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Alt 23-06-2006, 09:42   #1
Benjamin
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Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
US-Notenbank im Dilemma

Neben der Charttechnik bei den großen westlichen Aktienindices habe ich aber noch weitere 5 Indikatoren für eine bärische Grundhaltung bei Aktien:

1- Die US-Frühindikatoren (gestern mit -0,6% gemeldet) sind damit nun hintereinander das 4. mal in Folge gefallen. 3x fallende Werte hintereinander ist einer Faustregel zu Folge ein Anzeichen für eine am Horizont heraufziehende Rezession. Das Rezessions-Signal liegt also vor.

2- Die US-Zinsstrukturkurve ist invers ausgerichtet, historisch ein Rezessionsindikator.

3-Schaut man sich die Industriemetalle an, dann sehen diese Tages- und Wochencharts eher nach einer längeren Abwärtsphase aus als nach einer kurzen, kräftigen Korrektur innerhalb eines noch laufenden Aufwärtstrends. Habe Kupfer beispielsweise geshortet.

4- Die Indices der Exportnationen unter den Schwellenländern sind rasant gefallen, über dass Maß einer normalen Korrektur. Das war Sell-Off, nichts gemächliches. Die KGVs dort sind immer noch sehr hoch, das wird noch weiter gehen. Habe daher einen Indien-Index geshortet.

5-Der Nikkei 225 hat in den letzten Jahren IMMER einen Jahreszyklus gehabt: Ende April/Anfang Mai war in den letzten Jahren immer entweder ein Top oder ein Low, und zwar jeweils abwechselnd. In 2006 war es ein Top, Ende April/Anfang Mai 2007 sollte es dann also ein signifikantes Low geben. So, wenn das so ist, dann ist kaum vorstellbar, dass SPX, DAX, etc. in der Zeit nach oben laufen. Also zumindest in diesem Zeitintervall sollte ein Aktien-Bärenmarkt vorherrschen.

Verwirrend ist der Goldpreis in US-Dollars bewertet: Er ist viel zu sehr gefallen, um längerfristige Inflation und eine Krise an den Finanzmärkten glaubhaft erscheinen zu lassen. Sicheres US-Tagesgeld bringt aktuell gut 5%, warum dann ein Kursrisiko bei Gold eingehen?

Bärische Anlegerstimmen sagen, dass die Phase der Zinsanhebungen in einiger Zeit (1-3 Monate) ausklingen wird, danach stehen - wegen schwacher und immer schwächer werdender Weltkonjunktur - eher leichte bis mäßige Zinssenkungen ins Haus - und damit eine rasante Abwertung des US-Dollars.

Die US-Notenbank steht dann vor einem unauflöslichen Dilemma: Sie kann alles nur falsch machen, egal, ob sie wegen des fallenden Außenwertes des Dollars die Zinsen wieder anhebt (für US-Wirtschaft + US-Haushalt schlecht) oder mit Rücksicht auf die erlahmende Wirtschaft + den hochverschuldeten US-Haushalt die Zinsen eher niedrig hält (Dollar Crash).

Die gleichen bärischen Stimmen von oben behaupten, dass dann die US-Notenbank wohl zwei Dinge machen wird:

a) Sie wird die Zinsen nur wenig zurücknehmen, evtl gar nicht. Folge: Aktienmärkte fallen weiter.

b) Sie wird immer mehr Dollars drucken, um den hohen Finanzbedarf des US-Haushaltes zu decken, der bei erlahmender Wirtschaft immer weniger Einnahmen hat, der aber bei den dann immer noch unangenehm hohen Schuldzinsen und Militäraufwendungen hohe Ausgaben aufweist. Sie würde damit der fundamental vorhandenen Tendenz zu eher niedrigeren Preisen (wegen Ertragskraftverlust der US-Shopper und einer höheren Sparquote) entgegenstämmen. Sie würde sie entgegengesetzt überlagern mit einer bewußten Inflationspolitik, sprich: Geld drucken. Letzteres würde die Verschuldeten (vor allem: Der US-Haushalt) und US-Sacheigentumsbesitzer (Die Reichen) entlasten und den vielen kleinen Geldbesitzern mit ihren Ersparnissen schaden. Das paßt genau zu meinem Weltbild hinsichtlich der Politik, die ich einer US-Regierung unter Bush zutrauen würde.

Folge: Künstliche Inflation bei fundamentalen Deflationstendenzen. So etwas funktioniert imo nur vorübergehend, dieser billige Trick der US-Notenbank schreit doch nach einer "Auflösung".

Offene Frage: Was macht dann Gold (in US-Dollars bewertet)? Gegenwärtig sieht es so aus, als ob die Deflationsseite gewinnen würde, Bernanke würde demnach seinen Kampf gegen die Windmühlen verlieren.

Ich bin gespannt, wie Prechter in seinem Buch die angeblich künftige Deflation ableitet, die ja sehr niedrige Zinsen impliziert. Nach meiner eigenen Logik ist Deflation in den USA nur um den Preis eines beängstigenden Dollar-Crash's zu haben, der Auswirkungen haben würde, die ich mir gar nicht vorstellen kann. Wer Deflation nicht will und gleichzeitig die Interessen der Reichen berücksichtigen will, der muss offenbar sozial ungerecht agieren: Geld drucken und damit die Inflation künstlich hoch halten, zu Lasten der Sparer, zu Gunsten des US-Regierungshaushaltes und anderer großer Schuldner. Das unterhölt aber das öffentliche Vertrauen an all diejenigen, die politische Ämter innehaben, die ja zum Wohle des ganzen Volkes agieren sollen. Dazu zählt auch der US-Notenbankchef. Wie gesagt: Bernanke kann es jetzt nur falsch machen.

Geändert von Benjamin (23-06-2006 um 09:49 Uhr)
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Alt 27-06-2006, 13:09   #2
Benjamin
TBB Family
 
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Beiträge: 10.374
General Motors sehe ich gerade jetzt als eine gute Short-Möglichkeit an - rein charttechnisch abgeleitet.

Nahezu ebenso gut: Sixt und Thyssen Krupp (etwas mehr Risiko als bei einem General Motors-Put).

Nur einmal so zur Erinnerung hier eingestreut, damit erkennbar wird, dass es auch in der umgekehrten Richtung Gewinne geben kann - wenn die Richtung stimmt....

Situation auf Sicht von Tagen: Bin aktuell rohstofffrei (kleine Ausnahme: Short auf Kupfer), devisenfrei, also fast zu 100% in Puts und Shorts auf Aktien.


Situation auf Sicht von Wochen/Monaten: Am Anfang einer Deflation herrscht noch etwas Inflation. Aber der Markt verhält sich so, als wäre bereits Deflation: Es fällt alles, alle Asset-Klassen, also inkl. Immobilien, Rohstoffe, Aktien, Anleihen, Edelmetalle.

Drei einfache Gegenargumente für die Inflationsbesorgten:
1) Ölmulties fallen: Schaut Euch den Daily und Weekly von Royal Dutch oder BP oder irgend einem anderen Ölmulti an: Die sind alle aus ihrem Trendkanal nach unten rausgefallen. Der Impuls seit 2003 kann fertig abgezählt werden. Wenn diese Unternehmen wegbrechen, dann kann es mit dem Ölpreis als Inflationstriebfeder nicht mehr stimmen. Meine Spekulation mit dem Irankrieg April 2007 hat sich damit aller Voraussicht nach zerschlagen. Nur ein Krieg im Nahen Östen dürfte in der Lage sein, den Ölpreis in den nächsten 12 Monaten noch einmal auf neue Höhen treiben - was aber (charttechnisch gesehen) unwahrscheinlich ist. Die öffentliche Stimmung in den USA sowie die Signale aus dem Iran deuten nicht an, dass diese Variante große Chancen hat - zum Glück!
2) Gold hätte bei begründeten Inflationssorgen nicht so wegbrechen dürfen, wie wir es gesehen haben. Charttechnisch sauber kann man allerdings erst dann argumentieren, wenn auch Gold aus dem Trendkanal rausfällt. Möglicherweise wird das erst in einigen Monaten passieren, wenn Gold Zeit hatte, vollständig durch den Trendkanal zu wandern, um schließlich unter etwa 540 Dollar zu fallen - und eine SKS auslöst.
3) Der Reuters CRB Index - ein Rohstoff-Index - hat den Impuls seit Oktober 2001 kürzlich im Mai 2006 abgeschlossen. Das waren also rund 4,5 Jahre Rally. Der Impuls ist eindeutig abgeschlossen - und zwar voraussichtlich als Unterwelle 3 (ich kenne noch keinen wirklich historischen Langfristchart von diesem Index). Der "Große" Impuls begann im März 1999. Innerhalb dieses großen Impulses stehen wir also jetzt am Beginn der Unterwelle 4 runter - und die wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit länger als 1 Jahr dauern.
Charts dazu siehe http://www.traderboersenboard.de/for...649#post249649
http://www.traderboersenboard.de/for...445#post170445

Die wirklichen Sorgen deuten Deflation an! Sie lauten:
* Die Kreditwürdigkeit der großen Schuldner dieser Welt wird in Zweifel gezogen (daher steigende Zinsen)
* Die Notenbanken dieser Welt befinden sich ALLE in unauflösbaren Zielkonflikten. Sie werden also einen Eiertanz aufführen, sich in ihren Formulierungen winden und schlussendlich kaum einer Gruppe wirklich helfen können. Sie können machen was sie wollen, wenn Pessimismus um sich greift und die Rückzahlfähigkeit der Hauptschuldner angezweifelt wird, dann können sie keine Zauberkunststücke vollbringen, um alle wieder optimistisch und vertrauensvoll zu stimmen. Sie sind machtlos gegen die wirkliche Ursache: Deflation. Die tatsächlichen Entscheider sind dann diejenigen, die Geld besitzen und entscheiden, ob und zu welchem Zins sie bereit sind, jemandem (dem Staat, einem Unternehmen, einer Bank) Geld zu leihen.
Das Dilema der Notenbanken beginnt bei ihrem Hauptwerkzeug: Dem Leitzins. Um die eigene Währung zu schützen und um eine Flucht der Anleihe-Besitzer zu verhindern müssen die Zinsen (zwischen den Banken) hoch. Um das abbröckelnde Konsumklima zu verbessern müßten die Zinsen runter. Das droht zu einem Feuerwehr-Aktionismus zu werden: Woimmer es gerade am stärksten brennt, da schüttet die Fed dann für den Moment mal wieder etwas Leitzinswasser hin.

Man schaue sich doch nur die Situation in heute bereits deflationären Ländern wie z. B. in der Türkei oder Island an!

Am Anfang einer Konjunkturkrise kann man da mit Shorts und Puts gut verdienen. Solange die Banken funktionieren, geht das gut - und das dürfte noch eine ganze Weile so gelten.

Irgendwann in einigen Jahren, wenn das Bankwesen leiden dürfte und also die Deflation schon weit fortgeschritten ist, dann muss man wohl umsteigen, um nicht von einem Bankenausfall kalt erwischt zu werden (Enteignung!).
Physisches Gold käme dann - erst dann - in Frage, Deponierung an einem sicheren Ort (außerhalb von Bank-Gebäuden an einem geheimen Ort! In den USA wurde in der Deflation 1929 -1933 der Goldbesitz verboten, Gold mußte an den Staat verkauft werden - der natürlich den Verkaufspreis selber festsetzte!).

Wer mehr dazu wissen möchte: http://www.traderboersenboard.de/for...threadid=12193
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