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Alt 20-06-2003, 13:56   #1
crazy_coco
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Niquets Welt -- Gedanken und Statements zur Börse

Gleich ein doppelter Irrtum
Wieder zurück von ein paar Tagen Abstinenz, muss ich gleich einen doppelten Irrtum bekennen. Dort, wo ich aufgewühlten Rasen erwartet hatte, ist friedliche Ruhe eingezogen, und die Aktien sind weiter gestiegen, als gäbe es tatsächlich etwas zu feiern. Die Stimmung an den Börsen ist gegenwärtig so gut, dass alles andere keine Rolle mehr zu spielen scheint. Warum also nicht mitfeiern, wenn die anderen sich betrinken?! Doch auch beim größten Gelage bleibe ich immer zumindest so nüchtern, dass ich wenigstens noch ein paar Schafe von der Wiese ins Trockene holen kann. Das macht zwar bei Sonnenschein und großer Hitze nicht unbedingt Spaß, sichert jedoch das Überleben in schlechten Zeiten.

Ich bilde mir nicht ein, besonders schlau zu sein beim Herausfiltern der Gründe von Kursaufschwüngen und Abwärtsbewegungen sowie bei der Prognose der zukünftigen Börsenentwicklung. Doch das, was ich gegenwärtig in der Presse lese, ist so dämlich, dass es mich schon körperlich schmerzt. Erst war es die Leitzinssenkung der EZB, die die Kurse treiben sollte, und jetzt hat man sogar das unsägliche Liquiditätsargument wieder ausgegraben. Wahrscheinlich werden uns in der nächsten Woche noch sensationelle Ufo-Funde als die wirklichen wahren Gründe für die Börsenhausse präsentiert.

Ich habe die ganzen vergangenen Tage ausschließlich mit meiner kleinen, bald dreijährigen Tochter verbracht und muss sagen, dass deren Weltbild sich von den Börsenberichten in der Zeitung nur marginal unterscheidet. Ich habe über dieses Thema ausführlicher in meiner neuen Kolumne von NIQUETS SONNTAGSBÖRSE geschrieben, die seit vergangenem Sonntag regelmäßig in der WELT AM SONNTAG erscheint. Deshalb an dieser Stelle nur Folgendes:

Ich würde von all dem, was gegenwärtig über die Börse gesagt und geschrieben wird, nichts, aber auch gar nichts glauben. Aus meiner Sicht haben wir es ausschließlich mit einem Stimmungsphänomen zu tun – einem Massenstimmungsphänomen. Der Zug der guten Laune ist abgefahren und viele, die fest für ihn gebucht hatten, haben ihn verpasst. Weswegen die Platzkarten für den nächsten Zug jetzt zu Höchstpreisen versteigert werden. Wo dieser Zug allerdings hinfährt, weiß keiner der Beteiligten – und kann auch keiner wissen. Das Einzige, was wir alle wissen, ist, dass die Tickets binnen kurzer Zeit um genau 50 Prozent teurer geworden sind.



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Alt 24-06-2003, 22:28   #2
Vogtlandsiggi
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Alle sind unterinvestiert in Aktien!?



Gestern habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass dann, wenn in unserem Lande ein kollektiver Notstand herrscht, selbst wenn es nur ein Bildungs- oder Ideennotstand ist, sofort ein Prozess der kollektiven Verwirrung beginnt. An der Börse ist es derzeit wieder so weit – und das neueste Schlagwort lautet: Die Privatanleger, die Fonds und die Institutionellen sind alle unterinvestiert in Aktien und müssen folglich reichlich dazukaufen.

Das ist in der Tat ein interessanter Befund, schließlich würde das bedeuten, dass alle potentiellen Aktienanleger unterinvestiert wären. Was natürlich sofort die Frage aufwirft: Wo sind denn die ganzen Aktien nur geblieben? Hat sie irgendein Bösewicht verbrannt, durch den Fleischwolf gedreht und von der Festplatte gelöscht?

Nein, es handelt sich hierbei wieder einmal schlicht und einfach um die Verwechslung der Situation von Einzelnen mit der der Allgemeinheit. Einige Menschen können zu Mördern werden, alle können das jedoch nicht – weil dann niemand mehr zum Erschießen übrig bleibt. Und nicht anders an der Börse: Einige Anleger oder Anlegergruppen können unterinvestiert sein, alle hingegen niemals. Und wenn einige Anleger unterinvestiert sind, dann folgt daraus zwingend, dass mindestens einige andere überinvestiert sein müssen. Denn die Anzahl der Aktien hat sich seit dem Top im Frühling 2000 nicht wesentlich geändert. (Ihr Wert ist natürlich kleiner geworden, doch das Gesamtvermögen ebenfalls, so dass sich hieraus die obige Überlegung nicht tangieren lassen sollten.)

Bleibt natürlich die Frage, auf die ich selbst sehr gerne eine Antwort hätte: Wer mag es wohl gewesen sein, der die ganzen Aktien aufgenommen hat, die die Privatanleger, die Versicherungen und vielleicht auch die Fonds in den letzten Jahren ganz unbestritten auf den Markt geworfen haben? Das Ausland ist es nicht gewesen. Es können also nur ebenfalls Privatanleger, Institutionelle und Fonds gewesen sein. Aber mit Sicherheit die Hartgesottensten der Hartgesottenen. Die daher ein leichtes Wackeln der Kurse bestimmt nicht aus dem Gleichgewicht bringen wird. Bleibt der Wirtschaft also Schlimmeres erspart, scheint der Aktienmarkt gegenwärtig auf soliden Füßen zu stehen. Doch das ist sicherlich der Punkt, an dem sich das Schicksal der Börse für die nächste Zeit entscheiden wird.

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Autor: Bernd Niquet, 14:23 24.06.03
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Alt 26-06-2003, 08:34   #3
Vogtlandsiggi
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Was in den vergangenen Jahren finanziell hinter uns liegt, findet in der jüngeren Geschichte eigentlich nur eine einzige Parallele, nämlich in etwa in der Zeit zwischen 1925 und 1935 (und 1929 bis 1933 im engeren Sinne). Nach einer großen Inflation/inflationären Phase gab es dort wie vor kurzem auch bei uns eine extreme Wirtschaftsblüte. Sinkende Zinsen aufgrund eines Abbaus der Inflationserwartungen wurden begleitet von stark steigenden Aktienkursen. Dabei erzielten die breiten Indices Kursgewinne von etwa 250 Prozent binnen weniger Jahre. Dann jedoch kam der plötzliche Absturz der Aktienkurse um etwa zwei Drittel und ein Umschwenken der Wirtschaft hinsichtlich von Stagnation in Verbindung mit ersten deflationären Anzeichen.

Hier jedoch endet die Parallele mit der Entwicklung der Jahre 1925 bis 1935 glücklicherweise. Denn damals stürzte die Wirtschaft in eine deflationäre Abwärtsspirale mit extrem fallenden Preisen und sprunghaft steigenden Zinsen, die jegliche Vermögenswerte außer Bargeld in heute beinahe unvorstellbarer Weise entwertete. Doch genau das wird es heute nicht geben. Wir werden keine Deflation bekommen.

Aus meiner Sicht wird es zwar noch einen kleineren Crash am Rentenmarkt geben, um die enorm hohen Erwartungen wieder abzubauen, doch ansonsten werden wir uns in den nächsten Jahren mit manchmal ansteigenden und manchmal wieder fallenden Aktienkursen, Güterpreisen und Zinsen so durchwursteln – ohne dass etwa sehr Spektakuläres passieren wird. Exogene Schocks kann es natürlich immer geben, so etwas ist niemals vorherzusehen, doch von innen heraus wird das Wirtschafts- und Finanzsystem nicht zum Kollaps neigen.

Woher kommt meine Zuversicht? Weil es die Mechanismen, die das System damals kaputt gemacht haben, heute nicht mehr existieren. Eine sehr anschauliche Schilderung der Situation in den 30er Jahren habe ich kürzlich in J. Irving Weiss´ Schilderungen über den Börsencrash 1929 und seine Folgen gefunden (Quelle: Weiss, M. Verdoppeln Sie ihr Vermögen in der Geldpanik 2003!, Bonn 2002/2003, ISBN 3-932017-15-3, historisch interessant, taugt jedoch nicht als Ratgeber und liegt mit 49,80 Euro jenseits jeglicher Schmerzgrenze.)

Weiss schreibt: "Wie erwartet waren die Zinssätze während des Crashs am Aktienmarkt stark gefallen. Dann passierte etwas absolut Überraschendes. Obwohl wir uns noch mitten in einer Deflation befanden und die wirtschaftliche Entwicklung immer noch auf Talfahrt war, zogen die Zinssätze dramatisch an. Der unmittelbare Grund hierfür: Die Anleihemärkte brachen zusammen."

Und warum brachen die Anleihemärkte zusammen? Weil jeder, Banken, Versicherungen, ja die ganze Wirtschaft Bargeld brauchte. Weiss schildert das sehr anschaulich an folgendem Dialog:

"Was ist das?" fragten die Unternehmenschefs ihre Finanzabteilungen.
"Das sind Anleihen", lautete die Antwort. "Anleihen sind solide Investitionen – nicht wie Aktien."
"Können Sie die verkaufen?"
"Sicherlich können wir das. Aber Anleihen sind vor allem für schlechte Zeiten gut. Sie sollten sie jetzt nicht verkaufen, weil ..."
"Ist mir völlig egal, ob sie gut, schlecht oder mittelmäßig sind. Verkaufen Sie sie. Holen Sie Bargeld rein!"

"Ich fragte einige meiner Geschäftsklienten", so Weiss weiter, " warum sie Anleihen verkaufen wollten. Sie redeten daraufhin über eine "zurückkehrende Inflation", über die Gefahr einer "Reflation", wie sie es nannten. Später erkannte ich, dass die Inflation bloß eine Entschuldigung war. Der wirkliche Grund, warum sie Anleihen verkauften, war, dass sie schlicht und einfach Bargeld brauchten."

Hier sieht man also sehr deutlich, warum sich das damalige Szenario heute nicht wiederholen wird: Damals mussten Vermögenswerte verkauft werden, um Bargeld zu beschaffen. Bargeld war so knapp, dass es (gemessen an den Preisen für Güter, die man dafür kaufen konnte) ständig an Wert zunahm. Heute hingegen müssen Banken keine Vermögenswerte verkaufen, um sich Bargeld zu beschaffen, sondern sie können sie gegen 2 Prozent Zins bei der EZB in Pension geben, und erhalten dafür Bargeld. Bargeld ist dadurch kein derart knappes Gut, dass es zu immer weiter steigenden Preisen und Zinsen (=weiter fallenden Güterpreisen) gesucht wird, sondern es ist aufgrund einer weitsichtigen Zentralbankpolitik überall in genügendem Maße vorhanden.

Aus diesem Grund wird es folglich kein Abkippen in die Deflation geben, wo alle Preise in den Keller rauschen, die Zinsen sprunghaft in die Höhe schnellen und nur die Bargeldhaltung einen Gewinn erbringt.

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Autor: Bernd Niquet, 14:33 25.06.03
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Alt 27-06-2003, 21:24   #4
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Ein schier unschlagbares Geschäft
++ Einbahnstraße ++
Von Bernd Niquet
Aktien können steigen oder fallen. Die Aussicht auf Gewinn kann nur durch ein mindestens ebenso großes Verlustrisiko erkauft werden. Jeder Aktienkauf ist daher stets ein risikobehaftetes Unterfangen. Und zudem gilt: Je höher die Gewinnchance, je höher das Risiko. Es sieht jedoch so aus, als gäbe es derzeit eine Spekulation, bei der das Risiko beinahe Null ist, die Gewinnchancen hingegen außerordentlich gut. Man muss es nur spielen können und einen langen Zeithorizont haben.

In Japan liegen die Renditen 10jähriger Staatsanleihen bei etwa einem halben Prozent, in den USA sind es knapp 3,5 Prozent und in der Eurozone gut 3,5 Prozent. Der theoretische Zinssenkungsspielraum in Euroland und den USA ist daher noch beträchtlich – in Japan hingegen ist er schlichtweg nicht mehr vorhanden. Unter null Prozent kann die Rendite von Staatsanleihen nicht fallen, und es ist sehr zweifelhaft, ob sie überhaupt noch weiter fallen wird.

Spiegelbildlich dazu bedeutet das, dass die japanischen Anleihen gegenwärtig (und bereits seit längerer Zeit) auf einem Höchststand notieren, der selbst theoretisch kaum noch überboten werden kann. Japanische Staatspapiere können also nur noch seitwärts tendieren oder fallen. Und früher oder später werden sie fallen, weil früher oder später die Zinsen wieder ansteigen werden. Eine Nullzins-Ökonomie ist auf Dauer nämlich unvorstellbar.

Das genialste Geschäft der Gegenwart lautet daher, japanische Anleihen leer zu verkaufen. Für den Schweizer Anlageprofi Felix Zulauf ist das sogar der "sell of a generation" und für Mark Faber aus Hongkong der "short of the century".

Bleibt die einzige Frage: Wie macht man das? Ich habe mich ein wenig herumgehört: In Deutschland oder Europa gibt es keinerlei Optionen auf japanische Anleihen, nur zwei Future-Mini-Shorts. Und die Handelsabteilung meiner Bank hat gesagt: "Japan? Um Gottes Willen. Da hatten wir die letzte Anfrage vor fünf Jahren." Es ist also nicht davon auszugehen, dass irgendeine Bank demnächst hier ein Produkt auflegt. Doch das zeigt die Gewinnträchtigkeit dieses Geschäfts – weil niemand sich darum kümmert, sind die Chancen hoch. Die Banken werden dann mit ihren Shortzertifikaten auf Anleihen exakt zu dem Zeitpunkt kommen, in dem das Beste wegverdient ist.


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Alt 22-08-2003, 22:18   #5
crazy_coco
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Rückkehr des Volksamazonen-Index

++ Blase lebt weiter ++

Von Bernd Niquet
Ich hoffe, der eine oder andere Leser kann sich noch an meine kleine Creation aus dem Oktober 1999 erinnern, den Volksamazonen-Index. Damals, am Dienstag, den 26. Oktober 1999, grassierte weltweit der Börsenwahnsinn – und ich bin die Wette eingegangen, dass binnen der nächsten zehn Jahre die Volkswagen-Aktie wesentlich besser performen wird als die Aktie des Internet-Händlers Amazon. In diesem Sinne ist der Volksamazonen-Index auch ein Indikator für den Grad des jeweiligen spekulativen Exzesses des Marktes, da er eines der konservativsten und langweiligsten Investments mit einem der risikoreichsten vergleicht.

Nach langer Abstinenz möchte ich heute diese beiden Aktien wieder einmal betrachten. Und ich kann das Ergebnis bereits vorwegnehmen: Meine Prognose schien zwischenzeitlich bereits sehr früh einzutreffen, steht jetzt jedoch wieder auf der Kippe. Der Volksamazonen-Index zeigt eine abstruse Überbewertung risikoreicher Investments. DIE BLASE LEBT WEITER. DER IRRATIONALE ÜBERSCHWANG IST NOCH LÄNGST NICHT ABGEBAUT.

Bei Auflage des Volksamazonen-Index notierte die Amazon-Aktie bei 78 Euro und die von Volkswagen bei 53 Euro. Der Index stand damit bei 78/53 = 1,47. Im Low ist die Aktie von Amazon auf einen Wert von nur noch 5 Euro gefallen, wohingegen Volkswagen bei 28 Euro sein Low fand. Das entspricht einem Volksamazonen-Index von nur noch 0,2 und zeigt, dass hier die Blase beinahe abgebaut worden ist. Mittlerweile stehen beide Aktien (bei Vernachlässigung des Dollarverfalls) witzigerweise exakt bei 45, was einem Volksamazonen-Index von 1 entspricht. Die Bewertung risikoreicher Investments liegt also wieder nahe dem absoluten Top der Vor-Crash-Zeit.


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Alt 03-12-2003, 20:39   #6
Starlight
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Wie weit noch?

Alles dreht sich zum Jahresende scheinbar um die magische Zahl 4000. Wird der Dax noch vor Weihnachten die 4000 erreichen? Meine Meinung dazu: Es ist egal! Wer anlässlich der fragilen Lage der Weltfinanzen mit defensivem Ansatz operiert, für denjenigen ist es egal, ob die Aktien jetzt noch 4 Prozent steigen oder nicht. Denn bei einer Aktienquote von 30 Prozent, was aus meiner Sicht der gegenwärtigen Situation sehr gut entspricht, macht ein vierprozentiger Anstieg gerade einmal 1,2 Prozent in Hinsicht auf die Gesamtperformance aus. Damit kann man das Jahresergebnis nicht mehr retten.

Ganz anders sieht es freilich aus, wenn man seit Jahresanfang oder eben erst seit März zu 30 Prozent investiert ist, denn dann hat man auf seinen Aktienanteil einen durchschnittlichen Gewinn von 33 respektive von 74 Prozent erzielt, was eine Gesamtperformance von immerhin 10 Prozent oder eben sogar 22 Prozent ausmacht (zuzüglich der Zinsen für das nicht in Aktien investierte Vermögen). Hier war das Jahr 2003 also ein ausgezeichneter Jahrgang, dessen Erträge sich durchaus besser stellten als im historischen Mittel.

Die Miesepeterei zum Jahresanfang hat sich also im Verlauf des Jahres in eine Jubelstimmung verwandelt. Wird nun jedoch die Jubelstimmung bald wieder zur Miesepeterei werden? Die Frühindikatoren der Wirtschaft weisen derzeit Höchststände aus, wie sie im Durchschnitt der letzten Jahrzehnte nur sehr kurzzeitig erreicht worden sind. Enttäuschungen sind hier also vorprogrammiert – egal, wie die Wirtschaft selbst sich entwickeln wird. Fraglich bleibt nur, wie die Börse dann darauf reagieren wird.

Does the body rule the mind or does the mind rule the boby? I don´t know – heißt es in einem meiner Lieblingslieder der Smiths. Wird die Psychologie die Fundamentalfaktoren dominieren, oder werden die Fundamentalfaktoren die Psychologie bestimmen? Ich weiß es nicht! Ich weiß aber auch, dass das ganze Gerede von der Bedrohung durch die Staatsverschuldung und von der Flucht ins Gold nicht mehr ist als nur das Gerede verzweifelter Börsenpessimisten ist. Und schaut man einmal noch genauer, dann sieht man, wie händeringend diese Klientel sogar einen neuen großen Terroranschlag herbeisehnen. Bei den Istanbul-Ereignissen hat der Markt jedoch deutliche Stärke gezeigt.

Ich gehe daher eher mit dem Weihnachtsmann und freue mich auf die 4000, auch wenn der Weihnachtsmann dafür Überstunden machen muss. Und wenn dann ein überangestrengter und überbeschäftigter Weihnachtsmann im Frühjahr dem gerade aufgewachten Osterhasen "Gute Nacht" sagt, dann sollte man sicherlich lieber noch einen Gang zurück schalten.





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Alt 08-12-2003, 18:07   #7
Starlight
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Machen wir es wie Soros
Der Investor George Soros ist dafür bekannt, abrupt seine Haltung zu ändern, wenn er merkt, dass sein bisheriges Denken in einem Irrtum gefangen war. Also los: Spielen wir einmal Klein-Soros! Was ist mit der ausgesprochen skeptischen Haltung gegenüber den Märkten, die wir in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt haben?

Das große Damokles-Schwert, die Gefahr einer schweren Deflation mit Preisrückgängen und Kaufzurückhaltung der Verbraucher, scheint vorerst nicht mehr aktuell zu sein. Alan Greenspan hat sich dabei unsterbliche Meriten verdient, die allerdings erst die Historiker verleihen werden.

Gegenwärtig befinden wir uns daher eigentlich in einer Börsenwelt, die besser kaum denkbar ist: Die Wirtschaft wächst, die Unternehmensgewinne steigen, die Preise bleiben jedoch relativ stabil, von Inflation ist nichts zu sehen, von Deflation auch nichts. Die Zinsen sind niedrig, der wirtschaftliche entscheidende Teil der Welt befindet sich im Frieden und es gibt keine Rohstoff-Krisen.

Hinzu kommt: Die Aktien sind drei Jahre lang gefallen. In Deutschland haben wir höhere Kursverluste zu verzeichnen gehabt als in der Zeit der großen Weltwirtschaftkrise von 1929 bis 1935, also auch vor und nach Hitlers Machtergreifung. Der Pessimismus ist daher so weit verbreitet wie lange Zeit nicht mehr.

Wann haben wir in den vergangenen zwanzig oder dreißig Jahren einmal ein derartiges Ideal-Szenario erleben dürfen?

Ich weiß, ich weiß, als aufrechter Gallier ist man sich natürlich stets der Gefahr bewusst, dass einem der Himmel auf den Kopf fällt und anschließend alle Spatzen tot sind – und das andere ebenfalls kaputt ist. Doch wahrscheinlich ist das das Einzige, was wir derzeit wirklich zu fürchten haben. Dass uns der Himmel auf den Kopf fällt – oder dass er sich zumindest kurzzeitig einmal kurz verfinstert und damit die in den vergangenen drei Jahren so erfolgreich trainierten Reaktionen des Pessimismus noch einmal wie die Murmeltiere kurz zum Erwachen bringt. Doch gemeinhin schlafen die Murmeltiere im Winter.


Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.

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Alt 25-03-2004, 08:04   #8
Starlight
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Und jetzt?

Eigentlich ist die Einschätzung sehr eindeutig: „Wie sind Börsenschocks nach Attentaten zu werten?“ fragt Hans A. Bernecker in seiner „Actien Börse“ und gibt die folgende Antwort: „Sie sind technische Korrekturen im Blitzformat. Die Crashs von 1987, 1990 (Kuwait) sowie 1998 (Schwellenländer) und schließlich "11.09.2001" sind die besten Beweise und Vergleichsmöglichkeiten. Dem steht der "Dauerschock" vor dem Irakkrieg gegenüber, der rund zehn Wochen dauerte und ein größeres Gewicht erlangte.“

Ich teile diese Sichtweise völlig. Natürlich schwächelt die Wirtschaft und sind die Verbesserungen der Unternehmensergebnisse in erster Linie auf Kostenreduktionen und nicht Umsatzausweitungen zurückzuführen. Von Einsparungen können zwar einzelne Unternehmen gesunden, jedoch keine gesamte Volkswirtschaft. Und damit die Unternehmen in Gänze eben auch nicht.

Dennoch: Ich glaube nicht an einen wirtschaftlichen Absturz, den es geben müsste, um den Bären jetzt Recht zu geben mit ihrer Sichtweise, dass wir es gegenwärtig nicht mit einer Korrektur im Aufwärtstrend, sondern mit dem Ende einer Bärenmarktrallye in einem Abwärtstrend zu tun haben.

Meine Hauptargumente sind hierfür: Niedrige Zinsen und das Ende der Inflation! Natürlich wird bei den Inflationsraten etwas gemauschelt, doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass trotz der Explosion der Ölpreise und der anderen Rohstoffpreise bei uns (und in den USA) keine signifikante Inflation existiert.

Diese beiden Faktoren unterscheiden den gegenwärtigen Zyklus von allen anderen der vergangenen 25 Jahre. Wir wachsen langsamer, dafür ohne steigende Zinsen und anspringende Inflation. Damit wachsen die Bäume zwar nicht in den Himmel, doch andererseits ist auch nicht davon auszugehen, dass uns ausgerechnet jetzt der Himmel auf den Kopf fällt.

Wer charttechnisch orientiert war, ist sicherlich rechtzeitig ausgestiegen – zumindest zum Teil. Ich habe das leider verschlafen. Deswegen lege ich noch einmal Schlaftabletten nach und halte durch. Vielleicht ruckelt es noch einmal, doch Attentate machen keine langfristige Tendenz. Nicht einmal eine mittelfristige.

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