schmuck. Unterm Strich kommt da einiges zusammen: Der amerikanische Einzelhandel rechnet zum Valentinstag mit einem Umsatz von 13,7 Milliarden Dollar.

Die beste Nachricht zuerst: Dem amerikanischen Verbraucher scheint es weiter gut zu gehen. Gleichbleibend zu den Vorjahren feiern etwa 61 Prozent der Amerikaner Valentinstag, sie geben aber mehr aus denn je: 100,89 Dollar soll dem durchschnittlichen Liebenden sein Partner wert sein, und damit steigt der Gesamtumsatz für den Festtag um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Daran haben die Herren der Schöpfung natürlich weiter den größten Anteil. Genau 135,67 Dollar gibt John Doe am Valentinstag aus, Gattin Jane kommt auf 68,64 Dollar. Dieses 2:1-Verhältnis zwischen den Geschlechtern liegt etwa im historischen Mittel. Ganz schön verschoben hat sich aber die Auswahl der Geschenke.

So bringt nur noch knapp mehr als die Hälfte der Amerikaner am Valentinstag Blumen mit nach Hause, im letzten Jahr waren es noch 57,8 Prozent. Mehr denn je schauen dafür beim Juwelier rein: Fast jeder vierte Mann will mit Schmuck und Juwelen glänzen, was natürlich auch eine bessere Wertanlage ist als die gemeine Rose.

Die weiteren Verkaufsschlager sind dieselben wie in anderen Jahren auch: Die Grußkarten-Industrie feiert mit dem Valentinstag das drittgrößte Fest im Jahr, nach Weihnachten und Vatertag. Und für die Schokoladen-Branche ist Amor weiterhin der zuverlässigste Umsatzbringer überhaupt: 36 Millionen herzförmige Pralinenschachteln sollen zum Fest verschenkt werden.

Weniger häufig dürften die Geschenke nachgefragt werden, die der Börsensender CNBC als „heiße Tipps“ vorstellt. Angesichts der jüngsten Bonusrunde, die vielen Zuschauern erst kürzlich Millionenbeträge zugespielt hat, berichtet man über eine romantische Luxus-Yacht für rund 95 Millionen Dollar und über den diamantbesetzten Füller „La Modernista“ für 265 000 Dollar.

Solche Geschenke sind aber selbst unter verliebten Millionären selten, weiß der Vermögensverwalter und Bestseller-Autor Jim Trippon. Auch der durchschnittliche Millionär gebe zu Valentinstag nicht mehr als 200 000 Dollar aus, meint er im Interview. Aber das reicht ja schon für einige Dutzend Rosen.

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Alt 15-02-2006, 20:21   #422
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Gute Noten für Ben Bernanke

In seinem ersten Auftritt vor dem Kongress hat sich der neue Notenbank-Chef gut geschlagen. Greenspan-Nachfolger Ben Bernanke machte zwar klar, dass weitere Zinsanhebungen notwendig sein würden, um Preisstabilität zu gewährleisten. Den Markt erschreckte er damit aber nicht, zumal er Flexibilität betonte.

So wisse man, dass vor allem höhere Energiepreise die inflationären Tendenzen beschleunigen. Auch nach anderthalb Jahren stetiger Zinsschritte, die den Leitsatz von 1,0 auf mittlerweile 4,5 Prozent getrieben haben, sei man damit nicht zwingend am Ende der Anhebungen, zumal jüngste Wirtschaftsdaten auf eine robuste Konjunktur schließen ließen.

Darauf deuteten nicht zuletzt taufrische Zahlen, die erst unmittelbar vor Bernankes Auftritt bekannt gegeben worden waren. Danach liegt die Kapazitätsauslastung in Corporate America zur Zeit bei knapp über 80 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit vielen Jahren. Bernanke sieht durchaus die Gefahr, dass die US-Wirtschaft heiß laufen könnte.

Obwohl die Konjunktur im vierten Quartal nur ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent verzeichnet habe, dürfe man optimistisch sein. „Die US-Konjunktur ist gut auf Kurs“, meint Bernanke. Das BIP dürfte in diesem Jahr um 3,5 Prozent zulegen, die Inflation dürfe vorraussichtlich bei 2 Prozent liegen.

Doch gebe es durchaus Zeichen, die auf konjunkturelle Schwäche deuten, allen voran auf Seiten des Immobilienmarktes. Dort stehe eine Abkühlung bevor, ein dramatischer Einbruch sei aber wohl nicht zu befürchten. Dennoch steige mit jeder Abkühlung die Gefahr, dass das Konsumverhalten der Verbraucher leiden könnte.

Bernanke gab in seinem ersten Auftritt als Notenbank-Chef also einen groben Überblick über vieles, was sowohl der Wirtschaftsausschuss als auch die Wall Street schon wusste. Entsprechend moderat fielen die Auswirkungen im Handel aus. Zwar verbesserte sich der Dow kurz nach Bernankes ersten Sätzen auf ein neues Hoch, dann aber ging es bergab, was wiederum mehr mit der unerwartet starken Vortages-Rallye zu tun hatte als mit aktuellen Kommentaren.

Zumal sich aus des Fed-Chefs Kommentaren wenig Schlagzeilen formen ließen. Zwar steht Bernanke weiterhin hinter einem Inflationsziel, benennen wollte er ein solches aber ebenso wenig wie einen langrfistigen Leitzinsasatz. Dass sich Bernanke – wie schon Greenspan – bei der an seinen Bericht anschließenden Fragestunde auch von aggressiveren Senatoren nicht aus der Ruhe bringen ließ, gefiel an der Wall Street ebenso wie die Tatsache, dass sich Bernanke – besser als Greenspan – recht klar ausdrückte und keine allzu schwammigen Erklärungen verlas.

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Alt 16-02-2006, 20:21   #423
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Freiheit und Geschäft in China

Die Augen der Wall Street mögen am Mittwoch auf Ben Bernanke gelegen haben. Doch nur ein paar Zimmer neben dem Fed-Chef, ebenfalls im Capitol, fand eine nicht minder wichtige Anhörung statt. Yahoo, Google, Microsoft und Cisco mussten ihr Engagement in China rechtfertigen – und bekamen eine Schulstunde in Sachen bigotter Politik.

„Ich verstehe nicht, wie ihre Bosse nachts schlafen können“, entsetzte sich der demokratische Abgeordnete Tom Lantos aus Kalifornien. Dabei sind sich diese – fast – keiner Schuld bewusst. Google, beispielsweise, schämt sich zwar offen dafür, dass man die Suchmaschine für China zensiert hat und nur Informationen auffindbar macht, die von der Regierung abgesegnet sind. Doch, so Google-Anwalt Elliot Schrage, biete der Service des Unternehmens immer noch einen Netto-Gewinn für die Chinesen, die auch bisher nur limitierten Zugang zu Informationen gehabt hätten, nun aber schneller und einfacher arbeiten können.

Genauso sieht man das bei Yahoo. Und auch Cisco Systems, deren Hardware von der chinesischen Regierung unter anderem dazu benutzt wurde, Bürger festzunehmen, deren kritische Aussagen in Amerika unter freie Meinungsäußerung fallen würden, will keine Verantwortung übernehmen. Zu recht, und ganz nach amerikanischem Vorbild. Schließlich hat auch der US-Kongress eben erst bekräftigt, dass Schusswaffen-Hersteller für Morde mit ihren Waffen nicht belangt werden können.

Die Vorwürfe gegen Microsoft richten sich gegen die Schließung einer Website, die die chinesischen Behörden wegen unerwünscht kritischer Blogs erzwungen hatte. Abgesehen davon, dass sich das Unternehmen kaum gegen die Forderungen der Regierung hätte wehren können, besteht Microsoft-Rechtsbeistand Jack Krumholtz darauf, dass der Hightechriese zwar eine Website geschlossen, aber dafür 3,5 Millionen Usern erst zu einem Internet- und Blog-Forum verholfen habe.

In einem Punkt waren sich die Vertreter aller vier Unternehmen einig: Während man, wie der demokratische Abgeordnete Adam Smith aus Washington bekräftigte, kaum davon ausgehen könne, dass sich die Menschenrechtssituation in China verbessere, wenn Microsoft & Co. keine Geschäfte im Land hätten, sieht man den Handlungsbedarf ohnehin an anderer Stelle: beim Kongress.

Nicht von der Hand zu weisen sei immerhin die Tatsache, dass die US-Regierung China erst vor kurzem den Status eines „bevorzugten Handelspartners“ eingeräumt hat. Wenn sich die Unternehmen dafür schämen sollten, diesen Status zu nutzen, dann müsse sich doch vor allem der Kongress schämen, diesen überhaupt zugewiesen zu haben, schlug sich Robert Wechsler, Demokrat aus Florida, auf die Seite der Unternehmen.

Dana Rohrbacher wiederum, ein Republikaner aus Washington, wollte das nicht auf sich sitzen lassen. „Wer war denn die Lobby für den bevorzugten Status von China?“, fragte er verärgert. „Das waren doch wohl die Unternehmen.“ Das wahre Gewicht seiner Aussage, vor allem vor dem Hintergrund eines aktuell gewaltigen Lobby- und Bestechungsskandals, muss dem Abgeordneten erst später klar geworden sein.

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Alt 17-02-2006, 22:04   #424
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Schnee-Bonus für die Konjunktur

Wer in New York aus dem Fenster sieht glaubt kaum, dass der schwerste Schneesturm der Geschichte erst eine Woche zurück liegt. Denn: Der Schnee ist so gut wie weg, der Alltag in Manhattan und im ganzen Nordosten ist kaum unterbrochen werden. Manche Experten glauben jetzt, dass der Schnee der US-Wirtschaft eher genutzt als geschadet hat.

Rückblickend scheint der Schnee die spannendste Geschichte der letzten Woche gewesen zu sein – trotz Bernanke und Quartalszahlen. Wir erinnern uns: In der Nach auf Freitag fing es an, und binnen weniger Stunden war New York City unter einer 70 Zentimeter dichten Schneedecke verschwunden. Für die Stadt ist so etwas zunächst einmal teuer: Bürgermeister Michael Bloomberg gibt als Faustregel aus: Jedes Inch kostet eine Million – so ist das Stadtsäckel nun um 27 Millionen Dollar leichter.

In anderen Städten – vom Schneesturm betroffen waren auch Washington, D.C., Boston, Philadelphia und Baltimore – sieht die Bilanz ähnlich aus. Doch Irwin Kellner, Professor für Volkswirtschaft an der New Yorker Hofstra University, schaut über die Kosten- auch die Nutzenseite an. Alle Städte im Nordosten hätten ihre Mitarbeiter Überstunden machen lassen und darüber hinaus Zeitarbeiter eingestellt, meint er. „Die Kaufkraft der Arbeitsnehmer im Nordosten steigt dadurch deutlich.“

Der Einsatz vieler Zeitarbeiter hatte eine weitere wichtige Folge: Der Schnee war schneller weg denn je. Die meisten Städte waren außergewöhnlich gut organisiert, und dass der Sturm am Samstag tobte, ließ genug Zeit zum Räumen, bevor zum Wochenbeginn die Wirtschaft massiv betroffen gewesen wäre. Die Folgeschäden des Schneesturms für die Konjunktur dürften damit niedriger sein als bei bisherigen Unwettern.

Nicht zu unterschätzen seien, so Kellner, auch die Ausgaben der Verbraucher für Winterartikel. Warme Kleidung hatte wegen des ungewöhnlich angehmen Winterwetters bis kurz vor dem angekündigten Schneesturm bleischwer im Regal gelegen. Die Umsätze unmittelbar vor dem Wochenende waren stark. Nicht nur an Kleidung, wohlgemerkt, sondern auch mit Schneeschaufeln und Schneefräsen, mit Salz und Schlitten.

Einen großen Schub, so Kellner, dürften auch die Lebensmitteluzmsätze erfahren. „Vor einem Schneesturm neigen die Leute zu Hamsterkäufen, während und nach dem Sturm essen sie mehr.“

Zahlen dazu wird es wohl in den nächsten Tagen geben, und vielleicht erfährt die US-Wirtschaft ja wirklich erstmals einen Schnee-Bonus. Trotzdem wäre man auch an der Wall Street froh, wenn der jüngste Sturm der letzte der Saison war.

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Alt 21-02-2006, 19:58   #425
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Auf der Suche nach Spitzenkräften

Der Arbeitsmarkt gehört zu den Konjunkturbereichen, die Investoren am meisten Sorgen bereiten. Zum Wochenbeginn liegt eine neue Studie vor, die eine bisher wenig beachtete Seite der Problematik zeigt: Es mag zu viele Amerikaner geben, die Arbeit suchen, doch gibt es bei weitem zu wenige Qualifizierte unter ihnen.

Dass Arbeitgeber nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte finden, ist wohlgemerkt kein amerikanisches Problem. Die Analysten vom Marktforschungsinstitut Manpower haben Umfragen in 23 Ländern durchgeführt und sehen ein ähnliches Dilemma bei 33 000 Unternehmen überall – von den USA über Europa bis nach Asien.

Die größten Probleme, Führungspositionen zu füllen, sieht man in drei Bereichen: im Verkauf, in der Technologie und in der Produktentwicklung.

Vor allem im Verkauf suchten Unternehmen immer weniger einfach nach Köpfen, die Anrufe tätigen könnten. Vielmehr sucht man Fachleute, die ein Marktsegment inwendig kennen und durch selbst entwickelte und verfeinerte Verkaufssysteme den Umsatz maximieren.

„Die Talentkrise am Arbeitsmarkt wird immer schlimmer“, zieht Manpower-CEO Jeffrey Joerres Bilanz. Auch sei mit keiner raschen Verbesserung zu rechnen. In der Vergangenheit sei eine Talentknappheit immer zyklisch gewesen, „doch diesmal haben wir ein echtes Problem, das für Jahrzehnte andauern könnte.“

Ursachen für den verheerenden Trend gibt es viele, in den USA ist eine davon sicherlich die immer tiefere Kluft zwischen Ober- und Unterschicht. Man lebt nicht nur auf höchst unterschiedlichem Niveau, sondern man lehrt und lernt auch so. Während die amerikanischen Top-Unis wie Harvard, Stanford und MIT nach wie vor zu den internationalen Kaderschmieden gehören, baut das allgemeine Schulsystem weiter ab.

Die von Präsident George W. Bush einst vorgeschlagene Reform „No child left behind“, mit der das Niveau in den Schulen hatte angehoben werden sollen, ist bis heute nicht finanziert und angesichts des Rekorddefizits auch in naher Zukunft nicht finanzierbar. Dazu kommt, dass sich die öffentlichen Schulen mit immer größeren Schikanen herumärgern müssen, die vom eigentlichen Unterricht ablenken.

Da wäre die Diskussion um die Evolutionslehre im Biologieunterricht, der die Republikaner aus rein ideologischen Gründen die Lehre der Schöpfung gegenüberstellen wollten. Da wäre der anhaltende Streit um religiöse Formeln im Schulalltag. Am Wochenende wurde die Klage eines Psychologen in Texas bekannt, der die Grußformel „Good morning, boys and girls“ verbieten will. Mit der Unterscheidung in „Jungen“ und „Mädchen“ würden Lehrer die Kids im frühen Alter in ein geschlechtlich diskriminierendes Denken zwingen.

Solche Quatsch-Klagen machen es den ohnehin überstrapazierten Institutionen nicht eben leichter, den Lehrplan aufzubessern. Dazu aber wäre es allerhöchste Zeit, wie die Manpower-Studie zeigt.

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Alt 22-02-2006, 20:40   #426
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Der Ausverkauf der Sicherheit

Schockierende Nachrichten meldet der Borowitz-Report: Die US-Regierung will ihr gesamtes Heimatschutzministerium an eine unbekannte nord-koreanische Firma namens Jim Kong-Il, Inc. verkaufen. Deren CEO, Mr. Jim, will sich nach der Übernahme zuerst um die nuklearen Sprengköpfe der USA kümmern, die sofort nach Nord-Korea verschifft werden sollen – sie dürften schließlich nicht in falsche Hände geraten.

Wen diese Entwicklung überrascht, dem sei gesagt, dass der Borovitz-Report eine Nachrichten-Parodie ist. Doch sie kommt der Realität erschreckend nahe. Tatsächlich will die US-Regierung nämlich die Operation der sechs wichtigsten Frachthäfen – New York, Newark, Philadelphia, Baltimore, Miami und New Orleans – für 6,8 Milliarden Dollar an Dubai Port World aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verkaufen.

Ausgerechnet von einer Regierung, die sich seit fünf Jahren ausschließlich und bedingungslos dem Heimatschutz verschrieben hat, hätte man das nicht zugetraut. Die Frachthäfen, der bis heute anfälligste Teil der Inneren Sicherheit, sollen aus einem Land betrieben werden, das finanzielle Verbindungen zu mindestens zwei Attentätern des 11. September 2001 hatte. Und das zudem ein wichtiger Transferpunkt für den Schmuggel von Atommaterial nach Iran, Nordkorea und Libyen gewesen sein soll. Erst in der vergangenen Woche haben die Regierungen von VAE und Iran bekannt gegeben, dass man die Geschäftsbeziehungen weiter ausbauen wolle.

Von alledem wollen Präsident George W. Bush und sein Heimatschutzminister Michael Chertoff nichts wissen. Der Verkauf sei wasserdicht, heißt es. Das Ministerium sehe Dubai Port World nicht als Sicherheitsrisiko. Außerdem gehe es nicht an, dass man die Häfen bisher von einer Firma aus London habe betreiben lassen, ein anderes Land – einen Verbündeten im Kampf gegen den Terror – nun aber benachteiligen wolle.

Eine solche Diskriminierung der „arabischen Partner“ sende ein „schreckliches Signal“, meint Finanzminister John Snow. Und Verteidigungsminister Dnald Rumsfeld bekräftigt, man habe mit den VAE eine starke Partnerschaft, auch im militärischen Bereich. Und schon deshalb nichts zu befürchten.

Diese Argumentation kann in den USA kaum jemand nachvollziehen, zumal die Bush-Regierung die Angst vor Sicherheitslücken und Terror in den letzten Jahren mit allen Mitteln aufgebauscht und politisch ausgeschlachtet hat. Jetzt sollen auf einmal wirtschaftliche Interessen wichtiger sein?

„Unsere Soldaten sind nicht für robusten Handel gestorben“, schreibt ein erboster Zuschauer an den Fernsehsender CNN. Und ein anderer meint: „Diese Art von Outsourcing geht zuweit.“ Zumal Dubai Port Worls nicht einmal im freien Markt tätig ist. Das Unternehmen untersteht der Regierung der VAE.

Entsprechend glaubt beim Wirtschaftssender CNBC nicht einmal ein Viertel der Befragten, dass der Protest gegen den Verkauf auf Protektionismus beruhe. Für 76 Prozent spricht einfach der gesunde Menschenvestand gegen den Deal.

Da ist was dran. Das zeigt nicht zuletzt die ungewohnte Einigkeit, mit der Republikaner und Demokraten gegen den Verkauf der Hafenorganisation kämpfen. Der Fraktionsführer der Republikaner, Bill Frist, hat zum Wochenbeginn gedroht, einen Verkauf notfalls per Gesetzesvorlage stoppen zu lassen. Die Unterstützung des Kongresses ist ihm sicher. Allein, das Weiße Haus läösst das kalt. Präsident Bush droht mit einem Veto – es wäre das erste in seiner mehr als fünfjährigen Amtszeit.

Dieses selbst für Bush außergewöhnlich sture Engagement ist umso unverständlicher, als der Präsident bis vor kurzem gar nichts von dem Deal mit Dubai gewusst haben will. So sollen nach offiziellen Angaben Finanz- und Heimatschutzministerium das Geschäft ausgehandelt haben, bevor das Weiße Haus informiert worden sei. Diese Vorstellung ist nicht minder grotesk als die Annahme, dass sich Bush nun vor den Karren spanen ließe und mit der Sicherheitspolitik das Kernstück seiner Regierung auf’s Spiel setzt.

Denn die Gefahr, dass in den US-Häfen unter falscher Aufsicht allerhand passieren kann, ist durchaus real. Die Frachthäfen sind seit Jahren als Schwachpunkt bekannt. Während Flugpassagiere sich vor der Einreise bekanntlich ausziehen und alle möglichen Schikanen über sich ergehen lassen müssen, kommen 95 Prozent der internationalen Fracht per Schiff ungeprüft ins Land. Nur 5 Prozent der Container werden geöffnet.

Die Praxis beruht unverständlicherweise darauf, dass man etwa 5000 Speditionen mit entsprechenden Sonderrechten ausgestattet habe, so dass diese ihre Fracht schon auf der Überfahrt nach Amerika selbst deklarieren können. Ob die Unternehmen die jeweiligen Sicherheitsauflagen, denen sie vor fünf Jahren zugestimmt haben, auch erfüllen, ist nie kontrolliert worden.

Dass die Regierung den Deal mit Dubai Port World dennoch so intensiv durchzudrücken versucht, kann nur mit den finanziellen Interessen einiger Beteiligten zu tun haben. Wenn die Regierung, und am Mittwoch auch die Hardliner im Wall Street Journal, der Gegenseite vorwerfen, „allgemein gegen Globalisierung“ zu sein, dann wirft sich eine ganz andere Frage auf: Warum haben Bush & Co. jüngst so vehement gegen die Übernahme des Öl-Riesen Unocal durch die chinesische CNOOC gekämpft? Seinerzeit hieß es, Öl sei ein Teil der Inneren Sicherheit und dürfe nicht ins Ausland verkauft werden, obwohl die betroffenen Öl-Vorräte nicht einmal auf amerikanischem Grund sondern vor der Küste Taiwans gelegen hatten.

Und noch eine andere Frage stellt sich: Warum findet sich eigentlich kein amerikanisches Unternehmen, dass die Frachthäfen organisieren kann?

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Alt 22-02-2006, 20:58   #427
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Technologie & Trend
Das Podcasting und dessen Gewinner

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Alt 23-02-2006, 20:39   #428
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Eine neue, alte Pipeline

Was für eine Nachricht: Die drei größten Energieriesen Amerikas bauen die längste Gas-Pipeline der Welt. Über mehr als 5500 Kilometer soll sie sich durch Alaska und Kanada bis nach Chicago winden und bald 7 Prozent der US-Nachfrage decken. Den Markt lässt das kalt. Das Projekt ist zwar beschlossen, aber noch viel zu weit weg.

Immerhin: Hinter der Planung einer Pipeline steckt mehr als die Festlegung einer Wegstrecke und die Kunst der Ingenieure, das anderthalb Meter dicke Rohr gegen Wind und Wetter, gegen Tiere und tektonische Verschiebungen abzusichern. All das wäre kein Problem. Schwieriger wird es, das Land für den Pipeline-Verlauf aufzukaufen und Grundstücksbesitzer zu entschädigen. Mit dem Staat Kanada müssen die meisten Wegrechte überhaupt erst verhandelt werden, und auch die Umweltschützer dürften bald Bedenken gegen das Projekt anmelden und klagen.

Ach ja, und dann stellt sich noch die Frage nach den Kapazitäten der Stahl-Hersteller. Ob die jederzeit genügend Material für das Projekt zur Verfügung haben, ist keineswegs sicher.

Frühestens 2010 soll dann mit der neuen Pipeline Gas von der Nordküste Alaskas in die 48 kontinentalen Bundesstaaten gefördert werden. Experten allerdings halten einen Termin um 2015 für wahrscheinlicher.

Wann auch immer das 20 Milliarden Dollar teure Gemeinschaftsprojekt von ExxonMobil, BP und ConocoPhilips aber fertig sein wird, sollen 130 Millionen Kubikmeter täglich befördert werden.

„Das neue Pipeline-Projekt passt in den Trend der letzten fünfzehn Jahre“, meint der Erdgas-Analyst Robert Ineson von Cambridge Energy Research Associates. „Gas wird immer weiter im Norden gewonnen, während Öl immer tiefer aus der Erde geholt werden muss.“ Die technischen Anforderungen seien enorm, die Kosten auch. Deshalb könnte das aktuell geplante Projekt auch das letzte seiner Art sein.

Irgendwo nämlich müssen Kosten gespart werden. Und wenn das nicht beim Fördern geht, dann eben bei der Anlieferung. In Zukunft dürfte sich dabei der Vertrieb von Flüssiggas bezahlt machen, glauben Analysten. Dessen Transport wird ohnehin immer wichtiger, da die USA immer größere Anteile ihres Verbrauchs aus Übersee importiert und meist nicht auf Pipelines zurückgreifen kann.

Für Flüssiggas spricht aber auch die Flexibilität des Transports. Kanister können per Schiff näher an den Ort der Nachfrage transportiert werden – das wiederum macht die Preise dynamischer. Mit guten und mit schlechten Auswirkungen: Im Januar fielen die Gas-Importe in den USA auf ein Drittel zurück, nachdem Japan und Großbritannien höhere Preise geboten hatten.

Flexibler wird der Markt aber auch durch den Wegfall immenser Fixkosten. Förderer dürften künftig schneller gewillt sein, neue Felder zu bearbeiten, weil sie nicht mehr die selben langfristigen Risiken eingehen wie mit der Finanzierung einer Milliarden-schweren Pipeline. Letztlich könnten dadurch die Förderquoten steigen und die Marktpreise sinken.

Dann wiederum ist klar, warum der Markt auf den Neubau der Alaska-Chicago-Pipeline nicht allzu euphorisch reagiert. Das Projekt ist im Prinzip schon überholt, bevor es begonnen hat.

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Alt 27-02-2006, 20:46   #429
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Die Maus und der Apfel

Disney-Aktionäre kommen sich seit einigen Monaten vor wie im Märchen. Die Aktie des Hollywoodkonzerns wandelt sich langsam vom Frosch zur Prinzessin. Spekulationen über eine mögliche Übernahme durch Apple heizen den Kurs nun erneut an, denn die Idee ist gar nicht so weit hergeholt.

Zwar ist ein Deal zwischen dem legendären Hollywood-Studio und dem iPod-Riesen zum Wochenbeginn nicht mehr als die Spekulation eines Börsenmagazins. Doch unwahrscheinlich wäre er nicht. Vor allem nicht, weil Disney-CEO Bob Iger den Konzern mit Weitblick umbaut und revolutioniert, seit er vor einem halben Jahr im Chefsessel Platz genommen hat.

Das war höchste Zeit: Unter Michael Eisner hatte Walt Disney zuletzt kaum noch Erfolge vorzuweisen, und der Aktienkurs reflektierte das. Bob Iger hat indes früh erkannt, dass einem Konzern, der seit langer Zeit festsitzt, nur große Einschnitte helfen. Entsprechend schritt der Neue mutig und in Siebenmeilenstiefeln zur Tat:

Schon Igers erster Coup zeigte in die richtige Richtung: Nachdem sich Disney unter Michael Eisner jahrelang mit dem Trickfilmspezialisten Pixar gestritten hatte, glättete er die Wogen und leitete eine Übernahme des Unternehmens ein, dass Disney in den letzten Jahren mit „Toy Story“ und „Finding Nemo“ die größten Erfolge beschert hatte.

Doch bindet Iger durch die Pixar-Übernahme nicht nur eines der heißesten Unternehmen der Filmbranche an sich, sondern eben auch dessen CEO und größten Anteilseigner – Steve Jobs. Der ist künftig mit einem Anteil von 7 Prozent größter Einzelaktionär im Maus-Konzern, und sein Wort hat Gewicht. Sollte Jobs eine Übernahme Disneys durch sein anderes Unternehmen – eben Apple – wollen, was angesichts der günstigen Bewertung gar nicht so unwahrscheinlich ist, dürften nicht viele widersprechen.

Denn dass ein Mann wie Jobs Disney modernisieren und für eine Zukunft in Hightech rüsten könnte, bezweifelt zwischen Wall Street und Hollywood keiner. Vor allem nicht in der Disney-Zentrale, jedenfalls nicht mehr. Zunächst, wohlgemerkt, hatten viele die Nase gerümpft, als Disneys Fernseh-Tochter ABC TV-Content wie „Desperate Housewives“ über Apple für den iPod freigab. Doch seither hat man 2 Millionen bezahlte Downloads verbucht und sieht einer Zukunft außerhalb des klassischen Fernsehprogramms ins Auge.

Das zeigte sich zuletzt erst vor zwei Wochen, als der Konzern gemeinsam mit Intel und Cisco einen neuen Service auf den Markt brachte: MovieBeam. Die Decoder-Box ist, regelmäßig aktualisiert, mit hundert Spielfilmen gefüllt und soll Kinohits künftig am Erscheinungstag der DVD direkt in die Wohnzimmer bringen. Den Verbraucher kostet das nicht mehr als bisher die Leihgebühr in der Videothek, die Margen für Disney steigen aber von etwa 90 Cent auf 2,80 Dollar pro Film.

Zwar ärgern sich die DVD-Vertriebspartner, darunter Blockbuster oder der Einzelhandelsriese Wal-Mart, doch davon lässt sich Bob Iger nicht einschüchtern. „Wir müssen neue Wege gehen, um unseren Content an den Kunden zu bringen“, statuierte er jüngst bei einem Analystentreffen. „Traditionelle Vertriebswege dürfen dabei kein Hindernis sein.“

Das sind große und mutige Worte, doch nichts anderes kann dem Konzern aus einer etwas verlorenen Marktsituation helfen. Anders als die größten Konkurrenten Time Warner und News Corp. hatte Disney bisher nämlich keinen firmeneigenen Zugang zum Kunden. Hingegen konnten Time Warner über seine eigene Kabeltochter bis ins Wohnzimmer vordringen und der Fox-Konzern über den Satelliten-Ableger DirecTV. Mit MovieBeam spielt Disney nun auch wieder mit, ein paar vergrätzte Einzelhändler sind da durchaus in Kauf zu nehmen.

Ob MovieBeam oder Direktvertrieb im Internet, niemand kann daran zweifeln, dass Steve Jobs mit seiner Expertise in Content (Pixar) und Hightech (Apple) für Disney neue Wachstumsmöglichkeiten ergründen und aufbauen kann. Disney-CEO Bob Iger hingegen scheint der Mann zu sein, unter dem selbst Quantensprünge wie ein Verkauf des Konzerns möglich wären.

Steve Jobs unterdessen hat sein Interesse an Disney noch nicht bekannt gegeben. Aber wer hätte nicht gerne sein eigenes „Magic Kingdom“?

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Alt 28-02-2006, 18:27   #430
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Olympia in der Fernseh-Krise

Dabei sein ist alles, lautet das olympische Motto. Das olympische Problem heißt: Es sind nicht allzu viele dabei. Wenige Tage nach Ende der Spiele in Turin ziehen amerikanische Fernsehsender und Sponsoren Bilanz, und man ist nicht zufrieden. Die Spiele scheinen viel von ihrem früheren Reiz verloren und kaum mehr Zuschauer gefunden zu haben.

Die Zahlen, die der Olympia-Sender NBC für die letzten zwei Wochen vorgelegt hat, sind erschütternd. Verglichen mit den Winterspielen vor vier Jahren sind die Einschaltquoten um 33 Prozent zurückgegangen. Zwar hatte man damals Heimvorteil mit den Spielen in Salt Lake City. Doch liegt man nach Turin auch um satte 20 Prozent unter den Quoten für Nagano 1998.

Olympia hat ein Image-Problem. „Die Spiele sind nicht mehr Tagesgespräch“, hat die Trendforscherin Irma Zandl beobachtet. „Die Winterolympiade hat keine Seele mehr.“

Das klingt umso erschütternder als sich vor allem die Amerikaner im Vorfeld redlich bemüht hatten. Wohl wissend, dass John and Jane Dow nicht aus Spaß am fairen Wettstreit einschalten, sondern um die Landsleute gewinnen zu sehen, baute man Superstars auf. Dass die gold-verdächtigen Eislaufsternchen aber entweder verletzt abreisten (Michele Kwan) oder stürzten (Sasha Cohen) half ebenso wenig wie der Komplett-Ausfall von auf Ski- und Party-As Bode Miller oder die Niederlage der Eishockey-Herren im Halbfinale.

Doch ob die Sportler punkten oder nicht, dürfte allein für die Fans wichtig sein. Für die Unternehmen, die Millionen in die Winterolympiade investiert haben, sind schwache Leistungen keine Entschuldigung für schlechte Quoten. NBC, die Fernsehtochter von General Electric, hat für die Olympiarechte von 2004 bis 2008 2,3 Milliarden Dollar gezahlt. Hauptsponsoren wie McDonald´s, Coca-Cola und Visa waren mit jeweils 50 Millionen Dollar beteiligt – da müssen Resultate her.

Da mag NBC-Sportchef Dick Ebersol lange besänftigen, die Olympiade verliere auch nicht mehr Zuschauer „als andere Glamour-Events wie Oscars oder Grammys“, letztlich hat der Sender keine Wahl: Die Olympia-Strategie muss geändert werden, um das Interesse wach zu halten. Erste Entwürfe lassen aber Zweifel daran aufkommen, ob die Rettung der Spiele gelingt. Denn neben wenigen guten Ideen finden sich einige, die ganz schnell nach hinten losgehen könnten:

So schlägt der auf Business-Events spezialisierte Produzent David Adler vor, die Spiele künftig wie Reality-TV aufzuziehen. Sportler sollten zur Beichte gebeten werden, wie es Zuschauer aus oder „The Bachelor“ kennen. Auch könnten die Athleten Mini-Kameras in der Mütze haben, während versteckte Kameras nächtliche Aktivitäten im Olympischen Dorf aufzeichnen. „Big Brother“ bei Olympia? In einer ersten Umfrage beim Internet-Portal AOL sprechen sich 88 Prozent gegen solchen Quatsch aus.

Ebenfalls aus Reality-Shows kommt die Idee von Fernsehproduzentin Catherine Muller. Wie bei den Talent-Shows sollten Zuschauer bei Telefon und Text-Message abstimmen und Ergebnisse beeinflussen können. Beim Eiskunstlauf hätten zwar auch die Preisrichter noch mitzureden, das „heißeste Paar der Olympiade“ könnten Fans aber wohl selbst ermitteln. Reality-Check: 84 Prozent der Befragten halten von dieser Idee nichts.

Andere programmatische Änderungen könnten durchaus zu höheren Quoten führen und würden auch dem Olympischen Geist nicht widersprechen. Dass bei Zeit-basierten Wettkämpfen wie Eisschnelllauf die besten drei in einem Final-Lauf direkt gegeneinander antreten und die Medaillen unter sich ausmachen müssten, könnte 62 Prozent zum Einschalten verleiten.

Mehr Musik und weniger Moderation könnte immerhin etwa der Hälfte der Amerikaner die Spiele interessanter machen. Mehrheitlich sprechen sich die Befragten aber gegen eine zu arge Modernisierung aus: Aus Olympia sollen keine X-Games werden, nach Snowboarding dürften damit nicht allzu viele neue Trendsportarten folgen.

Größte Enttäuschung für seriöse Trendforscher dürfte sein, dass sich neue Fernsehgewohnheiten scheinbar nicht nutzen lassen. Gemäß dem Trend schlägt der Medienprofessor Sreenath Sreenivasan von Columbia University vor, die Spiele auch im Handy-Format zu übertragen und kostenpflichtige Pakete für einzelne Sportler oder Disziplinen anzubieten. 87 Prozent der Befragten bei AOL erteilen dem Konzept eine klare Absage. Hätte man sich aber auch denken können: Wer abends schon nicht kostenlos bei NBC mitfiebern will, wird bestimmt nicht für Live-Curling auf dem Handy-Display in die Tasche greifen wollen.

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Millionenklage gegen den „König aller Medien“

In New York bahnt sich ein Gerichtsspektakel an, das die Wall Street und den Boulevard gleichermaßen fasziniert. Der Radiosender CBS, erst vor kurzem aus dem Viacom-Konglomerat ausgegliedert, verklagt seinen früheren Star-Moderator Howard Stern wegen Vertragsverletzung. Es geht um 500 Millionen Dollar.

Nicht nur der hohe Streitwert macht den Prozess interessant, sondern vor allem die beteiligten Personen. Howard Stern, selbst ernannter „König aller Medien“, ist Amerikas unanständigster DJ. In seiner Talk-Show geht es fast ausschließlich um Sex in allen Formen, dazu macht man sich über Frauen und Minderheiten lustig – kurz: bei Howard Stern ist der Tabu-Bruch Programm.

Ausgerechnet im prüden Amerika kommt das an: Sterns Quoten waren viele Jahre lang die höchsten in der gesamten Radiobranche. Entsprechend interessant war der Mann für Sirius Satellite Radio. Der junge Satellitensender, dem ausgerechnet der frühere Viacom-Chef Mel Karmazin vorsteht, hat Stern für fünf Jahre an sich gebunden – für 500 Millionen Dollar plus Bonus, falls Stern genügend Abonnenten bringen würde.

Stern hat die Quote erfüllt. Satte 200 Millionen Dollar soll er dafür im Januar kassiert haben, denn die Fans liefen dem Star hinterher wie die Ratten dem Mann mit der Flöte. Allerdings hatte Stern dem Umzug der Massen zu Sirius Satellite nach Kräften geholfen: Schon zwei Monate vor seinem Abschied von CBS propagierte er in seiner täglichen Show den Wechsel zum Konkurrenten und lobte ausführlich dessen Programm und Technologie – das passte seinen Chefs nicht.

Das wiederum ist verständlich, zumal die Fans nun nicht zwischen Sirius und CBS hin und her wechseln, sondern den traditionellen Sender gar nicht mehr antasten. Die Quoten für Sterns Nachfolger, den ehemaligen Van-Halen-Frontmann David Lee Roth, sind im Keller. Schuld daran sei Stern, der den Konkurrenten so aggressiv beworben habe – auf dem eigenen Sender. Das sei Vertragsbruch, heißt es bei CBS, wo man Stern nun sein Fünf-Jahres-Honorar bei Sirius abnehmen will.

Stern sieht das ganze als einen „privaten Rachefeldzug“ von Les Moonves, der das Motiv für die Klage nicht in seiner unerlaubten Werbung für den Konkurrenten sehe, sondern in persönlicher Enttäuschung. Entsprechend persönlich wehrt sich der Radio-Star. „Das ist ein ganz falscher Typ“, schimpft er gegen Moonves. „Das sieht man ja schon an seinem falschen Haar.“

Solche Töne gefallen dem Boulevard, der den außerordentlich stark behaarten DJ auf sämtlichen Titelseiten feiert.

Die Wall Street schaut sich das Theater derweil aus der Distanz an und stellt fest: Die Aktien beider Sender – CBS und Sirius Satellite – sind seit Wochen am Fallen. Vom Prozessausgang könnte abhängen, wer sich zuerst erholt.

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Alt 02-03-2006, 20:35   #432
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Sorgen um die Vogelgrippe

Deutschland mag den USA ein guter Partner sein, für die meisten ist es aber nur eins: ziemlich weit weg. Ein ganzer Ozean trennt die beiden Staaten. Doch das ist nicht allzu viel, wenn es um die Verbreitung der Vogelgrippe geht: Seit in Deutschland die ersten Tiere verendet sind, ist auch in den USA die Sorge gewachsen.

Der Tenor, der die Experten in den US-Medien eint, ist ähnlich wie in Deutschland: Man nimmt die Seuche ernst, bereitet Maßnahmen gegen den Virus vor, will aber eine Panik vermeiden. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die Vogelgrippe nicht von Mensch zu Mensch ansteckend ist. Und dass die bisher gezählten 173 infizierten Menschen (darunter 93 Todesfälle) nicht etwa beim Verzehr von Hünchenfleisch, sondern durch Kontakt mit infizierten Tieren und Kadavern angesteckt wurden.

Wichtigstes Argument der Experten im Kampf gegen eine Massenpanik ist aber, dass die Ansteckungsgefahr von Zuchttieren, also vor allem Geflügel auf Farmen, in den USA deutlich geringer sein dürfte als sonstwo auf der Welt. Vor allem mit dem asiatischen Raum ließen sich US-Farmen nicht vergleichen, meint Richard Lobb vom National Chicken Councel, dem Branchenverband der Geflügelzüchter.

„In Asien kommen Sie in ein Dorf, und da läuf das Geflügel frei in den Straßen umher“, so Lobb. In den USA hingegen würden professionell gezüchtete Hühner, Enten, Gänse und Truthähne normalerweise in Hallen gehalten. Selbst Tiere in Freilandhaltung, die etwa 1 Prozent des Marktes ausmachen, seien durch Zäune abgeschirmt vom Kontakt mit wilden Tieren und Zugvögeln. Diese aber seien das größte Ansteckungsrisiko, wenn sie mit Zuchttieren in Berührung kämen oder sich den gleichen Tümpel teilten.

Die größten amerikanischen Geflügelzüchter, Tyson Foods und Pilgrim´s Pride machen sich daher auch keine großen Sorgen um das Geschäft. Das ist zwar naiv, immerhin bricht auch bei McDonald´s und den Steakhäusern im ganzen Land regelmäßig das Geschäft ein, wann immer nur eine einzige Kuh mit Verdacht auf Rinderwahn zusammenbricht. Zudem wissen die Unternehmen, wie teuer ein Erntfall wäre: Als die Vogelgrippe 1983/84 schon einmal in den USA ausgebrochen war, mussten allein im Bundesstaat Pennsylvania 15 Millionen Tiere getötet werden.

Auch haben die US-Geflügelzüchter in den letzten Wochen ihre Exporte bereits um ein Drittel einbrechen sehen, da andere von der Vogelgrippe betroffene Länder bemüht sind, zunächst ihre eigenen – sicheren – Bestände zu verbrauchen. Dennoch: Die Geflügelzüchter halten nach jüngsten Kommentaren an ihren Prognosen fest.

Tyson Foods und Pilgrim´s Pride sind nicht die einzigen Unternehmen, die von einer Epidemie betroffen wären. Sollte es in den USA zu einer Ausbreitung der Vogelgrippe kommen, deren Impfstoff nach wie vor nur begrenzt zur Verfügung steht, wären die Folgen immens. Selbst eine leichte Ausbreitung könnte nach Schätzungen der Regierung 75 Millionen Amerikaner betreffen, 100 000 von ihnen töten und das Wirtschaftswachstum um 1,5 Prozent drücken.

Eine große Epidemie hingegen dürfte nach ersten Prognosen 90 Millionen Amerikaner treffen und 2 Millionen Menschen töten. Die Wirtschaft könnte in eine Rezession gestoßen werden mit einem um 5 Prozent sinkenden BIP. Zum Vergleich: Der normalen Grippe fallen jedes Jahr nur etwa 36 000 meist ältere Amerikaner zum Opfer.

Von einer Vogelgrippe-Epidemie indes wären alle Altersgruppen betroffen. Deshalb arbeiten Firmen bereits an Notfall-Plänen, erneuern Versicherungen und instruieren Mitarbeiter in Heimarbeit. Man glaubt nicht an den Ernstfall, will aber gut vorbereitet sein, falls es zum Äußersten komme.

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Alt 03-03-2006, 20:54   #433
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„Oscar“ bringt das große Geld
Er ist klein und kahlköpfig, und doch reißen sich Hollywood-Stars um den Kerl. Die Rede ist vom Oscar, der am Wochenende zum 78. Mal vergeben wird. Hollywood ist gespannt, zwischen Rotem Teppich und Nachfeiern bahnt sich eine spektakuläre Party an. Auch die Wall Street schaut zu, denn es geht neben der Filmkunst auch um viel Geld.

Dass der Oscar Filmen nicht nur Anerkennung und Prestige bringt, ist weithin bekannt. Und doch ist die Situation in diesem Jahr anders als sonst. Denn der Geldregen für Oscar-Gewinner könnte fetter ausfallen denn je zuvor. Der Grund: Unter den Filmen mit den meisten Nominierungen sind kaum Kassenschlager. Viele kleine Produktionen werden durch den Oscar nicht nur geadelt, sondern einer Mehrheit erst bekannt – die Ticketverkäufe an den Kinokassen könnten ab der nächsten Woceh in die Höhe schnellen.

Allein unter den fünf Filmen, die als „Bester Film“ und „Beste Regie“ in den wichtigsten Kategorien nominiert sind, hat noch kein einziger die 100-Millionen-Grenze überschritten. Und zwar bei weitem nicht. Selbst der mittlerweile weithin bekannte Schwulen-Western „Brokeback Mountain“ hat bisher nur 75,8 Millionen Dollar eingespielt. Der Streifen aus der Focus-Schmiede von NBC Universal, einer Tochter von General Electric, gilt als haushoher Favorit und könnte mit einem Oscar ausgezeichnet auch die Kinofans interessieren, die sich bisher wegen des anstößigen Themas – Homo-Sex unter Amerikas männlichsten Männern – von dem Streifen ferngehalten hatten.

Von NBC Universal stammt mit „München“ ein zweiter Film, der für beide Top-Kategorien nominiert ist. Steven Spielbergs Arbeit zum Olympia-Attentat von 1972 hat bieher rund 50 Millionen eingespielt, ebenso wie „Crash“, ein Film über Rassismus in Los Angeles, den Lionsgate Films ins Rennen schickt. Jeweils unter 30 Millionen haben die beiden anderen Kandidaten bisher eingespielt, und entsprechend hoch wäre der Oscar-Bonus für „Good Night, and Good Luck“ von Time Warner und „Capote“ von Sony.

Die kleinen Filme könnten ihre Einspielergebnisse locker verdoppeln, meint der Film-Analyst Gitesh Pandya. „Wer mit 50 Millionen Dollar ins Rennen geht, könnte gut 100 Millionen rausholen“, so der Experte, der schon erste Zahlen gesehen hat. So hat „Good Night, and Good Luck“ die Zahl der bespielten Kinos in der Woche nach der Oscar-Nominierung von 105 auf 800 gesteigert.

Den bisher erfolgreichsten Film unter den Nominierten für die wichtigsten Kategorien hat übrigens Fox aus dem News-Corp.-Imperium beigesteuert. Die Johnny-Cash-Bio „Walk the Line“ hat bisher 117,6 Millionen Dollar eingespielt. Statuen könnten am Sonntagabend an die beiden Hauptdarsteller Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon gehen, die aber nicht als Favoriten gelten.

Größter Verlierer unter den großen Studios ist übrigens – wie so oft in den letzten Jahren – Walt Disney. Nur das Moral-Märchen „Narnia“ ist für den Oscar nimoniert, allerdings nur in weniger wichtigen Kategorien wie Make-Up und Spezialeffekte.

Disney könnte hingegen in einer anderen Kategorie zulegen. Die Fernseh-Tochter ABC nämlich überträgt die größte Party Hollywoods live und damit nach dem SuperBowl schon das zweite Mega-Ereignis in diesem Jahr. Und nachdem die Einschaltquoten für den Oscar in den letzten Jahren stetis niedriger wurden, hofft man nun auf eine Trendwende. ABC hat den Comedy-Talker Jon Stewart als Moderator verpflichtet. Dessen Polit-Komik, bekannt durch Stewarts tägliche Sendung beim TV-Sender „Comedy Central“ soll ein größeres und jüngeres Publikum anlocklen als in den letzten Jahren.

Ob der Plan aufgeht und entsprechend die Werbe-Einnahmen in den nächsten Jahren steigen könnten, wird sich am Sonntagabend zeigen – die Wall Street dürfte schon im frühen Montagshandel reagieren.

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Alt 06-03-2006, 18:52   #434
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Der Blackberry darf weiterlaufen

Drei Millionen Amerikaner atmen am Montagmorgen auf: Ihr geliebter Blackberry peibst noch und wird auch weiter funktionieren. Research in Motion, der Hersteller des Taschen-Computers, hat sich im Patentstreit mit NTP geeinigt. Doch geht das Unternehmen aus dem langjährigen Streit nicht unbeschadet heraus.

Schaut man nur auf die Aktie von Research in Motion, scheint die Welt wieder in Ordnung zu sein. Um 13 Prozent verbessert sich das Papier mit dem Tickerkürzel „RIMM“, und damit sind die Verluste der letzten vier Wochen auch schon wieder aufgeholt. Doch ist fraglich, ob es die Aktie jemals wieder an die 100-Dollar-Marke schaffen kann, die vor anderthalb Jahren einmal zu fallen drohte.

Dass Research in Motion 613 Millionen Dollar an den Patentverwalter NTP abdrücken muss, dürfte einen Aufwärtstrend des Papiers wohl kaum stoppen. Dass das Management am Morgen die Gewinnschätzungen für das laufende Quartal um fast 20 Prozent gesenkt hat, auch nicht. Dass eine Einigung mit NTP Geld kosten und die Gewinne kurzzeitig beschnitten würden, war ja klar.

Was die Aktie indes langfristig belasten könnte, sind zweierlei Fragen: Vertraut der Anleger dem Management von Research in Motion? Und wie stark profitieren Konkurrenten wie Palm von der monatelangen Krise beim Blackberry?

Zunächst: Das Management von Research in Motion geht als großer Verlierer aus der Schlacht mit NTP. Eine Einigung hat zwar verhindert, dass das Unternehmen 3,2 Millionen Blackberry in den USA abschalten musste, doch hätte man eine solche Einigung bereits 2002 erreichen können, nachdem sich RIM zum ersten Mal dazu bekannt hatte, widerrechtlich Patente zur Funk-Übermittlung von Emails genutzt zu haben.

Läppische 50 Millionen Dollar hätte es damals gekostet, NTP zufriedenzu stellen – weit weniger als ein Zehntel dessen, was jetzt auf den Tisch gelegt werden muss. Die Sturheit der RIM-Chefs hat sich nicht bezahlt gemacht, und dass sie eine Zeit lang mit absurden Argumenten den Streit aufrecht erhalten hatten, dürfte ihnen ebenfalls manchen Anleger vergrault hatten. So hatte man einmal erklärt, die US-Patentrechte seien für RIM nicht von Belang, weil man ja ein kanadisches Unternehmen sei. Dass die US-Behörden aber dennoch die 3,2 Millionen US-Geräte hätten abschalten können – und damit den Großteil des RIM-Geschäfts – hatte man nicht bedacht.

Solche Managementfehler könnten Unternehmen und Aktie ebenso langfristig schaden, wie ein allgemeiner Vertrauensverlust beim Kunden. Monatelang zitterten Unternehmen um die Geräte ihrer Mitarbeiter. Etwa 900 Dollar hätte die System-Umstellung pro Gerät gekostet, hätte man den Blackberry verloren. Ein Unternehmen mit tausend angeschlossenen Nutzern, durchaus üblich in großen Konzernen, wäre schnell bei einer Million Dollar an Restruktukturierungskosten gelandet.

Die fallen jetzt nicht an, doch blickt man mit Sorge auf die kleinen Geräte, die in den letzten Jahren für ebenso viele negative wie positive Schlagzeilen gesorgt hatten. Mancher dürfte sich während der langen Periode der Unsicherheit auf die Seite eines Blackberry-Konkurrenten geschlagen haben. Palm ist einer der großen Gewinner aus dem Patentstreit bei RIM, wie der Kursverlauf des letzten Jahres zeigt.

Am Montag verliert Palm 6 Prozent, während Research in Motion deutlich klettert. Wie gut sich Blackberry & Co. aus der Krise befreien können, wird sich aber erst an den langfristigen Bewegungen in den nächsten Monaten zeigen.

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Alt 07-03-2006, 20:11   #435
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Aus NYSE wird NYX

Die Geschichte der New York Stock Exchange begann 1792 unter einer Platane als 24 New Yorker Händler das „Buttonwood Agreement“ unterzeichneten. In den folgenden 214 Jahren war die Börse an der Wall Street ein geheimnisvoller Ort, der in dieser Woche transparenter werden soll denn je: Die Börse gibt am Mittwoch eigene Aktien aus.

Unter dem Tickerkürzel „NYX“ wird die NYSE LLC. an der Wall Street gehandelt werden. Die zunächst ausgegebenen Papiere sind dabei nichts anderes als die umbenannten Aktien von Archipelago, der bisher schon börsennotierten elektronischen Handelsplattform, mit der die NYSE im April letzten fusionierte. Sie belaufen sich auf 30 Prozent des Gesamtwertes des Unternehmens.

Die übrigen 70 Prozent der Aktien werden in den nächsten Wochen an die bisherigen Sitz-Eigner der Börse verteilt und können dann auf den Markt kommen. Wenn danach der Börsengang der NYSE abgeschlossen ist, hat die Wall Street die größte finanzielle Revolution seit dem legendären Treffen der Broker unter der Platane hinter sich: Die NYSE ist in der Zukunft angekommen.

Das war in den letzten Jahren umso notwendiger geworden, als zahlreiche Skandale das Vertrauen der Welt in die Institution an der Wall Street erschüttert hatten. Der Ärger hatte 2003 begonnen, als der damalige NYSE-Chef Dick Grasso über ein skandalöses Gehalts-Paket von 191 Millionen Dollar stolperte, für das er ausgerechnet in dieser Woche vor der Generalstaatsanwaltschaft aussagen und ab Oktober vor Gericht geradestehen muss.

In Grassos Gier hatte gegipfelt, was sich zuvor über Jahrzehnte und Jahrhunderte in Hinterzimmergeschäften angebahnt hatte. Das Ende der NYSE als elitärer Club mit höchst fragwürdigen Regeln, mit nicht öffentlichen Strukturen und Gehältern, mit schwer nachvollziehbarem Barmittel-Fluss und häufigen Klagen gegen willkürlich verhängte Ordnungsstrafen musste zu einer Zeit kommen, in der ja auch die an der Börse gehandelten Unternehmen wieder schärfer kontrolliert und zu mehr Transparenz verdonnert werden.

Mit dem IPO ist die Weiterentwicklung allerdings nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Dass die altehrwürdige NYSE mit einer elektronischen Plattform zusammengeht, lässt die weitere Richtung erkennen – der Handel auf dem traditionsreichen Parkett wird an Bedeutung verlieren. Schon seit einiger Zeit ist ein Hybrid-Modell beschlossen, dass elektronischen Handel gleichberechtigt neben das Parkett stellt.

132 Aktien sind zur Zeit mit Genehmigung durch die SEC in dem Hybrid-Versuch integriert, darunter einige Dow-Aktien wie IBM, Boeing und Walt Disney. Gehandelt werden sie von Spezialisten wie La Branche und Van der Moolen sowie Investmenthäusern wie Bank of America, die zur Zeit etwa 700 Transaktionen täglich elektronisch ausführen mit einer Durchschnittsgröße von 3700 Aktien.

Schon Mitte März soll der Hybrid-Test abgeschlossen sein, danach sollte einer Umsetzung des Modells in die alltägliche Praxis nichts mehr im Wege stehen.

Die nächste Veränderung könnte die bevorzugte Ware der NYSE betreffen: Während die Börse zur Zeit noch auf Aktien spezialisiert ist, halten Experten eine Übernahme im Optionshandel für möglich. Zwei Zahlen sprechen dafür: Das Das Handelsvolumen mit Aktien ist im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent gestiegen, das Handelsvolumen mit Optionen hingegen um 30 Prozent. Solche Wachstumsraten dürften John Thain gefallen, dem ehemaligen Goldman-Sachs-Mann, der sich seit dem Fall Dick Grassos um die Geschäfte an der NYSE kümmert.

Letzterer übrigens lobt das Werk seines Nachfolgers in höchsten Tönen. John Thain sei ein Mann mit Visionen, meinte Dick Grasso am Dienstagmorgen auf dem Weg zu seiner Vernehmung. Thain wird das kaum beeindrucken. Unter seiner Leitung fordert die NYSE einen Großteil des Grasso-Gehalts zurück, und von dieser Forderung wird man trotz allen Schulterklopfens nicht ablassen.

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